Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten

von Redaktion FriedensForum

Wer Frieden will, muß den Frieden vorbereiten:
Versöhnung mit der Sowjetunion, Atomwaffen abschaffen, Europa abrüsten!

Wir stehen an einer wichtigen Wendemarke. Nach Abschluß des Vertrages über die Beseitigung der landgestützten Mittelstreckenwaffen hatten viele gehofft, daß damit eine Abrüstungsdynamik in Gang gesetzt wird. Denn die Chancen für Abrüstung und Zusammenarbeit sind  groß: erstmals haben die beiden Großmächte die Abrüstung moderner Atomwaffen vereinbart. Viele Menschen in West und Ost wollen die Chancen .für weitere Abrüstung genutzt haben. Statt dessen sehen wir, daß Bundesregierung und NATO unverändert an ihrem Aufrüstungskurs festhalten. Auch die bisher aus der CDU bekannt gewordenen Vorschläge für ein "Abrüstungs-Gesamtkonzept" unter dem Titel "Atlantische Charta NATO 2000" sollen die atomare Bedrohung verewigen, obwohl die Mehrheit der Menschen sich davon befreien will.
In der NATO werden neue "Nachrüstungen" bereits intensiv diskutiert und vorbereitet:
die Pershing II- und Cruise-Missiles-Funktionen sollen von anderen (luft- und seegestützten) Systemen voll kompensiert werden;
statt eine dritte Null-Lösung zu vereinbaren sollen die atomaren Kurzstreckensysteme durch modernere und weiter reichende ersetzt werden;
die Kriegsführungsstrategien unter Einbeziehung nuklearer, chemischere und konventioneller Waffen werden weiterentwickelt;
in West-Europa gibt es Bestrebungen, die militärische Zusammenarbeit zu verstärken und eine eigenständige Atommacht aufzubauen.

Zwar hat die nukleare Abschreckung längst ihre Akzeptanz in der Mehrheit der Bevölkerung verloren, dennoch sollen alle diese Maßnahmen zur Festschreibung und Fortentwicklung der NATO-Kriegsführungsstrategien gegen den Mehrheitswillen durchgesetzt werden.

In dieser Situation muß die Friedensbewegung erneut mit einer langfristig angelegten Aktions- und Informationskampagne in das politische Geschehen eingreifen. Gegen diese NATO-Politik setzen wir die Forderung nach einer grundlegenden Umorientierung, hin zu einer friedensfähigen Gesellschaft.

Einer Gesellschaft, in der nicht mehr zehntausende Erwachsene und Kinder in Kriegen getötet werden, täglich 50.000 Menschen verhungern, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen ausgeübt wird, allein in der Bundesrepublik 3 Millionen Frauen und Männer ohne Arbeit sind und dringende Maßnahmen zur Abwehr ökologischer Katastrophen nicht ergriffen werden, weil allein von der Bundesregierung 8 Millionen DM pro Stunde für militärische Zwecke verschleudert werden.

Wir wollen einen Frieden, der diesen Namen verdient: einen Frieden ohne Waffen, ohne Unterdrückung und ohne wechselseitige Völkermorddrohung - einen Frieden, der auf Gerechtigkeit, und Völkerfreundschaft basiert. An diesem Frieden bauen wir zusammen mit den anderen sozialen Bewegungen, wenn wir weiterhin für Versöhnung und Feindbildüberwindung eintreten, den Militarismus von der Wurzel her bekämpfen und weltweite Solidarität einüben. Dazu müssen Mißtrauen und Ängste, die zu Feindbildern wurden, abgebaut werden. Dazu muß die bedrohliche Rüstung abgebaut werden. Unsere Kampagne soll beide Ziele erreichen.

