8. Internationales Treffen der Frauen in Schwarz

Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten

von Ellen Diederich
Friedensbewegung international
Friedensbewegung international

Das 8. Internationale Treffen der Frauen in Schwarz, organisiert von den Frauen in Schwarz aus Belgrad, fand in diesem Jahr vom 7. bis 10. Oktober in Ulcinj, einer kleinen Stadt in Montenegro direkt an der Adria, statt.

Die Gruppen der Frauen in Schwarz sind ein internationales Frauenfriedensnetzwerk.
Die ersten Gruppen bildeten sich in Israel. Während des Golfkrieges entstanden Frauen in Schwarz in Italien, Spanien, Deutschland, USA, Großbritannien, Dänemark, während des Krieges in Bosnien die Gruppe der Frauen in Schwarz in Belgrad. "Wir hatten überhaupt keine Tradition von Frauenfriedensaktionen oder auch einer Friedensbewegung, wie sie im Westen existierte", sagt Lepa Mladenovic, eine der Gründerinnen der Frauen in Schwarz.

Die Frauen in Schwarz haben gemeinsame Aktionsformen und Orientierungsrahmen. Sie wenden sich in erster Linie gegen die jeweilige Kriegspolitik, an der ihr eigenes Land beteiligt ist. Also in Israel gegen die israelische Politik, die die PalästinenserInnen unterdrückt und mit Krieg überzieht. Die serbischen Frauen kritisieren die Politik des Milosevic-Regimes, die Vertreibungs- und Kriegspolitik. Frauen in Italien, Spanien, Deutschland wenden sich in erster Linie gegen die Beteiligung ihrer Länder an Kriegen wie dem Golfkrieg und vor allem gegen die Bombardierungen Jugoslawiens durch die Nato. In Mexiko ist die mexikanische Regierung auch wegen ihrer Politik gegen die Zapatistas Gegenstand der Kritik der Frauen in Schwarz. Besonders in Asien haben die Frauen in Schwarz noch andere Elemente aufgenommen, vor allem: Gewalt gegen Frauen, ökologische Fragen.
 

Es gibt aber auch gemeinsame Analysen und Stellungnahmen der Frauen in Schwarz aus allen Ländern, in denen dann eine umfassende Kritik aller Kriegshandlungen zusammengetragen sind, z.B. Publikationen wie die seit 6 Jahren herausgegebenen Jahrbücher durch die Frauen in Schwarz in Belgrad. Die Bücher werden in vier Sprachen gedruckt, sind inhaltlich sehr umfassend und grafisch sehr gut gestaltet. Sie enthalten sowohl Aktionsbeispiele als auch theoretische Beiträge und Einschätzungen. Leider gibt es sie nicht in deutsch, wer Englisch, Italienisch, Spanisch oder Serbokroatisch kann, sollte sie sich besorgen. Sie sind wirkliche Zeitdokumente. Die Frauen in Schwarz machen in Serbien eine reisende Friedensschule monatlich in fünf Städten. Sie organisieren Unterschlupf für Deserteure, verhelfen ihnen zur Flucht ins Ausland, haben Beratungsstellen für vergewaltigte und misshandelte Frauen eingerichtet.

Die Aktionsformen der Frauen in Schwarz sind regelmäßige Mahnwachen, bei denen die Frauen schwarz gekleidet sind; so demonstrieren sie in Serbien seit 1992 jeden Mittwoch auf dem Zentralplatz in Belgrad. Bei diesen Mahnwachen werden Informationen an die Passanten gegeben. Während des Treffens in Ulcinj nahmen alle Teilnehmerinnen an einer solchen Mahnwache in Podgorica, der Hauptstadt Montenegros, vor dem Parlament teil.

All die Jahre zuvor fanden die Treffen der Frauen in Schwarz in Serbien, in Belgrad oder Novi Sad statt. Mit der Zuspitzung der politischen Situation nach dem Krieg im Kosovo, in Serbien und Montenegro, nach den Nato-Bombardierungen, ist es für die Frauen in Schwarz sehr schwierig geworden, ihre wöchentlichen Aktionen gegen den Krieg in Belgrad durchzuhalten. Die Repressionen waren bedrohlich. So wurde das Treffen dieses Jahr in Montenegro gemacht. Serbien verlangt für TouristInnen Visa, Montenegro verlangt zur Zeit kein Visum für ausländische TouristInnen.

