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Zum 3. Friedenspolitischen Ratschlag in Kassel 7.-8.12.96
von![Initiativen Initiativen](https://www.friedenskooperative.de/sites/default/files/styles/image_content/public/bild/initiativen.png?itok=1SeWNT5J)
Es waren aus meiner Sicht vor allem drei Ziele, die sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des zweiten Friedenspolitischen Ratschlags im vergangenen Dezember vorgenommen hatten: Erstens sollte die ganze Breite und Vielfalt friedenspolitischer Themen und Aktionsfelder benannt und sollten zugleich konsensuale Positionen herausgearbeitet werden; zweitens sollte der ins Stocken geratene Dialog zwischen Friedensbewegung und Friedenswissenschaft neu belebt werden; und drittens wollte die in Kassel vertretene Friedensbewegung - die selbstredend nur einen Ausschnitt der Gesamtbewegung darstellte - wieder politische "Handlungsfähigkeit" erreichen, d.h. durch Mobilisierung von Menschen und Meinungen die politische Klasse in Bonn beeindrucken.
Rückblickend kann wohl nur für die ersten beiden Ziele eine uneingeschränkt positive Bilanz gezogen werden: Die in Kassel begonnenen Diskussionen haben sowohl zahlreiche Nachahmer auf regionaler und lokaler Ebene gefunden als auch zu einem lebhaften überregionalen Austausch von Meinungen und Informationen angeregt. Der Dialog mit zahlreichen Friedensforscher/innen war außerordentlich spannend und fruchtbar für beide Seiten; er wird auf dem 3. "Ratschlag" fortgesetzt. Was indessen die ersehnte Handlungsfähigkeit betrifft, so fällt das Urteil nüchterner aus. Gewiss: Eine partielle Wiederbelebung vorübergehend in den Hintergrund gedrängter Aktionsanlässe und -formen war 1996 nicht zu verkennen (z.B. Ostermarsch, Hiroshima-Gedenken und Antikriegstag mit jeweils zunehmender Resonanz). Doch die Friedensbewegung ist noch weit entfernt davon, in aktuellen sicherheitspolitischen Fragen als relevanter innenpolitischer Faktor gehört, geschweige denn anerkannt zu werden.
Mir scheint, die Wiedergewinnung des öffentlichen Raums ist ein längerer Prozess, der mit der Fähigkeit beginnt, friedenspolitische Themen offensiv zu besetzen und in wesentlichen Fragen eine Meinungsführerschaft zu erzielen, und der nicht dabei endet, größere Menschenmassen "auf die Straße" zu bekommen. Betrachten wir doch nur einmal die großen "Schicksalsfragen", die heute in Bonn entschieden werden, etwa die Frage der Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Ausweitung der NATO und die Wiederbelebung der WEU, die Entscheidung über weitreichende Rüstungsmammutprogramme (z.B. Eurofighter 2000) oder den immer unverhohleneren Griff der Bundesregierung nach einer Mitverfügungsgewalt über Atomwaffen. Gemessen an diesen Herausforderungen waren die überörtlichen öffentlichen Interventionen der Friedensbewegung alles in allem doch recht bescheiden.
Vorläufiges Programm: (Stand: 10.09.96)
Tagungsort: GHS Kassel, FB E-Technik, Wilhelmshöher Allee 73 (ehem. Ingenierschule)
Samstag: 7.12.
11-13 Uhr: Anmeldung
13 Uhr: Einführungsreferate im Plenum: Dorothee Permont "Europa rüstet um, nicht ab"; N.N.: "Hat der Pazifismus ausgedient?", Margret Mönig-Raane "Hochrüstung und Sozialabbau - Alte Fragen, neu gestellt; Es nehmen Stellung: N.N. (Mouvement de la paix, Paris / Frankreich), N.N. (Polen?, Tschechische Rep.?, Russland?)
16-19.30 Uhr: parallele Foren:
Forum 1: Pazifismus am Ende? (Zur Psychologie des Krieges und des Friedens; POazifismus als Lebensauffassung und politisches Programm)
Forum 2: Militarisierung der Außenpolitik (Neue Rolle der Bundeswehr; Militärdoktrin im Zeichen der "Globalisierung"; NATO statt OSZE?)