VERSÖHNUNG MIT DEN VÖLKERN DER
SOWJETUNION
Die ständige Aufrüstung, an der sich die Bundesrepublik so sehr beteiligt, ist nur durchsetzbar, weil sich die Feindbilder in so vielen Köpfen verfestigt haben. Sie sind eng verbunden sowohl mit der geschichtlichen Verantwortung dieses Landes für den überfall auf die Sowjetunion wie mit dem tiefverwurzelten Antikommunismus in unserer Gesellschaft. Um dies zu überwinden und damit der Aufrüstungsideologie den Boden zu entziehen, müssen wir selbst neu denken lernen. Versöhnungsarbeit der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten gegenüber heißt deshalb für uns:
die historischen Fakten des Vernichtungskrieges 1941 - 45 vor Augen zu stellen,
den Anteil der Bundesrepublik an der Konfrontationin Europa ernstzunehmen,     
die neuen Formen und Verkleidungen des Antikommunismus aufzuzeigen,
Menschenrechte nicht als Instrumente der Auseinandersetzung mit dem real existierenden Sozialismus zu mißbrauchen,
die Wirklichkeit der Gesellschaften Osteuropas jenseits ideologischer Vorurteile kennen zu lernen,
die Möglichkeiten konstruktiver und Mißtrauen abbauender Zusammenarbeit zu erkunden, erste Schritte hierzu von uns aus zu tun,
alles zu unternehmen, damit sich diese Völker von uns nicht mehr bedroht fühlen können und
dazu denjenigen hier, die Konfrontation und irrationale Ängste schüren, entgegen zu treten.

Versöhnung mit der Sowjetunion und den Völkern Osteuropas schließt für uns ein die partnerschaftliche Zusammenarbeit und Solidarität mit allen Kräften, auch an der gesellschaftlichen Baisis, die in diesen Ländern für Frieden, Abrüstung Verständigung und Menschenrechte arbeiten. -Auf dieser Grundlage kann ein konstruktiver Streit um die Gestaltung des "gemeinsamen europäischen Hauses" geführt werden.
Mit Aktionen zu Antikriegstag 1. September 1988 und zur Reichspogromnacht am 9. November wollen wir die Arbeit zur Versöhnung mit der Sowjetunion und zur Aufarbeitung unserer Geschichte vertiefen und Aktionen zum 50. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges 1. September 1989 vorbereiten.

 

ATOMWAFFEN ABSCHAFFEN, EUROPA ABRÜSTEN Eine Politik der Friedensvorbereitung zu betreiben beißt für uns:
*  Alle nuklearen und chemischen Massenvernichtungswaffen müssen aus der BRD abgezogen und verschrottet werden, um das Abschreckungssystem zu überwinden: Keine Ersatzaufrüstung für die wegfallenden Mittelstreckenraketen! Keine Modernisierung von atomaren Waffensystemen! Vereinbarung atomwaffenfreier Zonen! Die Bundesrepublik soll atomwaffenfrei werden! Militärische und "zivile" Nutzung der Atomkraft hängen untrennbar zusammen, deshalb: Sofortige Stillegung aller Atomanlagen! Gegen alle Tendenzen in der Bundesrepublik, insbesondere nach Ablauf des Atomwaffensperrvertrages im Jahre 1995 eigene Verfügung über Atomwaffen zu erlangen, sei es national, sei es in westeuropäischer Kooperation, setzen wir die Forderung "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz!"
*  Moderne elektronische Kriegsführung mit konventionellen Waffen wirkt, zumal in einem mit Atomkraftwerken und chemischer Industrie gespickten Land, genauso verheerend wie die mit ABC-Waffen. Deshalb gibt es keine konventionellen Alternativen, sondern auch konventionell muß einschneidend abgerüstet werden: Kein Ersatz atomarer Abrüstung durch konventionelle Aufrüstung! Verzicht auf neue Waffen, Technologien! Deutliche Reduzierungen der konven-tionellen Waffen, der Truppenstärken und der Rüstungsausgaben! Beendigung aller Rüstungsexporte! Die frei werdenden Gelder sollen zugunsten der Beziehungen mit der dritten Welt, einer Konversion der Rüstungsindustrie, der sozialen Gerechtigkeit in der BRD, und zugunsten einer Politik der Erhaltung der natürlichen Umwelt eingesetzt werden.
* Gegen das Großmachtstreben westeuropäischer Länder, die deutsch-französische Waffenbrüderschaft und den Aufbau einer westeuropäischen Atommacht setzt die Friedensbewegung auf ein ziviles Westeuropa, das auf Völkerfreundschaft und Gerechtigkeit aufgebaut ist. Wir wollen Versöhnung, Verständigung und Vertrauen mit allen osteuropäischen Völkern. Wll' treten für ein gemeinsames europäisches Haus ein, daß zunehmend entmilitarisiert wird und vom wirtschaftlichen und kulturellen Austausch geprägt ist.