Aus Deutschland beteiligten sich 7 Frauen an diesem Treffen. Unser Flug ging nach Sarajewo. Die Stadt zeigt das Gesicht des Krieges - von der Zerstörung der Gebäude her, vor allem aber auch durch die Zerstörung der Familien, die auseinandergerissen wurden, immer noch über die ganze Welt verstreut leben, die meisten Familien haben Tote zu beklagen. Von dort aus fuhren wir zehn Stunden lang mit dem Bus durch das zerstörte Bosnien. Die Dörfer entlang der Route sind verbrannt, die Brücken notdürftig geflickt, je dichter an Sarajewo, um so größer die Zerstörung. Etwa 20.000 Menschen sind verschwunden. Die Soldaten der internationalen Truppen bewegen sich wie Sieger in der Stadt. Auf der Straße vom Flughafen nach Sarajewo sahen wir große Werbeflächen: "Dayton Im- und Export". Bezahlt wird überall mit D-Mark.
 

Bei dem letzten Stück Fahrt entlang der montenegrinischen Adria fiel es uns schwer, die Schönheit der Landschaft und des Meeres mit den Grauen des Krieges zusammenzubringen. Hier in der kleinen Stadt Ulcinj gibt es 13.000 EinwohnerInnen, Während der Vertreibungen durch die Serben und die Nato-Bombardierungen auf das Kosovo, Serbien und Montenegro von März bis Juni lebten hier zusätzlich 50.000 Flüchtlinge von dort. Die montenegrinische Adria war vor dem Bosnienkrieg eines der großen Touristenzentren von Jugoslawien. Jetzt ist der Tourismus fast tot. Die Hotels verfallen. Der Ausfall für die Volkswirtschaft durch das Wegbleiben der Touristen beläuft sich 34 Milliarden US Dollar.

232 Frauen aus 14 Ländern und aus verschiedenen Teilen des ehemaligen Jugoslawien kamen zu dem diesjährigen Treffen - aus Mexiko und Israel, den USA, Kanada, Russland, Tschetschenien, aus Spanien, Italien, Belgien, Österreich, Deutschland, Schweden, Bulgarien, Dänemark, aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien, der Woiwodina, Mazedonien und aus Montenegro.

Die Arbeitsthemen waren:
 

  • Ethnische Säuberungen - Nato-Intervention
     
  • Zunehmender Militarismus - global und lokal
     
  • Pazifistisch-feministische Ethik - Kollektive Verantwortung, individuelle Schuld
     
  • Widerstand gegen den Krieg, die Erfahrungen von Frauen
     
  • Den Frieden schaffen - was können wir zusammen machen?

Weiter wurden debattiert:
 

  • die internationalen Zusammenhänge von Kriegen und Globalisierung
     
  • die ökonomischen Interessen, die hinter Kriegen stehen,
     
  • die zunehmende Militarisierung,
     
  • die tiefe Beziehung zwischen Militarismus und Ökonomie,
     
  • die sogenannten humanitären Interventionen.
     

Frauen aus Nato-Ländern, aus Dänemark, Italien, Deutschland, USA berichteten über die Spaltung der Friedensbewegung, berichteten vom Zerbrechen von Freundschaften, von Austritten aus Organisationen, von Zorn und auch manchmal Verzweiflung an der politischen Arbeit.
 

  • Die Nato insgesamt wurde heftig kritisiert.
     
  • Die Nato als reichstes Militärbündnis der Menschheitsgeschichte, deren Budget für einundeinhalb Tage dem der Vereinten Nationen für ein ganzes Jahr, einschließlich aller Programme gegen Hunger, für medizinischen Versorgung, Erziehung und friedenserhaltenden Maßnahmen, entspricht.
     
  • Die Nato, deren Politik neue Armut schafft, Kulturen zerstört.
     
  • Die Nato mit ihrer neuen Strategie, die neue Feindbilder braucht, um ihre Existenz nach dem Fall der Mauer zu rechtfertigen. Eines dieser Feindbilder, so wurde im Beitrag der spanischen Referentin Mireya Forel Freieis ausgeführt, ist die Demokratisierung und Unabhängigkeit der 3. Welt, das Interesse der Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens, selber über die Nutzung ihrer Bodenschätze und Ressourcen zu bestimmen.
     
  • Die Nato hat sich in Washington D.C. die "demokratische Lizenz zum Töten" zur Verteidigung der "demokratischen Lizenz zum Plündern" im Interesse der reichen Länder gegeben. Kritisiert wurde der Aufbau neuer Feindbilder im Hitler-Vergleich, Saddam Hussein oder Milosevic als jeweils die neuen Hitler.
     

