LeserInnenbrief zum Artikel von Andreas Buro “Wie weiter in Europa?“ im FriedensForum 2/2010, S. 16ff

“Wie weiter in Europa?“

Lieber Andreas Buro,

mit viel Interesse lese ich Ihre fundierten Analysen und konkreten Vorschläge, die sich wohltuend von pauschalen Forderungen und moralischen Appellen unterscheiden. In Ihrem Artikel vermisse ich allerdings die Forderung nach Austritt aus der NATO oder nach deren Auflösung.

Schon 1952 verhinderte das Festhalten an der Zugehörigkeit zur NATO die Wiedervereinigung Deutschlands in Form eines souveränen, neutralen Staates. Waren Finnland, Schweden, die Schweiz und Österreich mit ihrer Neutralitätspolitik politisch und wirtschaftlich nicht mindestens so erfolgreich wie die BRD?

Die NATO ist ein Militärbündnis. Die empirische Kriegsursachenforschung hat nachgewiesen, dass die Mitgliedschaft in einem Militärbündnis die Wahrscheinlichkeit, in einen Krieg verwickelt zu werden, erhöht - wie der Afghanistaneinsatz zeigt. Selbst wenn man auf eine militärisch gestützte Sicherheitspolitik nicht verzichten will, muss man sich fragen, wozu braucht die EU die NATO, schließlich gibt es die Europäische Sicherheitsagentur. (Selbst Frau Merkel hat vor einigen Jahren in einem Nebensatz in einer Diskussion mit Schulklassen die Doppelstrukturen von NATO und EU-Verteidigungsagentur als überdenkenswert beschrieben.) Wäre es für die EU nicht besser, sich ein Beispiel an der Schweiz zu nehmen, die seit 1515 als loser Staatenbund zwischen den europäischen Großmächten hin und herlaviert, ohne sich in ihre Kriege einzumischen? Voraussetzung dafür ist eine Außenpolitik, die auf jegliche Expansion verzichtet und sich um gutnachbarschaftliche Beziehungen mit allen anderen Staaten bemüht.

Warum nicht die Kampagne gegen den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland mit der Diskussion über die Auflösung der NATO verbinden? Warum sich nicht an De Gaulle erinnern, der in den 1960er Jahren alle US-amerikanischen und NATO Stützpunkte in Frankreich aufkündigte? Warum nicht in der Diskussion um den Truppenabzug aus Afghanistan darauf hinweisen, dass wir ohne NATO nie in diese kriegerischen Auseinandersetzungen geraten wären? Warum nicht die Forderung nach Abzug verbinden mit der Forderung nach Auflösung der NATO? Wären aufgrund der diversen Resolutionen des Sicherheitsrates seit 1999 zur Terrorbekämpfung nur UNO-Truppen unter einem UNO-Kommando entsendet worden, wäre es wahrscheinlich nicht zu einem erneuten Krieg in Afghanistan gekommen - allerdings auch nicht zu einer Erhöhung des US-amerikanischen Einflusses.

Mit besten Grüßen

Marianne Müller-Brettel

Dr. Marianne Müller-Brettel hat als Psychologin über dreißig Jahre am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung unter anderem über Friedenspsychologie gearbeitet.

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