Forum 3: Entdemokratisierung der Innenpolitik (Ökonomische, soziale und politische Folgen des Militärs; Wieviel darf die Bundeswehr kosten? Abbau von Demonkratie)
Forum 4: Wehrpflicht oder Berufsarmee? (Eine Fragestellung für die Friedensbewegung? Historisches; Ländervergleich; Die aktuelle Debatte; Frauen und Bundeswehr)
Forum 5: Wege zu einer atomwaffenfreien Welt (Zur Qualität des Teststopp-Abkommens; Schritte zur nuklearen Abrüstung; Garching II; "zivile" und militärische Nutzung, Ausstiegschancen)
Forum 6: Alternativen und Handlungsmöglichkeiten der Friedensbewegung (Nachhaltige Entwicklung; Abrüstung; friedliche Außenpolitik; Erziehung zum Frieden; Sozialer Friedensdienst; Zivile Konfliktvermeidung und -bearbeitung; Erfolgskriterien politischer Basisbewegungen; zentrale und dezentrale Aktivitäten; Friedensbewegung und Friedenswissenschaft; Friedensbewegung und Medien)
Jugend-Forum: Workshop: Friedensbewegung und Internet
Abends: Small Talk, Kulutur und Unterhaltung, Café Brückenschlag
Sontag 8.12.
9-11 Uhr: Diskussion: Der Dayton-Prozeß: Bilanz und Perspektiven. Mit Andreas Buro (Komitee für Grundrechte), Angelika Beer (MdB B90/Die Grünen)
11-13 Uhr: nächste Schritte der Friedensbewegung
Hier gilt es, beim dritten Ratschlag, der am 7. und 8. Dezember wieder in Kassel stattfinden wird, Fortschritte zu erzielen. Gefragt sind eine klare, auf die wesentlichen Politikfelder zugespitzte und praxisrelevante Analyse sicherheitspolitischer Gefährdungen und Chancen sowie eine noch bessere politische Kommunikation zwischen den lokalen und regionalen Initiativen mit dem Ziel, gemeinsame Kampagnen zu entwerfen und entsprechende Aktionen zu synchronisieren. Gelingt das, so wäre dies ein entscheidender Schritt nach vorn und ein politisches Signal an all jene, die die Ziele der Friedensbewegung einschließlich ihres pazifistischen Prinzips der strikten Gewaltfreiheit nach wie vor teilen, auch wenn sie selbst seit einiger Zeit nicht mehr die Kraft oder Bereitschaft aufbringen, dafür auch etwas zu tun. Zugleich sollten neue Zugänge zu anderen politischen und sozialen Bewegungen, namentlich zu den Gewerkschaften, gesucht werden. Anders als in den 80er Jahren verhalten sich viele Gewerkschaften und DGB-Gliederungen seit geraumer Zeit friedenspolitisch auffallend zurückhaltend bis abstinent. Außen- und sicherheitspolitische Entwicklungen der letzten Jahre (größere "Verantwortung" Deutschlands in der Welt, Auslandseinsätze der Bundeswehr und ihre Umrüstung zu einer weltweit einsetzbaren schnellen Eingreiftruppe u.ä.) sind an weiten Teilen der Gewerkschaften fast unbemerkt vorbeigegangen und von ihnen meist auch unkommentiert geblieben. Betriebliche Friedensaktivitäten z.B. als Bestandteil der Arbeit von Vertrauensleuten ist fast völlig eingeschlafen. Ich sehe dennoch gute Chancen, etwa das Thema Sozialabbau und Rüstung sowohl für die Gewerkschafts-, als auch für die Friedensbewegung nutzbar zu machen. Erfahrungen vom zurückliegenden Antikriegstag zeigen, daß sich die Kampagne gegen den "Eurofighter" sehr gut mit gewerkschaftlichen Positionen gegen die unsoziale "Sparpolitik" der Bundesregierung verbinden läßt.
In zwei Plenumsveranstaltungen und sechs Foren geht es u.a. um den in Verruf geratenen Begriff des Pazifismus, die "Militarisierung der Außenpolitik", die "Entdemokratisierung" der Innenpolitik und die "Entsolidarisierung" der Gesellschaft, um die Zukunft der Bundeswehr (Wehrpflicht- oder Berufsarmee, Frauen und Bundeswehr), um den schwierigen Weg zu einer atomwaffenfreien Welt und um politische Alternativen und Handlungsmöglichkeiten der Friedensbewegung. Neue Zugänge zu Jugendlichen werden in einem eigenen "Jugend-Forum" gesucht, und in einem Spezial-Workshop sollen die Möglichkeiten ausgelotet werden, die der Friedensbewegung durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien geboten werden.
Im Plenum wird u.a. versucht, die Entwicklung in Bosnien und den übrigen post-jugoslawischen Staaten ein Jahr nach dem Dayton-Abkommen aus friedenspolitischer Sicht zu bilanzieren. Auch sollen Friedensfreuninnen und -freunde aus dem Ausland ihre Sichtweise einbringen.
Das Motto des nächsten bundesweiten "Ratschlags" lautet: "Abrüsten - Armut bekämpfen - Kriegsursachen beseitigen, Entwicklung braucht Frieden".
Wer Interesse am 3. Friedenspolitischen Ratschlag hat, sollte sich an das Kasseler Friedensforum, c/o DGB Kassel, Spohrstr. 6, 34117 Kassel wenden. Das endgültige Tagungsprogramm wird Anfang Oktober vorliegen.