Arbeitskonferenz

"Ziviler Friedensdienst - europaweit"

von Andreas Buro
Initiativen
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Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes wird in vielen Ländern Europas über den Aufbau einer Alternative zum militärischen Konfliktaustrag diskutiert. In Deutschland haben die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg wie auch der Bund für Soziale Verteidigung Vorschläge für Zivile Friedensdienste vorgelegt, die erhebliches Interesse gefunden haben. Durch die Konferenz in Frankfurt/Oder sollte die Diskussion über solche Projekte auf der europäischen Ebene angeregt und verstärkt werden. Angestrebt wird, dauerhafte Strukturen der gegenseitigen In­formation und Zusammenarbeit zu schaffen.

Die Arbeitskonferenz hatte folgende Schwerpunkte:

-     Zivile Konfliktbearbeitung als euro­päische Aufgabe

-     Konzepte und Kooperationsstruktu­ren für einen ZFD in Deutschland

-     Berichte und Einschätzungen aus den europäischen Ländern

-     Ausbildungen für die ZFD-Curricula und Erfahrungen

-     Zukünftige Zusammenarbeit in Eu­ropa

Die 1990 in Prag unter der Schirmherr­schaft von Vaclav Havel gegründete Helsinki Citizents' Assembly (hca) führt gesellschaftliche Kräfte im OSZE-Be­reich zusammen. Sie hat in fast allen OSZE-Ländern nationale Sektionen aufgebaut. Die deutsche hca-Sektion will einen ihrer Schwerpunkte auf die "Europäisierung" der Bemühungen um einen zivilen Friedensdienst legen.

Bei der Arbeitskonferenz in Frank­furt/Oder haben sich Mitglieder aus Friedens- und Bürgerrechtsbewegungen aus 16 OSZE-Ländern getroffen. Durch die Wahl des Tagungsortes an der deutsch-polnischen Grenze wollten die Veranstalter ein Signal setzen, daß es sich bei dem Vorhaben um ein gesamt­europäisches Projekt handele und nicht um eine westeuropäische Konferenz. Dieses Signal hat Wirkung gehabt. Ein hoher Anteil der TeilnehmerInnen kam aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Die Veranstalter hatten von einer Betei­ligung mit etwa 60 Personen gerechnet. Die tatsächliche Beteiligung lag gering­fügig über dieser Erwartungszahl. Damit wird das Interesse an der Thematik "Ziviler Friedensdienst" im europäi­schen Rahmen deutlich bestätigt.

Die Tagesordnung war so konzipiert, daß viel Zeit für die Diskussion und die Einbringung spezifischer Vorstellungen und Argumente aus den vertretenen Ländern zur Verfügung stand. Dies hat der gesamten Tagung sehr gut getan. Sie verlief in einer sehr kooperativen und freundschaftlichen Atmosphäre bei gleichzeitig hoher Effektivität. Am Samstagabend konnte ein Treffen in der polnischen Nachbargemeinde jenseits der Oder vereinbart werden.

Die Arbeitsergebnisse wurden in einer Schlussresolution, die am Sonntagvormittag ausführlich erörtert und angerei­chert wurde, niedergelegt. Sie wird nachfolgend in Auszügen dokumentiert:

Der vollständige Wortlaut der Resolu­tion kam im Büro Netzwerk Friedensko­operative gegen 2,- DM angefordert wer­den.

 

 

Für einen Zivilen Friedensdienst - europaweit

(...)

Unter Zivilen Friedensdienst verstehen wir einen Dienst, in und zwischen unse­ren Gesellschaften gewaltfrei zu bear­beiten sucht. Er soll Bürgern und Bürge­rinnen jedes Alters offenstehen, freiwil­lig sein und somit keinen Zwangsdienst­charakter aufweisen. Er soll über ein hohes Maß an Unabhängigkeit verfügen, um innovativ arbeiten zu können, aber doch gegenüber der Gesellschaft und ih­ren politischen Institutionen verbindlich arbeiten. Ziviler Friedensdienst (ZFD) bedarf der Finanzierung aus Steuermit­teln, die so für eine zukunftsträchtige Friedenssicherung und Problemlösung einzusetzen sind.

