Die Irakische Woche der Gewaltfreiheit

“Wir haben genug von Gewalt und Terror!”

von Judith Conrads

Theater gegen Gewalt in Bagdad, Streiten ohne Waffen in Najaf, Fußballspielen für den Frieden in Erbil. Die AktivistInnen des irakischen Netzwerkes LaOnf machten während ihrer vierten Woche der Gewaltfreiheit mit Aktionen im ganzen Land auf das Problem der alltäglich gewordenen Gewalt aufmerksam und riefen die Bevölkerung und Politik dazu auf, an dem Aufbau eines friedlichen Irak mitzuwirken.

Unter dem diesjährigen Motto „Es ist an der Zeit für eine nationale Regierung! Schluss mit dem Warten!“ gingen LaOnf-Mitglieder zwischen dem 1. und dem 8. Oktober in allen Teilen des Iraks auf die Straße, um in der Öffentlichkeit stabile politische Verhältnisse und ein Ende der Gewalt im ganzen Land zu fordern.

LaOnf, das bedeutet „Keine Gewalt“, und ist der Name eines 2006 gegründeten Netzwerkes, in dem sich über hundert zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen aus dem ganzen Irak zusammengeschlossen haben, die die Überzeugung teilen, dass der Verzicht auf Gewalt die Grundlage ihres Handelns sein muss. „Gewaltfreiheit muss die Basis jeglichen Engagements für politischen, ökonomischen und sozialen Wandel sein, und ein Grundstein der Gesellschaft werden“, fasst der LaOnf-Vorsitzende Ibrahim Ismaeel das Hauptziel des Netzwerkes zusammen. Die Ideen von Frieden und Gewaltfreiheit versuchen sie in Gesellschaft und Politik zu verbreiten, indem sie auf die negativen Folgen einer von Gewalt durchzogenen Gesellschaft aufmerksam machen, für Alternativen sensibilisieren und in gewaltfreiem Handeln schulen.

In der jährlich stattfindenden Woche der Gewaltfreiheit finden zu diesem Zweck im ganzen Land verstärkt öffentlichkeitswirksame Aktionen statt, die möglichst breite Teile der Bevölkerung erreichen sollen. Nicht zufällig ist der Termin stets um den 2. Oktober herum gewählt, den Geburtstag des großen Vorbildes Mahatma Gandhi, und seit einigen Jahren Internationaler Tag der Gewaltfreiheit.

Kulturfestivals, Demonstrationen, Fachtagungen, Sportveranstaltungen – die irakischen LaOnf-AktivistInnen boten während der Woche der Gewaltfreiheit eine bunte Palette von Events und Aktivitäten, die zum Mitmachen und Nachdenken über Sinn bzw. Unsinn von Gewalt anregten und Alternativen aufzeigten. Als besonderen Erfolg werteten die Veranstaltenden die Tatsache, dass in diesem Jahr erstmals auch RegierungsvertreterInnen an einzelnen Veranstaltungen teilnahmen und damit offen ihre Zustimmung zur Arbeit von LaOnf ausdrückten.

Den im August erfolgten Abzug eines großen Teils (wenn auch nicht der Gesamtheit) der US-Truppen aus dem Zweistromland sehen die LaOnf-Mitglieder als Voraussetzung dafür an, einen stabilen, selbstständigen und friedlichen Irak aufzubauen. Dennoch ist es allein damit nicht getan: „Der Wandel muss von der Regierung und vom Volk kommen!“ so LaOnf-Mitarbeiterin Skala Hassan. Das Netzwerk setzt genau hier an. „Die irakische Bevölkerung leidet unter einer furchtbaren Situation voller Gewalt und Terror. Wir wollen einen friedlichen und prosperierenden Irak schaffen, wir wollen Schritte in Richtung Gewaltfreiheit und Frieden gehen und möglichst viele dazu anregen, diesen Weg mitzugehen“, so Salar Ahmed, Koordinator des Netzwerkes.

Die Öffentlichkeitsarbeit ist hierfür von besonderer Bedeutung, weiß Ahmed: „Das fehlende Bewusstsein für die verschiedenen Facetten der Gewalt und ihre negativen Folgen ist eines der größten Hindernisse für eine friedliche Entwicklung.“ Die andere große Hürde sieht er in der Zersplitterung der politischen Parteien. Die Parlamentswahlen im März haben auch über ein halbes Jahr später noch immer zu keiner neuen Regierungsbildung geführt. „Die politische Instabilität hat die Gewaltakte im Land wieder verstärkt, die Menschen sind frustriert und wenden sich wieder verstärkt dem Terrorismus zu“, meint auch der LaOnf-Vorsitzende Ibrahim Ismael. Daher fordert das diesjährige Motto der Woche auch explizit die lange fällige Regierungsbildung.

Auch die Arbeit von LaOnf selbst bleibt von der Gewalt im Land nicht unberührt. Die prekäre Sicherheitssituation ist immer wieder der Grund dafür, dass geplanten Veranstaltungen keine offizielle Genehmigung erteilt wird. So drohte die Großveranstaltung in Bagdad zum Auftakt der Woche der Gewaltfreiheit aufgrund von Sicherheitsbedenken der Behörden zu scheitern, konnte jedoch, einen Tag früher als geplant, doch noch stattfinden.

Dass es ein beschwerlicher und teilweise auch gefährlicher Weg hin zu einem friedlichen Irak ist, hält die LaOnf-Mitglieder nicht davon ab, diesen Schritt für Schritt zu gehen. Als unterstützend empfinden sie dabei insbesondere auch die internationale Solidarität, die sie von Friedensorganisationen aus aller Welt erfahren.

Auch für das nächste Jahr gibt es bereits Pläne: „Wir beginnen gerade mit den Vorbereitungen für den Internationalen Bagdad-Marathon gegen Gewalt“, so Salar Ahmed, „es soll der größte Lauf in der Geschichte des Irak werden“.

Mehr Informationen zu LaOnf und eine Übersicht der im Rahmen der Woche der Gewaltfreiheit durchgeführten Veranstaltungen im Irak gibt es unter www.soziale-verteidigung.de.

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Friedensbewegung international
Judith Conrads ist Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung e. V. und nahm 2009 am von LaOnf organisierten Ersten Irakischen Forum der Gewaltfreiheit in Erbil teil.