Wir geloben ... Zum Strafprozess gegen AntimilitaristInnen in Köln

von Elke Steven
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Seit Jahren drängt das Militär in den öffentlichen Raum und beansprucht, dort zumindest ungestört, möglichst vor einer dem Militärischen zustimmenden Bevölkerung ihre Rituale zu feiern. In Köln wurde der Weltfriedenstag im September 2005 zum Bundeswehrtag. Für die militärische Zeremonie wurde der Platz neben dem Kölner Dom - Roncalli Platz - einen ganzen Tag lang privatisiert. Immerhin konnten die Proteste jenseits des von Feldjägern bewachten Platzes ihren Lauf nehmen.

Zwei Ereignisse beschäftigten nun das Amtsgericht (AG) Köln. Während des mittäglichen Gelöbnisses und dem anschließenden Abspielen der Nationalhymne war ein Transparent vom Dom heruntergelassen worden: "wir geloben zu morden, zu rauben, zu vergewaltigen". Gleichzeitig erschollen Fanfaren. Abends, während des Zapfenstreichs, wurde aus dem Zimmer eines anliegenden Hotels ein Transparent mit Tucholskys Feststellung herabgelassen: "Soldaten sind Mörder. KT".

Dem Weltfriedenstag entsprechende Meinungsäußerungen, könnte man meinen. Die Staatsanwaltschaft Köln war jedoch grundsätzlich anderer Meinung. Sie stellte Strafantrag wegen - kurz gesagt - Volksverhetzung, Störung des öffentlichen Friedens, Beleidigung.

Bei den Dombesteigern kam der Straftatbestand des Hausfriedensbruches hinzu. Die Dombaumeisterin hatte im Namen des Metropolitankapitels Strafantrag gestellt.

Die zahlreich erschienene Öffentlichkeit hatte bei einem ersten Termin im Oktober zur Prozessvertagung geführt, da die Richterin die Öffentlichkeit zulassen wollte, die Polizei jeoch auf der Saalordnung bestand, nach der nicht alle Interessierten Platz finden konnten. So wurde der größte Saal des Amts- und Landgerichts für einen neuer Termin am 23.11.06 gewählt.

Wieder kamen ca. 100 Interessierte zu den Prozessen. Eine bis zu den Zähnen aufgerüstete Polizei, vom Gebäude- bis zum Saaleingang, eine künstlich erzeugte Zugangsschleuse und eine Trennscheibe im Gerichtssaal ließen keinen normalen Prozess erwarten. Dies bestätigte sich in anderer Form, als der Rechtsanwalt im Verlauf des Verfahrens aufdeckte, dass auf der Bank der Staatsanwaltschaft eine Prozessbeobachterin der Bundeswehr Platz erhalten hatte. Nach der Entdeckung nahm sie bei der Presse Platz.

Immerhin setzte die Richterin der Eigendynamik des Justizapparats ihre eigene Herangehensweise entgegen. Der Prozess begann ohne förmliches Aufstehen - die Richterin war schon vorher im Saal - sie begrüßte freundlich und betonte ihre Kommunikationsbereitschaft.

Zum Prozessverlauf
In der zeitlichen Reihenfolge der Taten wurden diese auch vor Gericht verhandelt. Zunächst ging es also um das Transparent am Dom. Die Dombaumeisterin vertrat den Strafantrag, obwohl sie nicht belegen konnte, wie die beiden Friedenaktivisten dorthin gelangt sind. Gelernt hat der Zuschauer immerhin, dass der Dom insgesamt 328 Türen hat. Die Frage, ob eigentlich nur die hl. Drei Könige selbst berechtigt wären, Strafantrag zu stellen, wurde nicht weiter erörtert.

Die Angeklagten und ihr Rechtsanwalt begründeten die Aktion aufschlussreich. Da häufig der größte Anstoß an der Formulierung "zu vergewaltigen" genommen wurde, begründete Hermann Lenert diese Formulierung. Die Ausnahmesituation des Krieges entfessele in besonderer Weise Gewalt- und Unterwerfungsrituale. Vergewaltigung gehört seit Jahrhunderten zu Kriegen dazu. Prostitution und die dazugehörenden Entführungen und der Verkauf von Frauen finden auch im Umfeld des "nation building" statt. Wenn bisher häufiger über das Verhalten anderer Armeen in diesem Kontext berichtet wurde, so sei eine Entwicklung in diese Richtung angesichts der militärischen Entwicklungen in Deutschland abzusehen.

Guido Arnold bettete die anschaulichen Schilderungen in eine Analyse der Militarisierung der Politik ein. Deutschland hat sich zunehmend an kriegerischen Militäreinsätzen, auch an völkerrechtswidrigen, beteiligt. Neue NATO und EU-Verfassung verstärken diese Entwicklung zur Militarisierung. Auf diesem Weg zur Normalität werden Soldaten zunehmend auf Krieg, Kampf, Tod vorbereitet. Mord, Raub und Vergewaltigung gehören dazu. Das kann man nicht nur aus der Geschichte und aus dem Verhalten anderer Armeen lernen, sondern findet dies auch in Aufsätzen hochrangiger Bundeswehr-Angehöriger ausgeführt. Deshalb hätten sie inzwischen Anzeige gegen Prof. Dr. J. Schnell, Generalleutnant a. D., gestellt, der leitende Funktionen in der Bundeswehr inne hatte und heute an der Universität der Bundeswehr in München lehrt. Im Jahr 2000 publizierte er einen Vortrag zur zukünftigen Rolle von Militärorganisationen, in denen er die positiven Funktionen des Krieges herausstellt. Er schreibt u.a.: "Gewalt, Kampf und Sieg auf die Dauer nur im Fernsehen zu erleben, ist für viele dann nur ein schwaches und wenig zuverlässiges Substitut." Krieg erfüllt die "natürliche" Sehnsucht nach Ich-Entlastung durch "die Gemeinsamkeit im Kampf." Diese Schrift macht deutlich, in welche Richtung sich die Bundeswehr, weg vom Leitbild des Bürgers in Uniform, entwickelt.

Immerhin stimmte danach die Staatsanwaltschaft der von der Richterin vorgeschlagenen Einstellung der Vorwürfe der Störung des öffentlichen Friedens und der Verunglimpfung der Hymne zu. Auch wenn die Tat in "gefährlicher Nähe zu Volksverhetzung" stünde.

So ging es im weiteren um die Frage, ob die Rekruten durch das Transparent beleidigt worden sind. Selbst hat keiner von ihnen einen Strafantrag gestellt. Die Friedensaktivisten hatten schon argumentiert, dass die Formulierung "wir geloben" der Interpretation bedarf. Sie selbst wollten dies nicht geloben. Sie behaupteten aber auch nicht, dass die Soldaten dies gelobt hätten. Deren Gelöbnisformel, die auch nicht ihre eigene, sondern eine ihnen auf oktroyierte ist, konnte man deutlich hören. Ihnen sollte nicht unterstellt werden, sie wollten anderes geloben. Die provozierende Kritik richtete sich an die Öffentlichkeit und vor allem an die Bundeswehr und deren Politik, die Rekruten sehenden Auges immer häufiger und bewusst in Situationen bringen, in denen sie den Vorwürfen gemäß handeln könnten. Dieser Führung galt der Protest, den Rekruten die Warnung.

Dass die Staatanwaltschaft all dies nicht verstehen konnte oder wollte und sich - die Argumente ignorierend - nur über die Beleidigung der armen Rekruten ereiferte, darf wohl nicht verwundern. Der Staatsanwalt forderte für diese schwerwiegende Tat gar 90 bis 110 Tagessätze.

Die Richterin folgte ihm in der Sache und verurteilte zu immer noch 60 Tagessätzen.

Bleibt mal wieder auf einsichtigere RichterInnen in den höheren Instanzen zu hoffen.

Der Prozess wegen des Plakats am Hotel wurde anschließend auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Ein Freispruch wäre angemessen gewesen angesichts der Unangemessenheit der Anklageschrift.

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Elke Steven ist Soziologin und Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln.