Neues Projekt der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V. geht online

www.Bundeswehr-Monitoring.de

von Michael Behrendt
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Im Jahr 2003 meldeten sich in unserem Berliner Gemeinschaftsbüro der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär und der Wehrpflicht- und Kriegsdienstverweigerungsberatungsstelle der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V. zwei aktive Soldaten, die es in ihrer Truppe nicht mehr aushielten und mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen an die Öffentlichkeit gehen wollten. Aus Angst vor Schikanen in der Truppe hatten sie sich in der Vergangenheit weder an den Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages gewandt noch in Erwägung gezogen, Beschwerden auf dem normalen Dienstweg einzulegen.

Immer wieder mussten wir solche Erfahrungen in unserer langjährigen Beratungspraxis seit 1990 machen. Sie erzählten uns von dem rechtsradikalen Ton in der Kaserne. Der Gemeinschaftsraum der Unteroffiziere wurde nach altem Vorbild als Adlerhorst bezeichnet. Im theoretischen Unterricht wurden distanzlos Schlachten und Gefechte des zweiten Weltkriegs als Ausbildungsstoff vermittelt. Als Lehrmaterial wurden Bücher des britischen Holocaustleugners David Irving benutzt und offen innerhalb der Kasernenmauern ausgestellt.

Bei der theoretischen Sanitätsausbildung wies ein Unteroffizier darauf hin, dass es auf Grund der Genfer Konvention verboten ist, entsprechend gekennzeichnete Verwundeteneinrichtungen zu bekämpfen. Gleichzeitig erklärte er, dass im Krieg darauf keine Rücksicht genommen wird: „Machen wir uns mal nichts vor. Ich würde auch auf ein Verletztenlager schießen.“

Hinzu kamen noch etliche Verfehlungen im Bereich der sogenannten Menschenführung. Zum Beispiel wurde Soldaten der Zugang zum Arzt verweigert oder erschwert und ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung verschleppt. Schon des Öfteren hatten wir von Betroffenen Schilderungen über den Zustand ganzer Einheiten bekommen. Diesmal gab es darüber hinaus Augenzeugen, die öffentlich darüber sprechen wollten. Trotz unserer langjährigen Erfahrungen mit der Presse und mit Öffentlichkeitsarbeit gelang es uns nicht, das Thema und die Vorfälle in den Medien zu platzieren. Von Bildzeitung bis Spiegel schlug uns eine ablehnende Haltung entgegen, niemand wollte sich wirklich mit dem Thema befassen. Das sei doch alles „ganz normal“.

Coesfeld
Kurze Zeit später wurde zufällig durch ein unachtsames Gespräch in einer Bundeswehrkantine und einen offensichtlich noch wenig militärisch sozialisierten Juristen der sogenannte Coesfeld-Skandal ins Rollen gebracht. Plötzlich meldeten sich dieselben Medienvertreter bei uns im Büro, die vorher von unserem Skandal nichts wissen wollten. Weil Augenzeugen aus Coesfeld nicht zu haben waren, waren „unsere“ plötzlich doch interessant. Die Bildzeitung ging sogar so weit, aus einem unserer Augenzeugenberichte ohne persönlichen Kontakt die Titelschlagzeile zu machen: „Erstes Folteropfer packt aus!“ Politiker und Militärs beeilten sich wie immer, Gegendarstellungen abzugeben, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Der damalige Kriegsminister Peter Struck murmelte noch die Worte „bedauerlicher Einzelfall“ in seine Pfeife, als auch schon sechs weitere Vorkommnisse, in denen Untergebene durch Vorgesetzte offenbar misshandelt worden waren, durch die Medienlandschaft zirkulierten und aufgeblasen wurden. Nun stürzten sich auf einmal Zeitungsmacher und Reporter alle auf das gleiche Thema, bauschten es auf und käuten es wieder, ohne tatsächlich für Aufklärung und Transparenz zu sorgen.

Unabhängiges Monitoring
Die Idee zur zielgerichteten Beobachtung der Bundeswehr entstand einerseits aus unseren Erfahrungen mit den Betroffenen und ihrer Hilflosigkeit im System Bundeswehr, andererseits aus den Erfahrungen mit der Institution Bundeswehr selbst, die im Zweifelsfall die Macht hat, vieles zu verheimlichen, was sich negativ auswirken könnte. Der Umgang der Medien mit dem Thema führte ebenso zu der Erkenntnis, dass unabhängige Aufklärung Not tut.

Das Projekt Bundeswehr-Monitoring ist eine datenbankgestützte Internetplattform, auf der die Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung zu verschiedenen Themenbereichen der Bundeswehr und der Militärpolitik der Bundesregierung Informationen sammelt und dauerhaft öffentlich zugänglich macht. Dazu gehören zum Beispiel Meldungen zur Wehrpflichtpraxis ebenso wie Berichte aus dem Rüstungsbereich, Nachrichten von den Einsätzen der Bundeswehr im In- und Ausland und aus dem Innenleben der Streitkräfte. Wir sammeln auch Nachrichten, die dokumentieren, wie das Militär sich zivile Institutionen, z.B. Schulen oder Arbeitsämter, zunutze macht. Zu diesem Zweck werten wir Tages- und Wochenzeitungen aus, außerdem Zeitschriften, Onlinemedien, Berichte aus der Forschung sowie Informationen aus dem Bundestag, die beispielsweise über die Antworten auf Kleine Anfragen bekannt werden. Gerüchte oder Meldungen ohne Quelle können wir nicht weitergeben.

Bundeswehr-Monitoring ist für die Nutzer kostenlos, nicht aber für uns! Schon in der Entstehungsphase haben Programmentwicklung, Layout und Redaktion hohe Kosten verursacht. Bisher finanziert die Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung das Projekt abgesehen von einer Anschubförderung vor allem durch die Bertha-von-Suttner-Stiftung fast komplett aus eigenen Mitteln. Deshalb bitten wir um Spenden und freuen uns über jedes neue Fördermitglied bei der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung! Mehr Informationen auf www.asfrab.de oder www.Bundeswehr-Monitoring.de

Der Artikel wurde erstmalig in der Zivilcourage 1/2010 veröffentlicht und von der Redaktion des Friedensforums gekürzt. (Siehe auch http://www.dfg-vk.de/thematisches/bundeswehr-abschaffen/2010/397)

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Michael Behrendt ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung.