Zu Guttenberg und der Aachener Karnevalsorden

von Helene Klein Ansgar Klein
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Dem Kriegsminister zu Guttenberg will der Aachener Karnevalsverein (AKV) seinen „Kulturorden“ „Wider den tierischen Ernst“ für „Humor und Menschlichkeit im Amt“ verleihen, weil Guttenberg „so smart und stark“ sei. Als wir das am 11.11.2010 aus den „Aachener Nachrichten“ erfuhren, haben wir zusammen mit vielen UnterstützerInnen den folgenden „Offenen Brief“ an den AKV geschickt und auf einer Pressekonferenz vorgestellt, die eine breite Resonanz fand:

Sehr geehrte Damen und Herren des AKV!

Wir sind empört, dass der AKV in dieser Session Minister zu Guttenberg den „Orden wider den tierischen Ernst“ verleihen will. Wir halten es für unverantwortlich, dass der AKV in einer Zeit zunehmender Militarisierung der deutschen Politik einen Mann auszuzeichnen gedenkt, der auf der diesjährigen „Berliner Sicherheitskonferenz“ am 9.11.2010 den Zusammenhang zwischen deutschen Wirtschaftsinteressen und Interventionen der Bundeswehr offen bestätigt hat; wörtlich: „..., dass wir in unserm Lande doch schon einiges noch tun müssen, um den Zusammenhang von regionaler Sicherheit und Wirtschaftsinteressen offen und ohne Verklemmung auszusprechen“.

In Aachen, der Stadt des „Friedenspreises“, soll ein Mann geehrt werden, der offen Wirtschaftskriege gutheißt und damit unser Grundgesetz missachtet. In Artikel 26, Absatz 1, GG heißt es: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Spätestens seit den damals noch kritisierten Äußerungen des Ex-Bundespräsidenten Köhler zu Auslandseinsätzen aus Wirtschaftsinteressen, die Guttenberg auf der „Berliner Sicherheitskonferenz“ als „etwas Selbstverständliches“ bezeichnet hat, wissen wir, dass die Bundesregierung durchaus Bundeswehreinsätze zur Wahrung von Wirtschaftsinteressen Deutschlands bejaht. Aber die breite Öffentlichkeit nimmt die gefährliche Tragweite dieser Politik nicht wahr. Es ist in unseren Augen unverantwortlich, dem Mann, der an prominenter Stelle militärische Interventionspolitik vorantreibt, durch die Ordensverleihung eine Bühne zu geben.

Wir fordern den AKV auf, seine Entscheidung, Guttenberg auszuzeichnen, zurückzunehmen!

Für die Aachener Friedensbewegung ist das nicht der erste Anlass, auf die äußerst gefährliche Entwicklung der Politik hinzuweisen. Schon das Weißbuch der Bundesregierung für die Bundeswehr aus dem Jahr 2006 war für den „Aachener Friedenspreis e.V.“ Anlass genug, gegen den damaligen Verteidigungsminister Jung und die Bundeskanzlerin am 15.11. 2006 Strafanzeige zu erstatten, da in dem Weißbuch 2006 als Zielsetzungen und Interventionsgründe genannt werden: offenes Welthandelssystem, freie Transportwege, funktionierende Kommunikationssysteme, gesicherte Rohstoffzufuhr und Energieversorgung. Genau diese Begründungen für militärische Interventionen finden sich schon 1991 in dem Strategiepapier der NATO und 2007 im EU-Lissabonvertrag, wurden im November 2010 auf der NATO-Tagung der Regierungschefs in Lissabon im „Strategic Concept“ erneut bekräftigt und ebenfalls im November von Guttenberg „als Selbstverständlichkeit“ der deutschen Öffentlichkeit präsentiert.

Jedoch findet in der Öffentlichkeit eine Auseinandersetzung mit dieser militaristischen Politik kaum statt. Die Aussetzung der Wehrpflicht und die Verkleinerung der Bundeswehr, die Guttenberg vorantreibt, wird sogar weitgehend als positive Sparmaßnahme wahrgenommen, ohne dass die wahren Gründe, nämlich die Straffung der Bundeswehr zu einer auslandseinsatzfähigen Berufsarmee, reflektiert werden. Doch sind Auslandseinsätze durch das Grundgesetz nicht gedeckt. Siehe Art. 87a(2): „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ Und das Bundesverwaltungsgericht hat 2005 im Fall des Majors Florian Pfaff ausdrücklich betont, dass die Bundeswehr  „nicht zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer oder politischer Interessen“ herangezogen werden kann.

Die Friedenbewegung sieht das genau so! Daher will sie die Öffentlichkeit aufrütteln und für den Widerstand gegen die Militarisierung sensibilisieren.

Es ist doch aberwitzig, demjenigen, der letztlich für Traumatisierung, Verwundung und Tod vieler Bundeswehrsoldaten und ungezählter Afghanen verantwortlich ist, den Karnevalsorden „Wider den tierischen Ernst“ verleihen zu wollen und ihm per ARD-Ausstrahlung bundesweite Beachtung zu schenken.

Die Gelegenheit, dem obersten Befehlsherrn der weltweiten Eingreiftruppe Bundeswehr in Aachen massiv entgegenzutreten, darf sich die Friedensbewegung nicht entgehen lassen!

Mit dem Motto der ökumenischen Friedensdekade 2010: „Es ist Krieg - entrüstet euch!“ rufen wir zu einer Mahnwache vor der geplanten Ordensverleihung am 19. Februar 2011 auf.

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Helene Klein ist Sprecherin der ‚Würselener Initiative für den Frieden’.
Ansgar Klein ist Sprecher der Friedensinitiative Würselen.