Der Grund für unser Anliegen ist, daß die herkömmliche Politik meist nicht in der Lage ist, auf sich anbahnende poli­tisch, sozial, ökonomisch und ökolo­gisch begründete Konflikte, die zu in­ner- oder zwischenstaatlichen Kriegen führen können, vorbeugend und deeska­lierend einzuwirken und gute Dienste der Konfliktbewältigung zu leisten. Mi­litärische Drohungen und Interventionen nach dem Ausbruch von Gewalt erwei­sen sich im friedenspolitischen Sinne in aller Regel als ungeeignet.

(...)

Deshalb treten wir ein für eine Wei­chenstellung zu einem umfassenden Konzept "Ziviler Konfliktbearbeitung", das auf vielen Ebenen zu entfalten ist: international und national, auf den re­gionalen und kommunalen Ebenen, wie denen von Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden bis hin zu den sozialen Be­wegungen und Bürger- und Menschen­rechtsorganisationen. Bislang wird an Konzepten und Möglichkeiten der vor­beugenden, deeskalierenden und nach­sorgenden Konfliktberarbeitung mit zi­vilen Mitteln viel zu wenig gearbeitet. Den ZDF verstehen wir als ein wichti­ges Instrument im Rahmen einer anzustrebenden Gesamteuropäischen Frie­densordnung.

(...)

Die Konferenzteilnehmer wenden sich

*     an die nationalen Sektionen der Hel­sinki Citizens' Assembly , sowie an die europäischen Gruppen der Frie­dens- und Bürgerrechtsbewegungen mit der Aufforderung, sich dem Be­mühen für den Aufbau Ziviler Frie­densdienste anzunehmen und in den jeweiligen Ländern Initiativen und Foren zu bilden. Wir bitten, zu bil­dende Friedensdienste auf nationaler Ebene auch Angehörigen anderer Länder zu öffnen, da Friedensarbeit nicht an nationale Grenzen gebunden ist.

*     an Länder, Kommunen, Verbände, Stiftungen und Regierungen, bereits jetzt mit der Ausbildung von Bürge­rinnen und Bürgern zu beginnen oder diese zu unterstützen, damit mög­lichst bald ein Pool von Trainern und Ausgebildeten für zivile Friedensar­beit zur Verfügung steht. Bei der Ein­richtung von Ausbildungskursen und -stätten erhoffen wir uns eine enge Zusammenarbeit  über die Grenzen hinweg.

*     an die Regierungen und Parlamente der OSZE-Länder mit der Aufforde­rung, ihre Beratungen und Anstrengungen darauf zu richten, daß in ih­ren Ländern nicht nur der Aufbau Zi­viler Friedensdienste ermöglicht, sondern auch ein Gesamtkonzept Zi­viler Konfliktbearbeitung unter Ein­beziehung auch innenpolitischer Aspekte entwickelt und in ihrer Poli­tik umgesetzt wird.

*     an die OSZE mit der Bitte, möglichst bald bei ihren Missionen Teams ein­zusetzen, die in gewaltfreier Kon­fliktbearbeitung ausgebildet sind. Wir glauben, daß die OSZE als gesamteu­ropäische, bislang rein zivile Organi­sation besonders geeignet ist, den neuen, zukunftsträchtigen Weg zivi­ler Konfliktbearbeitung zu beschrei­ten.

*     an die europäischen Gesellschaften in Ost, West, Süd und Nord, sich für eine gesamteuropäische Friedensord­nung einzusetzen. Diese sollte auf Prinzipien der Menschenrechte, der politischen Gleichheit und der ge­waltfreien Kooperation zur Lösung der drängenden Probleme beruhen. Ihre Errichtung ist dringend, um eine neue Spaltung Europas nicht auf­kommen zu lassen. Die OSZE könnte in veränderter Form den Rahmen für eine solche Gesamteuropäische Frie­densordnung bilden.

Es ist die Absicht der Konferenzteil­nehmerInnen, ein Informations- und Kooperationgeflecht zwischen allen Kräften im OSZE-Bereich herzustellen, die sich dem Aufbau Ziviler Friedens­dienste widmen wollen.

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