Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Ein Anfang für Verständigung und Versöhnung
ZWEITE DEUTSCH-SOWJETISCHE FRIEDENSWOCHE (31.8.-8.9.1990)
von115 Aktive der Friedensbewegung aus 25 Orten der ehemaligen
Bundesrepublik und 10 Aktive der Friedensbewegung aus der
ehemaligen DDR aus Friedensgruppen, Initiativen und Parteien
waren in der Zeit vom 31. 8. - 8. 9. 1990 auf Einladung des
Sowjetischen Friedenskomitees in 20 Orte in die Sowjetunion von Karelien bis Georgien gereist. Die zweite sowjetisch-deutsche Friedenswoche war auf den 50. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion (am 22. 6. 1941) hin orientiert.
Der politische Zweck dieser Reise war, die Erinnerung an die
Vergangenheit wachzuhalten und auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen Ost- und Westeuropa in der gegenwärtigen Umbruchphase zusammenzuhalten. Dazu müssen tragfähige Beziehungen zwischen Menschen und Gruppen und Kooperationen dezentral und zentral aufgebaut werden.
Untergebracht waren wir zum guten Teil bei Familien - trotz der sehr beengten Wohnverhältnisse in der Sowjetunion. Das gab dem Besuch einen sehr verbindlichen, persönlichen Charakter.
Zum Abschluß der Friedenswoche wurde der "Friedensvertrag" veröffentlicht, der einerseits ein Orientierungsrahmen dessen ist, was in der nächsten Zeit thematisch zu bewältigen ist, und gleichzeitig ein Versprechen enthält, an diesen Aufgaben mitzuwirken. Insofern ist dieser "Friedensvertrag"
eigentlich mehr ein Kooperationsvertrag zwischen Friedensgruppen. Die speziellen Akzente sollen die beteiligten Personen und Gruppen in eigener Verantwortung setzen. Die Unterschriften sollen bis zum 22. 6. 1991 gesammelt werden, um sie dann in einer Öffentlichkeitsaktion zu nutzen. (Bitte
den Text im Netzwerk-Büro anfordern!)
Was haben wir nun gelernt? Das Fremd- und Eigenbild von der
Sowjetunion ist unsicher geworden. Weiter lernen und dafür
die Zusammenarbeit suchen ist die gültige, nachdenkliche
Devise. Ratschläge können wir kaum geben.
Auf sowjetischer Seite wurde säuberlich zwischen Deutschen
und Faschisten unterschieden. Die Behauptung, da die Wehrmacht "ehrenhaft" gekämpft hat und da nur die SS und andere
Truppen die Vernichtungs- und Unterdrückungsbefehle gegeben
hätten, die zur Ausführung der Greueltaten geführt hätten,
ist inzwischen widerlegt. Also haben auch Deutsche die faschistischen Ziele in die Tat umgesetzt. Kann dieser Widerspruch in der gegenseitigen Wahrnehmung aufgelöst werden?
Dominiert waren alle Eindrücke und auch viele Gespräche vom
Zustand des Landes. Als wir im Hotel Moskwa ein gutes Abendbrot zum Abschied genossen, gab es in der Stadt für die
Bevölkerung kein Brot zu kaufen. Können wir die so geplagten
Menschen in der Sowjetunion nur unter dem Gesichtspunkt des
Mangels und der Mißwirtschaft sehen? Haben wir das moralische Recht, mit erhobenen Zeigefinger vor den Nachteilen der Marktwirtschaft zu warnen? Wie können wir auf Erwartungen der Menschen in der SU eingehen?
Viele Teilnehmende aus der Bundesrepublik waren gar nicht so sehr erfreut, daß die sowjetischen Gastgeber ihrerseits den
Glückwunsch zur Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten
aussprachen, allerdings in der Erwartung, das größere Deutschland möge ein Faktor des Friedens in Gesamteuropa werden. Mit welchen Aktivitäten der Friedensgruppen und mit welchem Programm können wir in der ehemaligen BRD und der ehemaligen DDR darauf eingehen?
Diejenigen von uns, die in der Ukraine und in Belarußland
waren, haben Erschütterndes von der täglich neu strahlenden
Realität nach Tschernobyl erfahren. Hier zu helfen, ist ein
notwendiger, praktischer Dienst. Er wird zeigen können, daß
es bei uns schlichte Menschlichkeit gibt.
Am beeindruckendsten war die große Gastfreundschaft. Über
unsere Reaktionen darauf, z.B. bei Einladungen zum Essen -
waren wir oft selbst unzufrieden, weil wir glauben, ihr
nicht immer gerecht geworden zu sein.
Wie geht es weiter? Die Zusammenarbeit mit den Menschen in
der Sowjetunion hat nicht dieselbe Qualität, wie die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Franzosen. Deshalb können
wir jetzt nicht einfach zur Normalität übergehen - auch wenn dies unter ökonomischen und außenpolitischen Gesichtspunkten
in der großen Politik so "gemacht" wird.
Die bei dieser Reise gefestigten und neu gefundenen Kooperationen sind die Grundlage der Weiterarbeit im Jahre 1991 auf
der persönlichen und der Gruppenebene: Austausch von Menschen, Diskussion von Sachfragen (z.B. Konversion) und gemeinsame Aktionen stehen auf dem Programm. Nachfragen zur
Mitarbeit sind an die AG Sowjetunion beim Netzwerk der Friedenskooperative zu richten.