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Zum neuen Asyl-Erfahrungsbericht der Bundesregierung
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Das Innenministerium hat Ende Februar 1994 einen "Asyl-Erfahrungsbericht 1993" vorgelegt, in dem die Auswirkungen des neuen Asylrechts aus Regierungssicht geschildert werden und interessante statistische Daten angegeben sind.
Der 84-seitige Bericht (Bezug beim Innenministerium) kann hier nicht adäquat referiert werden. Ich möchte nur auf einige Auffälligkeiten hinweisen.
Bezüglich der Zahlen rühmt sich die Regierung, daß die Zahl der Asylbegehrenden von 250.736 im 2. Hj. 1992 auf 98.500 im 2. Hj. 1993 gesunken sei. Darin nicht enthalten ist aber offensichtlich die Zahl derer, die gemäß der Drittstaatenregelung direkt an den Grenzen zurückgeschoben wurden. Sie werden in die Asylbewerber-Statistik gar nicht mehr eingerechnet. Im Kapitel zur Wirkung der Drittstaatenregelung wird diese Zahl für das 2. Hj. 1993 mit 91.000 Personen angegeben. Rechnet man viele neuerdings illegal ein- und durchreisende Flüchtlinge (vor allem in die Niederlande, wo die Zahl nach Inkrafttreten der deutschen Regelung sprunghaft gestiegen ist) dazu, hat sich an der Flüchtlingsbewegung selbst kaum etwas geändert, außer daß sich die Bundesrepublik von deren Folgen entlastet hat.
Die Abschiebungszahlen sind 1993 extrem in die Höhe gegangen: 1990: 5.583; 1992: 10.798; 1993 35.915 Abschiebungen (tw. fehlen hier sogar noch von einigen Ländern die Zahlen für Dezember 93). Entsprechend springen auch die Zahlen der Abschiebehaftmaßnahmen in die Höhe - und der Ausbau besonderer Abschiebeknäste. Eine Gesamtzahl der Abschiebehäftlinge wird nicht genannt, sondern nur - lückenhaft - einige Ländererfahrungen referiert.
Martialisch wirkt der Bericht, wenn er die Grenzsicherungsmaßnahmen rühmt, die die Regierung zur Durchsetzung der Drittstaatenregelung vorgenommen hat. U.a. heißt es hier:
"Der Bundesgrenzschutz (BGS) ist dazu übergegangen, an den Ostgrenzen eine effizientere Einsatzform zu praktizieren. Er operiert in zwei gestaffelten Linien. Unmittelbar entlang der Grenze sind die Überwachungskräfte tätig, deren Aufgabe sich auf den Aufgriff illegal eingereister Ausländer konzentriert. Die Folgebearbeitung findet durch die Kräfte in der zweiten Linie statt, so daß der vordere Absicherungsring stets geschlossen bleibt." Gerühmt wird der intensive Personalausbau des BGS und zusätzlicher Verstärkungskräfte an der Ostgrenze. Der Ausbau der Infrarotgeräte ist so gut wie abgeschlossen. Hunde dürfen natürlich auch nicht fehlen: "Mit insgesamt 200 Diensthunden, die je nach der Verfügbarkeit auf dem Markt beschafft werden, soll ein zusätzliches Instrument polizeilicher Aufgabenbewältigung eingesetzt werden. Die Tiere sind im Rahmen des Eigenschutzes, zur Aufspürung und zur Durchsetzung polizeilicher Anordnungen vorgesehen."
Besonders empörend am Asylbericht ist die Art, wie die Regierung auf das Bundesverfassungsgericht Einfluss zu nehmen versucht. Schon nach den ersten Urteilen gegen die Drittstaatenregelung hatte die Bundesregierung öffentlich protestiert und dem Verfassungsgericht gedroht. Nun wird im neuen Bericht betont, daß eine Entscheidung des BVerfG gegen die neuen Regelungen (sichere Drittstaaten, sichere Herkunftsländer) das Asylrecht im Kern und damit den Willen aller Bundestagsfraktionen treffen würde. So heißt es z.B.: "Die Verfassungsbeschwerden haben letztlich zum Ziel, daß in den Fällen des Art 16a Abs. 2 GG (Drittstaatenregelung) stets im Einzelfall geprüft werden muß, ob der jeweilige Ausländer in dem anderen Drittstaat auch tatsächlich sicher ist. Dies würde der Drittstaaten-Regelung, die auf eine antizipierte allgemeine umfassende Prüfung der Verhältnisse im Drittstaat abstellt, ihre (von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages angestrebte) Wirkung nehmen."
Und bzgl. der sicheren Herkunftsländer heißt es im Kapitel "Verfassungsrechtliche Probleme": "Nach Auffassung der Bundesregierung erhält das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten nur dann einen Sinn, wenn mit der gesetzlichen Festlegung eines Staates als sicherer Staat ... nicht nur für das Bundesamt, sondern auch für das Verwaltungsgericht bindend feststeht (Hv.v.Verf.), daß im Regelfall in den betreffenden Herkunftsstaaten keine politische Verfolgung zu befürchten ist." Und weiter: "Als nicht ausreichend darf ... das Verwaltungsgericht einen solchen Vortrag außer Acht lassen, der sich - wenn auch auf die Person des Asylbewerbers bezogen - im Wesentlichen in der Infragestellung derjenigen Annahmen erschöpft, die die gesetzliche Vermutung der allgemeinen Verfolgungssicherheit begründen. Andernfalls würde die Vermutungsregel weitgehend leerlaufen."
Die Regierung will also den Gerichten vorschreiben, wie sie zu denken haben, damit der Wille des Gesetzgebers - Verfassung hin, Verfassung her - in Erfüllung gehe. Wie war das noch mit der Gewaltenteilung?