Die Friedensbewegung will Geist, Logik und Politik der Abschreckung überwinden. Wir fordern eine Politik, die sich auf Geist und Logik des friedlichen Zusammenlebens aller Völker gründet. Die Friedensbewegung wird -dafür mit einer Kampagne

Wer Frieden will, muß den Frieden vorbereiten:
Versöhnung mit der Sowjetunion, Atomwaffen abschaffen, Europa abrüsten!
eintreten.
Wir rufen alle Menschen, die Kirchen, Gewerkschaften, Verbände, Organisationen und Gruppen auf, sich nach ihren Mitteln und Möglichkeiten für diese Politik einzusetzen.

Friedensarbeit lebt von den Aktivitäten vor Ort, an der Basis, von der alltäglichen Kleinarbeit und Einleitung bewußtseinsverändemder Prozesse. Diese Basis-Friedensarbeit muß fortgeführt werden und soll dazu beitragen, unsere zentralen Forderungen umzusetzen.

Zu diesen Aktivitäten gehören z.B.:
Aufklärungsarbeit zu den offensiv orientierten Doktrinen (AirLand Battle, FOFA, europäische Raketenabwehr, neue Marinestrategie der USA), geplanten Modernisierungen und Kompensationsmaßnahmen im Nuklearwaffenbereich; Aktionen zivilen Ungehorsams an atomaren, chemischen und anderen Stationierungsorten; Ost-West-Aktionen für atomwaffenfreie Zonen; Aktionen zum "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz!
Aufklärung über konventionelle Beschaffungspläne; Aufzeigen von Alternativen zum Rüstungshaushalt; antimilitaristische Aktionen; Kriegsdienstverweigerung; Aktionen gegen zivile Kriegsplanungen und Frauenverplanung;     
- Informationsarbeit für eine vorurteilsfreie, sachliche Beurteilung der sowjetischen Abrüstungsvorschläge und -maßnahmen;Zusammenarbeit mit anderen europäischen Friedensinitiativen; Versöhnungsarbeit mit den östlichen Staaten, Städtepartnerschaften und Austauschprogramme; Solidaritätsarbeit mit der "Dritten Welt"; Auseinandersetzung um Alternativen zur militärischen Verteidigung, insbesondere soziale Verteidigung; Zukunftswerkstätten z.B. zum "Gemeinsamen Haus Europa".
Die Friedensarbeit, die wir in unserem Alltag, unseren Berufsfeldern und vor Ort leisten, ist die Basis, auf der wir die Umsetzung unserer Forderungen verwirklichen können. Um die Vor-Ort-Arbeit : zu  koordinieren, zu bündeln und um unsere Forderungen bundesweit sichtbar zu machen, sind auch regionale und bundesweite Aktionen der Friedensbewegung notwendig. In diesem Herbst 1988 sollen Kongresse, Demonstrationen und Kundgebungen unsere zentralen Forderungen widerspiegeln und den Auftakt zu unserer neuen Kampagne bilden. Die Ak- tionskonferenz der Friedensbewegung ruft dazu auf: Beteiligt Euch an den Friedensdemonstrationen und -kundgebungen im Herbst, '88!

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund