Wie UN und NGOs Kindersoldaten helfen können

von Stephan Brües

Weltweit verrichten vermutlich mehr als 200.000 Kinder unter 18, meist zwangsweise, Dienste in bewaffneten Einheiten, sei es in regulären Truppen oder in Rebellengruppen.

Innerhalb der UNO und vielen Mitgliedsstaaten hat das Bewusstsein für diese Problematik in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Mit dem Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten wurde ein rechtliches Instrument geschaffen und mit den sog. Pariser Richtlinien praktische Instrumente vorgeschlagen, um Rekrutierungen zu verhindern, bereits Rekrutierte zu befreien, psychologisch zu betreuen und in die Gesellschaft zu reintegrieren. Auch Anführer nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen, die Kindersoldaten rekrutierten und zu Mord und Verbrechen anstachelten, wurden bereits vor internationale bzw. nationale Gerichte gestellt.

Seit einigen Jahren gibt es zudem innerhalb der UN ein Monitoring- und Berichtssystem über die Rekrutierung von Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten, die auf der Agenda des UN-Sicherheitsrates stehen. Damit können verlässliche Daten über die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Auseinandersetzungen gesammelt werden, die zuvor weitgehend im Dunklen lagen.

All dies sind positive Erfolge, die auch die hartnäckige Lobbyarbeit der Coalition to Stop the Use of Child Soldiers, der u.a. Amnesty International und terre des hommes angehören, zu verdanken ist.

Dennoch bleibt viel zu tun. Was von internationalen Friedensgruppen aktuell getan wird, zeigt das Beispiel Sri Lanka.

Sri Lanka
Seit nun 25 Jahren herrscht in Sri Lanka ein gewaltsamer Konflikt zwischen der singhalesisch dominierten Regierung und der tamilischen Separatistenbewegung Liberation Tigers Tamil Eelam (LTTE). Insbesondere die LTTE hat immer wieder Kinder für ihre Militärtruppen rekrutiert. Im Jahre 2004 spaltete sich die sog. Karuna-Gruppe im Osten des Landes von der LTTE ab und verbündete sich immer offener mit der Regierungspartei. Auch sie rekrutiert Kindersoldaten, z.T. unter den Augen der srilankischen Armee.

Im Februar 2002 wurde ein – inzwischen aufgekündigtes - Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, das die offenen Kriegshandlungen für ein paar Jahre unterbrach und dem kriegsmüden Land eine hoffnungsvolle Verschnaufpause verschaffte. Das Abkommen enthielt auch einen Passus, der dazu beitragen sollte, dass Kinder nicht mehr in bewaffneten Kräften mitwirken sollten, der Action Plan for Children Affected by War. Dennoch wurden – nach UNICEF-Angaben - von 2001 bis zum September 2007 über 6.000 Jugendliche unter 18 rekrutiert, davon ein Drittel Mädchen, allerdings hat die jährliche Zahl in dieser Zeit kontinuierlich abgenommen. 300 Soldaten unter 18 wurden Mitte 2007 in den Reihen der LTTE vermutet. In dieser Zeit sind auch immer wieder Kinder freigelassen worden, z.T. allerdings in Einrichtungen von LTTE-nahe stehenden Organisationen und damit in mittelbarer Verfügungsgewalt militärischer Einheiten.

UNICEF und Nonviolent Peaceforce in Sri Lanka
Die internationale Friedensdienstorganisation Nonviolent Peaceforce (NP) arbeitet seit 2003 mit etwa 30 internationalen Friedensfachkräften im Norden und Osten Sri Lankas, um Menschen zu schützen und gewaltfreie Konfliktbearbeitung zu fördern. Ein Schwerpunkt der Arbeit ist der Schutz von Kindern.

Das Prinzip der Allparteilichkeit hat dazu geführt, dass NP in der Zeit des Waffenstillstandes auch zu Kadern der LTTE Zugang erhielt und dadurch Menschen, die im Konflikt mit der LTTE standen, unterstützen oder Kindersoldaten aus den Händen der LTTE befreien konnte. Nachdem der Einfluss der LTTE nach deren militärischen Niederlage in den Ostprovinzen des Landes abgenommen hat, konzentriert sich die Kinderschutzarbeit der Nonviolent Peaceforce auf andere Milizen, z.B. die Karuna-Gruppe, die weiterhin in Batticaloa und Trincomalee Kinder entführt.

„Im Mai 2008 hatten wir mit fünf Fällen von Kindesentführungen zu tun“, sagt die Friedensfachkraft Jyoti Chakma, die seit Juni 2007 in Batticaloa arbeitet. Manchmal – so Chakma - reiche ein Anruf bei einem lokalen Kommandanten, um den Aufenthaltsort der Verschwundenen zu erfahren. Vielfach ist es jedoch nicht so einfach. Da könne „empowerment“ helfen, das Menschen zum Handeln ermutigt. Chakma und seine KollegInnen haben 200 betroffene Familien zusammengebracht, die sich nun monatlich austauschen, sich stärken und überlegen, wie sie vorgehen können.

Aber die Friedensfachkräfte unterstützen nicht nur den Angehörigen, sondern auch den Zwangsrekrutieren selbst. In einem gemeinsamen Projekt mit UNICEF kümmern sie sich um sichere Unterkünfte für Jugendliche, die aus der Hand der Milizen freigelassen oder befreit wurden oder flohen. Einige von ihnen finden Zuflucht in Ausbildungszentren, wo sie Perspektiven für ihre Zukunft erhalten.

Die Gemeinden zu aktivieren, sichere Unterkünfte für Kinder zu finden, die Kontakte zu allen, auch militanten Gruppen der Gesellschaft zu nutzen, um Entführte zurück zu holen, das sind Möglichkeiten, Kindersoldaten zu helfen. Hinzu kommen „Akten anlegen“ über Fälle von Kindesentführungen und Zwangsrekrutierungen und die Information von Hilfsorganisationen, der UN und der Weltöffentlichkeit. Denn die „Erfahrungen machen deutlich, dass konstanter Druck allerdings zu Verbesserungen [der Situation der Kindersoldaten] führen kann.“[1]

Mehr Informationen über die Arbeit von Nonviolent Peaceforce können auf der (englischsprachigen) Website von NP gefunden werden: http://www.nonviolentpeaceforce.org.

 

Anmerkungen
[1] 1Aus dem „Weltbericht Kindersoldaten 2008“ des Deutschen Bündnis Kindersoldaten, S. 22

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Stephan Brües ist freier Journalist/Texter und Co-Vorsitzender des Bunds für Soziale Verteidigung.