Gewaltfreie Intervention

Wie wird sie in der Zukunft aussehen?

von Yeshua Moser-Puangsuwan

Andere AutorInnen haben in dieser Ausgabe des Friedensforums Hintergrund zu den Zielen und Erfolgen gewaltfreier Interventionen in den letzten Jahren beschrieben, besonders zu dem Model der Friedensteams. Diese Aktionen waren nicht unbedeutend im Peacebuilding, Peacekeeping oder Peacemaking.

Gewaltfreie Interventionen haben in jüngerer Zeit

  • schützende Begleitung oder Präsenz für bedrohte Individuen und Gruppen ebenso wie für bedrohte Gemeinden bereitgestellt, damit ihre Sorge um deren Wohlergehen ausgedrückt und das Ziel verfolgt, Gewalt abzuhalten;
  • die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen ermöglicht und begleitet;
  • Fact-finding Missionen (Besuche zum Zweck der Untersuchung der Situation) unternommen;
  • eine breite Palette von Monitoring von Prozessen (Demonstrationen, Wahlen, Waffenstillständen) durchgeführt, um nur ein paar zu benennen.

Im Großen und Ganzen wurden praktisch alle internationalen gewaltfreien Interventionen in einer Nord-Süd-Richtung entwickelt oder mobilisiert. Das ändert sich gerade in dem Feld der humanitären Hilfe, wo mehr Organisationen außerhalb Europas und Nordamerikas entstehen. Es gibt und wird ein Anwachsen von Beteiligung an internationalen gewaltfreien Interventionen aus dem globalen Süden geben.

Was sich noch radikaler ändern wird, ist das „main-streaming“ von Methoden gewaltfreier Intervention. Jugendliche Mitglieder von Friedensteams in den 1980er Jahren sind angesehene Berufstätige geworden, und sind in die Lage gekommen, mehr von dem, was sie gelernt haben, in das Feld neuer Regierungs- und internationaler Bemühungen einzubringen.

Eine solche Aktivität, die teilweise inspiriert vom deutschen Zivilen Friedensdienst entwickelt wurde, ist der Kanadische Friedensdienst. Er ist derzeit noch nicht tätig, aber wird der Arm von internationaler gewaltfreier Intervention einer viel größeren integrierten Vision sein, die ein kanadisches Department of Peace und einen Friedenssteuerfonds umfassen wird. Diese größere Vision integriert das Interesse von SteuerzahlerInnen, eine Möglichkeit zu schaffen, eine Friedensssteuer anstelle einer militärischen Steuer zu bezahlen, und soll einen nationalen Haushalt für eine Regierungsbehörde oder Abteilung für Frieden schaffen. Diese würde zusammen mit dem Friedensdienst auch eine inländische Komponente beinhalten, die sich auf Frieden in kanadischen Gemeinden fokussieren wird. Gleichzeitig soll damit eine Lösung für frühere Bemühungen, besonders die Finanzierung und die Schaffung von Kapazitäten für ein Training von Freiwilligen, gefunden werden. Der kanadische Friedensdienst hat eine Anschubfinanzierung zur Verfügung, einige Empfehlungen von höchster Ebene, Beteiligung aus akademischen Kreisen, eine Gesetzesvorlage für das Parlament und stellt eine Liste von kanadischen ExpertInnen in bestimmten Bereichen des Peacebuilding für Einsatz in internationalen Projekten zusammen. Dies ist eine viel reichere Vision früherer Friedensteam-Bemühungen, die in der Regel von einer kleinen, wenn auch energiegeladenen Gruppe von AktivistInnen betrieben wurden. Trotzdem beruht er deutlich auf diesen früheren Bemühungen, an denen auch einige seiner Initiatoren Teil hatten.

Während die Vorteile dieses sich entwickelnden Projektes klar sind, so sind es auch die Hindernisse, die jede gewaltfreie Intervention begleiten werden, wenn sie enger an eine Regierung angebunden wird: Wie werden die nationalen Verteidigungs-, außenpolitischen und Handelsinteressen den kanadischen Friedensdienst beeinflussen? Das bleibt abzuwarten.

Die analytische und reflektive Arbeit einiger ehemaliger Friedensteam-Mitglieder, besonders die wissenschaftliche Arbeit von Liam Mahony und Luis Enrique Eguren beeinflusste wesentlich das “Schutz in der Praxis”-Projekt des Overseas Development Institute. ODI setzte sich zum Ziel, die humanitären und politischen Aspekte von Schutz zu erforschen, inklusive der Fähigkeit traditioneller humanitärer Organisationen, Schutz durch ihre vor-Ort-Präsenz in Gemeinden zu gewährleisten, die sich politischen Bedrohungen ausgesetzt sehen. Während diese Fähigkeit, durch ihre Nähe und Präsenz Schutz auszuüben, etwas ist, das vielen HelferInnen im Feld klar ist, war Schutz bislang nicht deutlich in ihre Mandate und Richtlinien integriert. Dazu wird jetzt mehr ermutigt, besonders durch die „Berufsstandards für Schutz-Praktiken“ für humanitäre HelferInnen, die vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes entwickelt wurden. Diese Entwicklungen sind Ergebnis von dem, wie die Werte und Praxis von manchen Friedensteams in der Vergangenheit Eingang in das breite Denken gefunden haben, und diese wiederum wurden teilweise Dank vorhergehender Aktivitäten von kleinen Gruppen von AktivistInnen entwickelt.

Neue UN-Intiativen öffnen ebenfalls Raum für multinationale gewaltfreie Intervention, der früher so nicht existierte. Vielleicht eine der weitestgehenden ist die Resolution 1325 über Frauen im Peacemaking. Diese Resolution, die alle UN-Mitgliedsstaaten bindet, erkennt den bislang unterschätzten und nicht ausreichend genutzten Beitrag an, den Frauen zur Konfliktverhinderung, Peacekeeping, Konfliktlösung und Peacebuilding leisten und leisten können. Sie betont die Wichtigkeit der gleichen und vollen Teilhabe von Frauen als aktiv Handelnde in Fragen von Frieden und Sicherheit. Diese Resolution fördert eine globale Initiative von Frauen in gewaltfreier Intervention, und wird, zumindest auf lokaler Ebene, von Frauen in einigen Ländern entsprechend genutzt.

All das oben Dargestellte legt nahe, dass in den kommenden Jahren die Bewegung für gewaltfreie Intervention zur Reife gelangen und eine größere und mächtigere Reichweite erlangen wird, die zuvor in den kleinen, ad hoc, aber mutigen Initiativen angelegt war.

Übersetzung: Redaktion.

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Yeshua Moser-Puangsuwan ist zusammen mit Tom Weber Herausgeber des Buches “Nonviolent Intervention Across Borders“ (2000). Er war Freiwilliger mit Peace Brigades International (1984, 1986 &1989-90) und ist Berater des International Peace Bureau in Genf.