Wider die Feminisierung der Gesellschaft

von Annette Kliewer

Die Menschheit wird von Männern beherrscht. Sie ist heute der Zerstörung nahe - bedroht durch ökologische Katastrophen, durch die Gefahr eines atomaren Weltkrieges.
Innerhalb der Frauenbewegung wird schon seit einigen Jahren über die Möglichkeit einer Rettung der Erde und ihrer Lebewesen durch eine Rückkehr zu einem anderen ''weiblichen" Denken diskutiert:

Dabei fällt auf, daß die angesprochene weibliche Moral meist identisch ist mit einem Konzept von mütterlicher Fürsorge. Eine neue andere Moral soll dem zerstörerischen Patriarchat entgegengehalten werden: Fürsorge statt Konkurrenzkampf, Nächstenliebe statt Unterdrückung, Erdnähe statt mechanistischem Lebensrhythmus.
Doch nicht nur die Frauen in der Frauenbeweung denken so, auch Frauen und Männer der New-Age-Bewegung haben entdeckt, daß die neuen "Führungspersönlichkeiten" an der Schwelle zum "Wassermannzeitalter" Frauen sind, daß sie "treibende Kraft unserer Evolution" (vgl. Marilyn Ferguson: "Die sanfte Macht der Verschwörung", München 1984) seien. Solche Sprüche hört aber auch die CDU gern, denn auch für sie ist die Frau als Mutter Hoffnungsträgerin für "eine nachindustrielle Gesellschaft", für "eine neue Rangordnung der Werte". So steht es schon 1981 im "Blüm-Papier" ("Die sanfte Macht der Familie"). Frederic Vester, Professor für "Interdependenz von technischem und sozialem Fortschritt" an der Bundeswehrhochschule in München drückt das so aus: "Kraft durch Weichheit, Anpassung, Flexibilität, mit dem Strom und nicht gegen ihn schwimmend, verändern, vorherrschende Kräfte nutzen, statt sie durch eigene Energien zu ersetzen, das alles sind letztlich feminine Wege, die unsere heutigen Technologien und Wirtschaftsformen zu einer weit höheren Stufe an Raffinesse und Eleganz führen könne." (ebda 1981, S. 21). Die Frage ist also: werden nicht gerade die Strategien der Frauenbewegung, aber auch Graswurzelforderungen aufgegriffen und dazu benutzt, das System noch effizienter zu machen?
Schon 1970 hat Erich Fromm - von einem völlig anderen Standpunkt aus - bemerkt, daß gerade die "matrizentrische Lebensweise nicht nur den Prinzipien des Kapitalismus in keiner Weise zuwiderläuft, sondern sogar zu einer eleganten Fortentwicklung dieses Systems beitragen kann". (Gesamtausg. Bd. 1, Stuttgart 1980, S.114)
Dies ist auch zu berücksichtigen, wenn es um eine feministische Kritik des Militärs geht: Männertugenden waren bislang Askese, Konkurrenzkampf, reine Sachbezogenheit und Verleugnen eigener Bedürfnisse. Diese Tugenden haben versagt, das müssen auch die führenden Manager, Militärs und Politiker einsehen. Jetzt sollen ihnen die Frauen beibringen, wie empathiebezogenens, kreatives, ganzheitliches und spontanes Arbeiten funktioniert, ohne aber die Ordnung an sich zu stören.

In Heiner Geißlers: "Abschied von der Männergesellschaft" fordert die Managerin Helga Städter, Frauen verstärkt in Führungspositionen zuzulassen, da sie die richtigen Werte verinnerlicht haben, die für die moderne Betriebsführung nötig sind. (Diese Art Frauen werden jetzt verstärkt durch die Quotierungsregelungen unsere Führungsetagen besetzen.)
Diese Argumentation steht im Zusammenhang mit der sogenannten "Hausfrauisierung" der Lohnarbeit: Maschinen ersetzen einen Großteil der menschlichen Arbeit. Letztere ist nur dort rentabel, wo sie wirkliche menschliche Qualitäten bat - und das heißt eigentlich, daß auf "weibliche'' Werte zurückgegriffen wird.
Wenn wir erkennen, wie einfach die "weibliche" Fürsorge aufgegriffen wer¬den kann, um das System am Laufen zu halten, sollte uns das wachsam machen. Diese Vereinnahmung der "weiblichen" Werte ist gerade deshalb umso gefährlicher, weil sie uns Frauen immer wieder auf die alten Klischees zurechtstutzen kann. Wenn wir nicht wollen, daß mann uns zu Müttern reduziert, dürfen wir unseren Stolz und unsere Motivation nicht gerade aus dem holen, was uns in die Arme der Männer zurücktreibt.

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Annette Kliewer, z. Zt. in Beifort (Frankreich}, dort aktiv im Mouvement pour wie alternative nonviolente (MAN), freie Mitarbeiterin bei der "Graswurzelrevolution"; schreibt gerade eine Arbeit über "Mütterlichkeit" als Thema in der Literatur von Frauen von 1900 bis 1933.