Werden jugoslawische Bürgerkriegsflüchtlinge jetzt aus Deutschland vertrieben?

von Gerd Greune

Während die Horrormeldungen über den Krieg im ehemaligen Jugoslawien immer noch nicht abreißen auch wenn dies manche gerne so wahrnehmen, gibt es erste Anzeichen dafür, daß die Aufenthaltsfristen für Flüchtlinge  in Deutschland drastisch verkürzt werden: Erste Ab­schiebungen "kroatischer" Flüchtlinge werden aus Baden-Württemberg gemeldet. Ebenso wie Kroatien, wo bosnische Flüchtlinge unter erheb­lichen Druck geraten sind, fürchten nun auch bosnische, kroatische und serbische Flüchtlinge in Deutschland, deren Visa auslaufen oder deren Duldungen nur bis September befristet sind, daß sie nicht länger bleiben dürfen, obwohl ihnen in den meisten Fällen eine Rückkehr un­möglich ist.

Tatsächlich gibt es eine Fülle bisher un­geklärter Fragen:

  1. Die Staatsbürgerschaft der Flücht­linge ist deshalb unklar, weil die al­ten jugoslawischen Pässe außer durch den Hinweis auf die ausstellende Behörde oder den Geburtsort, keine eindeutige Antwort geben: Wer nach altem Paß Kroate sein soll - und dorthin abgeschoben werden kann- entpuppt sich, wie in einem Fall in Rheinland-Pfalz in Wahrheit als dort verfolgter Serbe. In Serbien wiederum wird er als Deserteur ge­sucht. Dennoch: keine Duldungsver­längerung!
  2. Familien wurden durch den Krieg auseinandergerissen und haben in Deutschland wieder zusammengefunden. Wohin sollen sie zurückkeh­ren, solange Haß und Rassismus die Region beherrschen?
  3. Serben und Kroaten schieben Bosnier wieder in die Kriegsregion zurück. Muslime nehmen sie ohnehin nicht mehr auf. Aus Kroatien haben sich Muslime in panischer Angst nach Pakistan ausfliegen lassen. Will sich die Bundesrepublik an diesen Ab­schiebeaktionen beteiligen?
  4. Deserteure und Kriegsdienstverwei­gerer gab es gerade aus Serbien zu Zehntausenden. Sie werden formal in ihrer Heimat zur Zeit nicht vor Ge­richt gestellt, obwohl ihnen sogar die Todesstrafe drohen kann. Viele von ihnen müssen allerdings sogleich an die Front, wenn sie zurückkehren sollten. Wollen deutsche Behörden junge Serben zu den Tschetniks ab­schieben?
  5. Noch immer gibt es offene Kontin­gente für 7000 Flüchtlinge in Deutschland, die von der Bundesre­gierung zugesagt worden sind. Ange­sichts der wachsenden Not in  der Herzegowina sollten diese Kontin­gente endlich ausgefüllt werden.
  6. Die  Bundesregierung hat Kroatien erhebliche Mittel für die Flüchtlinge dort überwiesen. Diese Mittel sollten allen Flüchtlingen zugutekommen. Wenn jetzt bosnische Flüchtlinge raus gedrängt oder terrorisiert werden, muß sich die Bundesregierung darum kümmern: Als Anerkennungs-Erster hätte sie bei Kroatien ohnehin gute Karten.
  7. Regeln für die vorübergehende Auf­nahme von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen sollten nicht auf die lange Bank geschoben werden. Niemand, der bei uns Zuflucht sucht, sollte befürchten müssen, in das Chaos abgeschoben werden zu kön­nen. Niemand sollte deshalb gezwun­gen werden, Asyl zu suchen.
  8. Flüchtlinge sind mit ihren Verlusten und Ansprüchen gegenüber den Ver­treibern meist allein. Bisher weiß die Bundesregierung noch nicht einmal wie viele Flüchtlinge eigentlich in Deutschland sind.
  9. Private Hilfsangebote müssen unter­stützt und dürfen nicht länger behin­dert werden. Sie kosten dem Steuer­zahler kaum etwas und sind ein Bei­spiel für friedenspolitisches Engage­ment. Was den Gastfamilien der Ak­tionen "Den Krieg überleben" oder "Hilfe für Kinder des Krieges" in den letzten Monaten von Ausländerämtern zugemutet wurde, spottet jeder Beschreibung.
  10.  Bei den Verhandlungen über die Zukunft des ehemaligen Jugosla­wien muß auch die Rückkehr der Flüchtlinge zur Sprache kommen. Das sind 2,5 Millionen Menschen; Sie haben einen Rechtsanspruch auf Entschädigung oder Rückgabe. Die Völkerge­meinschaft ist ihnen gegenüber ver­pflichtet.

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Gerd Greune ist Vorsitzender von ifias Brussels.