AWACS Maschinen im Rheinland

Windiges von der Hardthöhe - Wendiges vom Bundesverfassungsgericht

von Konrad Lübbert
Hintergrund
Hintergrund

Am Gründonnerstag wurde vom Bundesverfassungsgericht über die Möglichkeit eines erweiterten Einsatzes der Bundeswehr und den ange­drohten Bruch der Bonner Koalition entschieden. Die Koalitions­regierung hatte die zur Entscheidung stehende Sache weder im Parla­ment zur Diskussion stellen wollen noch sich fähig gezeigt, ein Einver­nehmen in den eigenen Reihen herzustellen.

Was war geschehen? Gegen den vorge­sehenen Kampfeinsatz deutscher Sol­daten in AWACS-Aufklärungsflugzeu­gen hatte die FDP verfassungsrechtliche Bedenken erhoben und, ebenso wie die SPD, Einspruch beim Bundesverfas­sungsgericht erhoben sowie einen Stopp durch einstweilige Verfügung gefordert. Die Klage der FDP wurde nicht, weil damit das Gericht in einem koalitions­internen Streit als Gutachter missbraucht wurde, als unzulässig zurückgewiesen, sondern die Anträge der Bundestags­fraktionen von FDP und SPD wurden beide abschlägig beschieden. Begrün­dung: Für die BRD könne ein nicht wiedergutzu­machender Vertrauens­verlust eintreten, wenn die deutsche Be­satzung aufgrund des vom UN-Sicher­heitsrat beschlosse­nen Kampfeinsatzes gegen Flugzeuge über Bosnien-Herze­gowina aus den AWACS-Maschinen abgezogen würde, sich aber später die verfassungs­rechtli­che Zulässigkeit des Einsatzes heraus­stelle. Sic! Nicht mit dem Schaden eines Verfassungsbruches, der durch die spä­ter mögliche Feststel­lung einer verfas­sungsrechtlichen Un­zulässigkeit entste­hen würde, sondern mit dem vermeintli­chen Schaden bünd­nispolitischer Art für die Bonner Regie­rung, wie ihn die CDU-Politiker be­haupteten, hatte die Mehrheit des Richtergremiums ihre Ent­scheidung begrün­det.

Dieses Urteil ist eine Verletzung des Auftrages, dass dem Bundesverfassungs­gericht dem Gesetz nach zugewiesen ist. Das Karlsruher Gericht ist nicht für po­litische Ermessensfragen zuständig. Es hat über die Einhaltung der Verfassung zu wachen und dementsprechend seine Entscheidung zu treffen.

Der Artikel 24 des Grundgesetzes gab es Bundesrepublik die Möglichkeit, der NATO beizutreten; der Artikel 87 a sollte den Einsatz deutscher Streitkräfte möglichst restriktiv eingrenzen. Für die einen ist die Teilnahme deutscher Sol­daten am Kampfeinsatz über Bosnien-Herzegowina nach Art. 87 a mit dem Grundgesetz unvereinbar, für die ande­ren - die CDU/CSU in der Regierung und nun nach dem Urteil auch offenbar die FDP - dagegen nach Art. 24 mög­lich. Diese anderen, die amtierende Bundesregierung, sieht ebenso wie in der NATO auch in der UNO ein "System gegenseitiger kollektiver Si­cherheit", dem sie die Hoheitsrechte für Militäreinsätze übertragen kann, und unterstellt dabei gleichzeitig, daß der Kampfeinsatz über Bosnien-Herzego­wina durch den Beschluß des UN-Si­cherheitsrates als eine Maßnahme der UNO anzusehen sei.  Im Zusammen­hang mit dem Golfkrieg hatte die glei­che Bundesregie­rung die Teilnahme deutscher Soldaten am Kriegseinsatz damit der Begründung abgelehnt, dies sei mit dem Grundgesetz nicht verein­bar. Woher also nun der Sinneswandel unserer Regierung?

Die Resolution 816 des UN-Sicherheits­rates vom 31.März, die den Beginn des NATO-Kampfeinsatzes im ehemals ju­goslawischen Luftraum ermöglichte, ist ohne jede militärische Bedeutung. Dies versichern selbst die für derlei Vorhaben kompetenten Militärs. Die Entscheidung der Bundesregierung kann daher nur als eine Entscheidung verstanden werden, die die Weichen für die zukünftige Po­litik unseres Landes stellt und dabei an die allgemeine Stimmung "Man muß doch endlich etwas tun" anknüpft.

Mit der Ost-West-Entspannung ist der bis dahin geltende Auftrag der Bundes­wehr wie der der NATO hinfällig ge­worden. Doch als der Warschauer Ver­trag, gegen den das Bündnis die westli­che Staatengemeinschaft verteidi­gen sollte, aufgelöst wurde, blieb die NATO weiter bestehen. Und gegenwär­tig ist sie dabei, sich neue Aufträge zur Begrün­dung ihres Militärpotentials zu suchen. Sie führt mit ihrem AWACS-Einsatz eine Militäraktion durch, die gegen die Artikel 5 und 6 des eigenen Bündnisvertrages verstößt, die nur die Abwehr eines Angriffes erlauben, der auf das ei­gene oder das Territorium ei­nes Ver­bündeten gerichtet ist. Ihr deut­scher Ge­neralsekretär interpretiert dies schlicht als ein "Hinauswachsen" über die tradi­tionellen Aufgaben und erklärt, daß der Unterschied zwischen "in" und "out of area" dabei "seine Bedeutung verliert". Die notwendige Ratifikation einer solch grundlegenden Veränderung des Bünd­nisvertrags durch den Bun­destag steht allerdings bisher aus.

Was beim AWACS-Beschluß wie bei der Entsendung von 1.600 Soldaten nach Somalia schleichend und Schritt für Schritt in rechtlich ungeklärtem Raum vollzogen wird, ist die Umstel­lung der Bundeswehr von einer Vertei­digungs- zur Interventionsarmee.

Ein grundlegender Wandel der deut­schen Politik steht ins Haus, der der Wiederbewaffnung unseres Landes nach dem zweiten Weltkrieg gleichkommt. Nachdem jahrzehntelang der Grundsatz galt, daß für uns Krieg kein Mittel der Politik mehr sein darf, wird nun einer interventionistischen Politik mit militäri­schen Mitteln das Wort geredet. In einer grundsätzlichen Rede hat Rühe Ende März die "entscheidende Weichenstel­lung" beschrieben. Er will den "politisch-strategischen Kurs ab­stecken für den Weg ins 21. Jahrhundert".

Wenn schon von einer neuen Verant­wortung des wiedervereinten Deutsch­lands die Rede ist, so kann diese nur darin bestehen, nicht-militä­rische und zivile Formen der Konflikt­regelung zu entwickeln. Gerade das ehemalige Jugo­slawien gibt derzeit ein anschauliches Beispiel dafür, wohin es führt, wenn das Militär seinen Auftrag selbst bestimmt. Ein Wort der Kirchen, die bislang den Krieg als Mittel der Politik verworfen hatten, steht noch aus.

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Konrad Lübbert ist Pfarrer und Vorsitzender des Versöhnungsbundes.