Wohin geht Herzeg-Bosna? Reflektionen nach den Wahlen

von Paul Stubbs
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Ich glaube, es war Bogdan Denitch, der zu mir einmal gesagt hat, daß die Angehörigen des US-Außenministeriums weniger Zeit damit zubrin­gen sollten, zu glauben, was die kroatischen und bosnisch- kroatischen Politiker ihnen in Washington, Dayton oder wo auch immer sagen (bzw. unterschreiben), und mehr Zeit dafür aufwenden sollten, zuzuhören, was dieselben Politiker sagen, wenn sie zu Hause sind.

Sofern für die Wahrheit dieser Aussage ein Beweis benötigt wird: Das kroati­sche Fernsehen hat in der Zeit direkt vor den Wahlen sich sehr angestrengt, ihn anzutreten. Jeden Abend haben wir das Vergnügen eines speziellen Programmes "Wahlen in Bosnien-Herzegowina" ge­habt, das einem recht vertrauten Muster folgte. Es berichtete über die jüngste Veranstaltung der HDZ in "Herzeg-Bonsa einschließlich Flaggen, Hymnen, Polizei etc - alles Dinge, die dem Ab­kommen zufolge nach dem 31. August nicht mehr existieren sollten). Es wur­den HDZ Kandidaten, Mitläufer und Funktionäre interviewt (oftmals alle von derselben Familie). Daß es auch andere Parteien in dieser Wahl gab, wurde ver­gessen zu erwähnen. Dazu kamen Be­richte über die erstaunliche Leistungs­kraft der bosnisch-kroatischen Armee (HVO), Interviews mit "normalen Leu­ten", die alle verkündeten, daß sie die HDZ wählen würden, und das ganze en­dete dann immer mit der sog. herzeg-bosnischen Fahne und dem Absingen von "Kroatien ist meine Heimat".

Sofern es noch irgendwelche Zweifel gibt, sagt der Vizepräsident der HDZ in BiH und Kandidat für das Präsidium der Föderation, Kresimir Zubak: "Wir ha­ben das Recht verdient, dieses Land zu regieren". Spielt dies irgendeine Rolle? In einem wichtigen Dokument hat Susan Woodward gewarnt, daß die Entwick­lung, die Herzeg-Bosna nimmt, eine der problematischen Elemente der nach-Daytoner Szenerie ist. Seit dem Washingtoner Abkommen, das die Fö­deration begründete, hat es praktisch keine Umkehrung der ethnischen Tren­nung und Homogenisierung zwischen bosnjakischem und kroatischem Territo­rium gegeben. Und jeder weiß, was in Mostar geschah, wo die EU über 2.500 USD pro Person ausgegeben hat - mehr als die EU-Hilfe für ganz Polen! Woodward argumentiert daß, wenn die Föderation scheitert, Dayton letztlich ebenfalls gescheitert ist - und daß es recht wenig wirklichen Anreiz bislang gibt für die bosnisch-kroatischen Führer, eine starke Föderation zu schaffen, da dies die Aufhebung der Vereinigung mit Kroatien bedeuten würde. Ihre Folge­rungen sind lehrsam: "Die Föderation ist eine nützliche Fiktion. Wenn sie zu­sammenbricht, wird es einen neuen Krieg um Land geben (vor allem in Zentralbosnien). Mehr als 500.000 Menschen werden umsiedeln müssen. Die politische Entwicklung könne durch die Parteien selbst gemanaged werden, sofern die internationale militärische Präsenz sie daran hindert, Krieg zu wählen. Doch weil das Daytoner Ab­kommen annahm, daß die Frage der Fö­deration gelöst sei, gibt es keine Anlei­tung bezüglich der vielen Fragen, die durch die Umstände nach Dayton auf­gekommen sind." (Susan Woodward (1996) Implementing Peace in Bosnia and Herzegovina: a post-Dayton primer and memorandum of warning. Brok­kings Inst, Washington)

Lasst uns hoffen, daß Anti-Kriegsgrup­pen in Kroatien und Bosnien- Herzego­wina und ihre UnterstützerInnen im Ausland damit fortfahren werden, Auf­merksamkeit auf die erschreckende Möglichkeit zu lenken, die selbst im kroatischen Fernsehen in den letzten Tagen nur zu offensichtlich wurde.

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Krisen und Kriege
Paul Stubbs lehrt an der Universität in Zagreb/Kroatien. Übersetzung: Redak-tion