Das falsch verstandene Konzept von Gleichberechtigung, das den Frauen ungehinderten Zugang zum Militär geben will, wurde von allen Frauen scharf kritisiert. Wenn die Fähigkeit zu töten die Voraussetzung zur Emanzipation sein soll, dann war diese Vorstellung für die hier versammelten Frauen, von denen viele den Krieg erlebt haben, pervers. Die Forderung müsse vielmehr lauten: dass die Männer mit den Frauen gleichgestellt werden, also nicht töten lernen müssen, womit alle Armeen abgeschafft würden.
 

An der Oberfläche verliefen die Diskussionen harmonisch. Es gab aber Risse, die bei diesem Treffen zu spüren waren und an nicht vorhersehbaren kleinen Punkten aufbrachen. Spätestens mit dem Bericht der Kosovo-Albanerinnen, die ihre schmerzhaften Erfahrungen und Traumata erzählten, wurden die Risse sehr deutlich. Die Frauen waren völlig gefangen genommen von den schrecklichen Erfahrungen, die hinter ihnen liegen, redeten mit traurigen, starren Stimmen über die Massaker, zählten Familiennamen auf, berichteten die endlose Liste von Greueln.

Naslije Gashi aus dem Kosovo berichtete über die 11.000 Opfer im Kosovo, sie berichtete, wie Menschen in Pristina als lebendiges Schutzschild benutzt wurden und dass das Resultat der Entwicklung für sie ein unvermeidlicher Krieg war. Sie berichteten, dass es viele Selbstmorde von Frauen gibt. Die Frauen ertragen die Zerstörung der Familien nicht, die Ermordung ihrer Angehörigen, die Vergewaltigungen und die Traumatisierungen ihrer Kinder.

Die serbischen Frauen berichteten über ihre Erfahrungen bei den Bombenangriffen, auch diese Kinder traumatisiert, von der Angst vor den ökologischen Folgen der Bombenangriffe auf Ölraffinerien, Chemiewerke. Es gibt viel Angst vor dem Winter, die Heizkraftwerke sind zerstört, Wasser und Strom gibt es oft nur stundenweise. Durch die Zerstörung der Chemiewerke sind Medikamente knapp. Serbien ist zwei Generationen zurückgebombt worden.

Die Frauen aus dem Kosovo und Serbien wehrten unsere Berichte über die Folgen der Bombardierungen mit abgereichertem Uran ab. Als wir die Studie aus dem Irak, 8 Jahre nach den Bombardierungen mit den gleichen Bomben präsentierten, gab es Entsetzen.

Der Wille zu leben, der Wunsch nach Schönheit, nach Freude war ganz stark zu spüren. Trotz aller Berichte über Kriegsgeschehen und Folgen feierten wir ein Fest mit Musik, Liedern, Freundlichkeit und Zuwendung. Die warme Oktobersonne erlaubte ein Bad im Mittelmeer.

Die internationale Vernetzung der Frauen in Schwarz wird gemeinsame Aktionen machen:

25. November: Tag gegen Gewalt gegen Frauen

10. Dezember: Tag der Menschenrechte

8. März: Internationaler Frauentag

15. Mai: Tag der Kriegsdienstverweigerung

24. Mai: Internationaler Frauenfriedenstag
 

Eine Beteiligung am internationalen Frauenmarsch gegen Armut im Herbst 2.000 soll sich auf Brüssel konzentrieren.

Im Jahr 2000 Jahr soll parallel zur Eröffnung des Europäischen Museums für Frieden an der Europäischen Friedensuniversität in Schlaining/Österreich auf Vorschlag von Ellen Diederich vom Internationalen Frauenfriedensarchiv im August oder September eine internationale Frauenkonferenz stattfinden. Arbeitstitel: Ya basta - Es reicht! - Vom Kult der Gewalt zur Kultur des Friedens.
 

Bei dem Treffen soll versucht werden, durch eine Diskussion über die Hintergründe, die ökonomischen Interessen, die hinter den Kriegen stehen, die Interessen und Strukturen deutlich zu machen und zu gemeinsamen interkontinentalen Aktionen zu kommen.

Ausführliche Informationen können bei uns abgerufen werden.

Internationales Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen e.V., Lothringer Str. 64, 46045 Oberhausen, Tel.: 0208/853607Fax: 0208/853716, Email: Friedensa [at] AOL [dot] Com

Ausgabe

Rubrik

Friedensbewegung international
Ellen Diederich, Internationales Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen e.V.