Wollen wir, dass Soldatinnen und Soldaten unseren Wohlstand sichern?

von Clemens Ronnefeldt

Beim Ökumenischer Kirchentag München hielt der Versöhnungsbund-Friedensfererent Clemens Ronnefeldt ein  Referat, das sich mit der Frage der Rohstoff- und Wohlstandssicherung durch die Bundeswehr beschäftigt. Das "Friedensforum" dokumentiert Auszüge seines Beitrages der gemeinsamen Veranstaltung von Pax Christi und Versöhnungsbund, an der auch Andreas Zumach und Karl Kopp (Pro Aysl) mitwirkten. Moderatorin war die Pax Christi Generalsekretärin Christine Hoffmann.

Bundeswehr im Ausland
Bis Ende 2009 waren mehr als 260.000 Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Bis Mai 2010 wurden im Ausland 89 von ihnen getötet, davon 43 in Afghanistan.

Derzeit sind rund 6.900 Soldatinnen und Soldaten in folgenden Einsätzen: Kosovo, Bosnien-Herzegowina, 2 Missionen in Afghanistan, Uzbekistan, Libanon, am Horn von Afrika, vor der Küste Somalias, 2 kleine Missionen im Sudan und eine in der Demokratischen Republik Kongo.

Die Mehrzahl dieser deutschen Soldaten sind um ein Gebiet herum stationiert, in dem Zweidrittel der weltweiten Erdölreserven lagern.

Dokumente zur Ressourcensicherung durch Militäreinsatz
Im Jahre 1982 unterzeichnete der damalige Heeresinspekteur der Bundeswehr, Meinhard Glanz, zusammen mit seinem US-amerikanischen Kollegen, General Edward C. Meyer, ein Zukunftsdokument mit dem Titel „AirLand Battle 2000“. Darin heißt es: „Die aufstrebenden Länder der Dritten Welt (schaffen) ein größeres Ungleichgewicht der Kräfte. Diese Nationen könnten sich mit feindlichen Staaten zusammenschließen und auf Terror, Erpressung oder begrenzte Kriege zurückgreifen, um einen gleichberechtigten Anteil an den Ressourcen zu erhalten“ (1).

Im Jahre 1992 wurde in den verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr als vitales Sicherheitsinteresse Deutschlands genannt:  „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“ (2).

In der „Europäischen Sicherheitsstrategie“, 2003 unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands verabschiedet,  steht: "Die Energieabhängigkeit gibt Europa in besonderem Maße Anlass zur Besorgnis. Europa ist der größte Erdöl und Erdgasimporteur der Welt. ... Für ein handlungsfähigeres Europa müssen die Mittel für die Verteidigung aufgestockt und effektiver genutzt werden ... Wir müssen eine Strategie-Kultur entwickeln, die ein frühzeitiges, rasches, und wenn nötig, robustes Eingreifen fördert ... Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen" (3).

Im Strategiepapier des EU-Instituts für Sicherheitsstudien aus dem Jahre 2004 ist zu lesen: "Durch künftige regionale Kriege könnten europäische Sicherheit und Wohlstand direkt bedroht werden. Beispielsweise durch die Unterbrechung der Ölversorgung und/oder durch eine massive Erhöhung der Energiekosten" (4).

Ende November 2006 beschloss die CDU auf ihrem Parteitag: „Gerade im Zeitalter der Globalisierung ist die deutsche Wirtschaft mehr als zuvor auf den freien Zugang zu den Märkten und Rohstoffen der Welt angewiesen. Die Bundeswehr kann als Teil der staatlichen Sicherheitsvorsorge im Rahmen internationaler Einsätze zur Sicherung der Handelswege und Rohstoffzugänge beitragen" (5).

Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, die unter anderem vom Auswärtigen Amt finanziert wird, veröffentlichte im Februar 2008  folgenden Standpunkt:

„Wichtige Teile der politischen Eliten sind sich seit langem über die strategische Verantwortung eines großen Landes wie Deutschland im Klaren, haben es aber versäumt, die Öffentlichkeit auf den Preis vorzubereiten, den ein Land für seine eigene Freiheit und Sicherheit entrichten muss. Schlimmer noch, viele Politiker haben den Eindruck erzeugt, Deutschland könne `die Globalisierung mitgestalten´, ohne dass das ernsthafte Folgen für das außenpolitische Engagement des Landes haben würde. In der deutschen außenpolitischen Debatte wurde über Jahre der Eindruck erweckt, dass unsere Interessen vor allem humanitär-entwicklungspolitischer, aber kaum geostrategischer Natur sind. Und dass zur Wahrung dieser Interessen – Freihaltung der globalen Handelswege, Zugang zu Ressourcen, Stabilisierung des Ölpreises, Bekämpfung terroristischer Netzwerke, Stabilisierung von `Failed States´ (gescheiterter Staaten, Anm. C.R.) – auch militärische Handlungsfähigkeit in ihrem gesamten Spektrum notwendig ist.“ (6)

Pipeline-Hintergründe des Afghanistankrieges
Diese Aussagen stehen auch in Bezug zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr. Durch Afghanistan sollte eine von Turkmenistan kommende Pipeline mit Abzweigen nach Pakistan und Indien gebaut werden, die bereits 1998 zwischen dem Taliban-Regime und dem US-Konzern Unocal vereinbart  war. Lobbyist von Unocal war Hamid Karzai, heutiger Präsident Afghanistans. Das Taliban-Regime änderte jedoch seine Meinung und wollte dem argentinischen Konkurrenzunternehmen Bridas den Zuschlag geben.

Vom persischen Golf soll eine bis heute nicht gebaute Pipeline von Iran nach Pakistan verlegt und nach Indien weitergeführt werden. Ziel der US-Administration ist nach wie vor, dieses Projekt zu verhindern, um Iran zu isolieren, das bereits Lanzeitlieferverträge mit Indien und China geschlossen hat.

Für den Wohlstand und die Energieversorgung in Deutschland sind zwei Gas-Pipelines von Bedeutung. Die Nordstream-Route von Russland nach Deutschland und die Nabucco-Route.  Diese beginnt in der Türkei, die selbst nicht über Erdgas verfügt. Turkmenistan, Irak und Iran sind als Gaszulieferer im Gespräch – haben aber zum Teil bereits Lieferverträge mit Russland und China.

Der Vorsitzende des Aktionärsausschusses des europäisch-russischen Nord-Stream Konsortiums heißt Gerhard Schröder, Joschka Fischer ist Sonderberater der Nabucco-Pipeline unter Führung des RWE-Konzerns. Beide Politiker führten 2001 Deutschland in bedingungsloser Solidarität mit der US-Regierung in den Afghanistankrieg.

Was wird für uns am Hindukusch verteidigt?

  • Unser westlicher Lebensstil?
  • Das Überleben der NATO?
  • Die Option auf einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat?
  • Die Eindämmung u. Kontrolle Chinas, Indiens, Pakistans und Russlands?
  • Eine Basis für die US-Regierung zum Iran-Angriff?

In einem Interview zu Afghanistan an Weihnachten 2009 sagte Margot Käßmann:

„Auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland ist dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen. Möglichst bald sollten die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden“. (Südd. Zeitung, 4.1.2010).

Als katholischer Theologe und Friedensreferent des Versöhnungsbundes sage ich in Anlehnung an Frau Käßmann:

Auch nach den weitesten Maßstäben der Katholischen Kirche in Deutschland ist dieser Krieg in Afghanistan so nicht zu rechtfertigen, der baldmöglichste geordnete Rückzug überfällig.

 

Anmerkungen
1) AirLand Battle 2000, ohne Ort, August 1982, Übersetzung, Militärpolitik-Dokumentation, Heft 34, Berlin 1983.

2) Der Bundesminister der Verteidigung (Hrsg.), Bonn, 26.11.1992.

3) www.iss-eu.org/chaillot/wp2004.pdf

4) Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, www.weissbuch.de

5) 20. Parteitag der CDU Deutschlands, 28./29.11.2006, www.cdu.de/doc/pdfc/061127_Beschluss_A_end.pdf

6) www.friedenskooperative.de/ff/ff08/1-11.htm

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Clemens Ronnefeldt ist seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes.