Militarisierung der EU vs. Zivile Konfliktbearbeitung

Zivilmacht Europa? Viel Luft nach oben

von Elena Ball
Schwerpunkt
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Auch wenn sich die EU auf dem Weg hin zu einer zunehmenden Militarisierung zu befinden scheint: Die 2016 beschlossene Globale Strategie der EU mit dem Fokus auf Cybersicherheit, Migration, Grenzschutz, Radikalisierung und Terrorismus, organisierte Kriminalität und hybride Bedrohungen weist trotz ihres Fokus auf militärgestützte Politik doch auch darauf hin, dass zivile Mittel für eine erfolgreiche Konfliktbearbeitung in ihrer Relevanz für die EU deutlicher erkennbar werden. (1)

So gab es von 2016-2018 ein Forschungsprojekt im Rahmen von Horizon 2020 (2) zur Entwicklung einer Strategie im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung und Peacebuilding. Die Stärkung der Kapazitäten und Glaubwürdigkeit der EU im Bereich von Mediation und präventiver Diplomatie, die Harmonisierung der Auswahl und des Trainings von zivilem Personal, sowie die stärkere Berücksichtigung der Beteiligung lokaler AkteurInnen wurden als zentral benannt. Im Endbericht wurde hier von der Forschungsgruppe auch die zivil-militärische Zusammenarbeit und eine eindeutigere Positionierung der EU bzgl. Dual-use-Gütern empfohlen. Im folgenden Beitrag sollen diese zivilen Ansätze näher beschrieben werden.

Mediation
Eines der zivilen Felder, in denen die EU seit Jahren aktiv ist, ist das der Förderung von politischer Mediation (Vermittlung). Bereits 2009 hatten der Europäische Rat und die Kommission beschlossen, dass Mediation als Konfliktbearbeitungsmethode gestärkt werden und die EU zu diesem Zweck Mediation propagieren, finanzieren und selbst anbieten bzw. unterstützen solle. (3)

Zum Beispiel kooperiert sie mit dem Department for Political and Peacebuilding-Affairs der UNO bei der Ausrichtung eines alle zwei Jahre stattfindenden Mediations-Workshops für Organisationen wie die Afrikanische Union oder des Verbands der südostasiatischen Nationen (ASEAN), die Mediationsunterstützungs-Büros haben. (4) Zudem finanziert die EU das achtköpfige Standby-Team von erfahrenen MediatorInnen; diese sind momentan aktiv in Bezug auf die Konflikte im Jemen, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik. (5)

Im Rahmen des Civil Society Dialogue Network, das über das Instrument für Stabilität und Frieden finanziert wird, organisiert die EU zudem einen Austausch über Friedens- und Konfliktthemen zwischen Zivilgesellschaft und PolitikerInnen. Im Frühjahr 2019 gab es zum Beispiel vom European Peacebuilding Liaison Office EPLO (einer unabhängigen zivilgesellschaftlichen Plattform europäischer Netzwerke von NGOs und Think Tanks, die sich für Friedenskonsolidierung und die Verhütung gewaltsamer Konflikte einsetzen) einen Workshop zum Thema Frauen als Mediatorinnen und der Frage, wie sich Geschlechterstereotype in diesem Bereich überwinden lassen. (6)

Finanzierung zivilgesellschaftlicher Arbeit durch das Stabilitätsinstrument
Das Stabilitätsinstrument ist ein externes Förderprogramm, das zur Unterstützung instabiler Länder vor oder nach Konflikten und Krisen dient. Geld- und Sachleistungen werden dabei nicht nur an im außereuropäischen Ausland tätige NGOs vergeben, sondern auch an Regierungen, INGOs und Unternehmen in den betroffenen Ländern. Die von 2014 bis 2020 laufenden 250 Projekte mit einem Finanzvolumen von 2,3 Milliarden Euro umfassen beispielsweise die Unterstützung von vertrauensbildenden Maßnahmen, Dialog und Mediation in 28 Ländern, zehn Projekte zu Kultur, Medien und Frieden wie ein Community-Radiosender oder Konflikttransformation mit Jugendlichen in Pakistan in der Rubrik Konfliktprävention und -lösung, Friedensförderung und Sicherheit. (7)

Zum Beispiel wird die INGO Nonviolent Peaceforce für ihre Arbeit des Zivilen Peacekeepings in Mindanao auf den Philippinen durch das Stabilitätsinstrument finanziell unterstützt. Auch viele andere zivile Projekte wurden durch das Stabilitätsinstrument gefördert. Deshalb ist es auch so problematisch, dass dieses Instrument in Zukunft auch für militärische Zwecke zur Verfügung stehen soll.

Zivile Auslandseinsätze der EU
 Die EU entsendet seit vielen Jahren BeobachterInnen in bewaffnete Konflikte. Den Anfang machten die EU-Monitore in den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre. Als „Eiscreme-Männer“ wegen ihrer weißen Uniformen oft verspottet, trug ihre Anwesenheit doch dazu bei, Konfliktherde an vielen Orten zu deeskalieren. (8)

Die „Civilian Planning and Conduct Capability“ (CPCC) stellt den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) dar, der als der diplomatische Arm für die Hohe Vertreterin für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU fungiert. (9) Hierüber werden im Jahr 2019 sechs militärische und zehn zivile Missionen in Libyen, Kosovo, Georgien, Ukraine, Iraq, Niger, Mali, Palästina finanziert, wobei EUBAM-Rafah aktuell pausiert ist. Ihr Aufgabenspektrum reicht vom Patrouillieren an Grenzübergängen über Training von Polizei und Sicherheitskräften bis hin zur Kooperation mit den militärischen Missionen (z. B. in Somalia). (10) Auch die Wahlbeobachtung gehört zu den Maßnahmen der CPCC. (11) In diesem Jahr erfolgte sie in sieben Ländern, wobei neben zivilen BeobachterInnen aus einem ExpertInnenpool und ggf. einer parlamentarischen Delegation auch technische Unterstützung für die Wahldurchführung bereitgestellt wurde.

Im Rahmen eines zivilen Vertrages zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungs-Politik (die GSVP ist eine Unterabteilung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, mit dem Europäischen Rat als Hauptakteur und einem eigenen, national finanzierten Budget) wurde vom Europäischen Rat beschlossen, dass das Personal und die Ausrüstung derart erweitert werden sollen, dass innerhalb von 30 Tagen eine Gruppe von 200 Menschen für zivile Missionen einsatzbereit und angemessen ausgestattet ist. (12)

Von den geplanten Änderungen nicht betroffen ist eines der außenpolitischen Instrumente, das sogenannte „Recovery and Peacebuilding Assessments and Post-Disaster Needs Assessment“, welches ziviles Engagement bzgl. humanitärer Krisen, Wiederaufbau und Konfliktbearbeitung ermöglichen soll. (13) In Ländern, die von Naturkatastrophen oder durch Konflikte entstandene Krisensituationen betroffen sind, wird in Zusammenarbeit mit der Weltbank und den Vereinten Nationen Aufbauhilfe geleistet.

Bereits im Jahr 1998 wurde von einer interfraktionellen Friedens-Gruppe im Europäischen Parlament die Schaffung eines europäischen zivilen Friedens-Korps vorgeschlagen; die Idee stammte von dem südtiroler Grünen Alexander Langer. (14) Die Initiative versickerte zunächst in einem Parlamentsausschuss. Jüngst im Herbst 2019 haben mehrere europäische zivilgesellschaftliche Organisationen, angestoßen durch die französische pazifistische Mouvement pour une alternative nonviolente, MAN, einen neuen Appell an das EU-Parlament gerichtet, in dem u.a. erneut die Schaffung eines Friedenskorps eingefordert wird. (15)

Ausblick
Die geplanten Änderungen für den neuen europäischen mittelfristigen Finanzrahmenplan, der von 2021 bis 2027 gültig sein wird, weisen allerdings nicht in Richtung einer stärkeren Zivilmacht Europa hin. Bei ihrer Umsetzung würde es zu einer Schwächung all derjenigen Instrumente kommen, die der zivilen Konfliktbearbeitung dienen. Es ist zu hoffen, dass das Europäische Parlament dem Druck zivilgesellschaftlicher Organisationen nachgibt und hier doch eine neue Weichenstellung hin zu einer zivilen und weg von einer militärgestützten Politik vornimmt. (siehe andere Beiträge in diesem Schwerpunkt).

Anmerkungen
1 vgl. DGAP; https://dppa.un.org/en/european-union
2 im neuen Finanzrahmenplan: Framework Programme for Research and Innovation; https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2018/03/AnnextoJunckerEUBudge...
Der Abschlussbericht ist hier: https://eu-civcap.net/
3 http://eeas.europa.eu/archives/features/features-working-women/working-w...)
4 https://dppa.un.org/en/european-union
5 https://news.un.org/en/story/2018/08/1018012
6 https://news.un.org/en/story/2018/08/1018012
7 https://ec.europa.eu/fpi/what-we-do/instrument-contributing-stability-an... und https://icspmap.eu/)
8 Schweitzer, Christine (2010) Strategies of Intervention in Protracted Violent Conflicts by Civil Society Actors. The Example of Interventions in the Violent Conflicts in the Area of Former Yugoslavia, 1990 – 2002. Vehrte: Soziopublishing. (Dissertation) [Online] at http://www.ifgk.de/fileadmin/ifgk/forschung/CSchweitzerThesisYU-final.pdf.
9 https://eeas.europa.eu/topics/common-security-and-defence-policy-csdp/54...
10  https://eumm.eu/, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/65034/what-we-...
11 https://eeas.europa.eu/topics/election-observation-missions-eueoms_en/42...
12 (https://www.iss.europa.eu/sites/default/files/EUISSFiles/yes2019.pdf, S. 86
13 Die EU hat seit 2003 über 30 Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) entsandt. Siehe https://eeas.europa.eu/topics/common-security-and-defence-policy-csdp/43...
14 https://ec.europa.eu/fpi/what-we-do/recovery-and-peacebuilding-assessmen...
https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2018/03/AnnextoJunckerEUBudge...
https://ec.europa.eu/fpi/what-we-do/recovery-and-peacebuilding-assessmen... https://eploblog.wordpress.com/2019/04/29/peacebuilding-and-conflict-pre...
15 (https://uia.org/s/or/en/1100046475; Peace Initiative, S. 15, 2005; https://www.europarl.europa.eu/bulletins/pdf/01c_bu-a(2005)08_en.pdf
16 https://nonviolence.fr/Vers-une-politique-europeenne-de-securite-et-de-paix

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Elena Ball schrieb diesen Beitrag in ihrer Zeit als Praktikantin beim BSV. Sie studiert Psychologie in Wuppertal und Philosophie, Politik, Ökonomik in Witten.