Zur Lage der SchülerInnen in der Ukraine

von Julia Kipko
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Auf dem zweiten Europäischen Kongreß für Friedenserziehung in Lillehammer im Sommer 1996, an dem PädagogInnen aus ganz Europa teilnahmen, gaben die ukrainischen Lehrerinnen Julia Kipko und Elena Spichak einen aufrüttelnden Zustandsbericht über die Situation der Schulen, speziell der Internate, in ihrem Land. Wir veröffentlichen hier die Übersetzung mit der dringlichen Bitte zu überlegen, wie ihnen geholfen werden kann.

Vor fünf bis sieben Jahren hätte man solche Kongresse wie diesen suchen müssen. Es war schwierig, so etwas durchzuführen. Heute könnten wir diskkutieren, worüber wir wollen, wir können lesen, was wir wollen und wir können um die ganze Welt reisen. All dies ist zweifellos möglich, weil es in der früheren Sowjetunion politische Veränderungen gegeben hat.

Die Lage der Internate ist grauenvoll, weil die meisten der SchülerInnen in ihnen Waisen oder Halbwaisen sind oder aus Familien mit Alokoholproblemen, sexuellem Mißbrauch oder Kriminalität stammen. Darum ist die ganze Verantwortung dem Staat aufgebürdet worden - und die LehrerInnen müssen sie nun ganz alleine wahrnehmen. Unser Staat lehnt die Verantwortung nicht ab, er ist nur zur Zeit schlichtweg unfähig, diese wahrzunehmen. Die LehrerInnen können ihren SchülerInnen gerade eben mit normalem Essen und etwas Kleidung helfen, und im Augenblick droht, daß die SchülerInnen auch dies Wenige, was sie haben, verlieren. Denn etlichen dieser Internate droht die Schließung, obwohl die Anzahl der bedürftigen Kinder wegen der fortschreitenden Zerrüttung der Familienstrukturen rapide ansteigt.

Dennoch scheinen uns die Probleme dieser Kinder lösbar. Die Mitglieder unserer regionalen Assoziation "LehrerInnen für den Frieden" haben ein Projekt gestartet, deren Ziel es ist, die soziale und psychologische Rehabilitation der Waisenkinder zu erreichen: durch soziale Adaption dieser Kinder, durch Vorbereitung auf ein verantwortliches zukünftiges Leben, in dem sie anderen Menschen und der Lebensumwelt Achtung erweisen. Aber vor allem, indem sie zu überleben lernen. So verändern wir gegenwärtig die Internate und die Schülerheime von der Allgemeinerziehung zu Produktionsschulen, einem spezialisierten Schultyp.

In unserer Region, dem Lugansker Gebiet, befindet sich so eine Internatschule für Waisenkinder und Halbwaisen und Kinder aus sogenannten "schwierigen Familienverhätnissen". Und unsere Lugansker Assoziation "LehrerInnen für den Frieden" hat beschlossen, dieser Schule und den SchülerInnen zu helfen, zu überleben. Wir sammeln Kleidung und Geld, aber unsere Möglichkeiten sind geringer als die Notwendigkeiten. Wir sind eine anerkannte Non-Profit-Organisation - und die meisten von uns sind LehrerInnen. Aber da unsere eigene Situation so prekär ist, können wir meist nur mit Enthusiasmus und wirklicher Zuwendung helfen. Diese Schule besitzt ein Stück Land, das wir jetzt kultivieren. So können die Kinder jetzt auch frisches Gemüse und Obst essen. Überschüsse verkaufen sie, und dafür können sie sich dann andere notwendige Dinge kaufen. Es gibt einen Platz für eine Hühnerfarm. Die Kinder versorgen sie, und so haben sie frische Eier und Fleisch. Und auch diese Überschüsse verkaufen sie. Wir haben eine Näherei, eine Tischler- und eine Drechslerwerkstatt.

Liebe Freunde, ich weiß, daß Sie alle Non-Profit-Organisationen aus ganz Europa repräsentieren. Aber es könnte sein, daß Sie helfen könnten, eine Person oder eine Organisation zu finden, die uns unterstützt. Gerne würden wir Sie zu uns einladen, sich die Schule anzusehen, Sie mit unserem Projekt näher vertraut zu machen. Ich bitte um Verständnis: Aber für diese SchülerInnen ist es eine Frage von Leben oder Tod. Der offizielle tägliche staatliche Ausgabensatz pro Kind beträgt 20 Cent, aber heute stehen nur 6-7 Cents pro Kind täglich zur Verfügung, und zwar für alles: Essen, Kleidung, Medizin.

Wir nennen unser Projekt: "Hagency", das heißt "Hoffung". Aber vielleicht gelingt es uns ja gemeinsam, diesen benachteiligten Kindern ein kleines Licht der Hoffnung auf ein besseres Leben anzuzünden.

Übersetzung: Horst Bethge

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