Redebeitrag von Martin Singe (Komitee für Grundrechte) für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 6. August 2017 in Köln

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir gedenken heute der Opfer des Atombombenabwurfes auf Hiroshima vor 72 Jahren. Und der Opfer des Abwurfes der Bombe auf Nagasaki, drei Tage nach Hiroshima.

Während wir hier zusammenstehen, lagern 100 km von hier entfernt in Büchel in der Eifel etwa 20 Atombomben mit einer Sprengkraft von jeweils 13 Hiroshima-Bomben.

Dazu stehen in Büchel Tornados als Trägerflugzeuge bereit, mit denen deutsche Soldaten permanent den Abwurf der Atombomben üben. Im Kriegsfall fliegen Bundeswehrsoldaten die atomar-tödliche Last in die Ziele.

Das Konzept nennt sich „nukleare Teilhabe“, ist aber in Wirklichkeit ein Bruch des Atomwaffensperrvertrages. Nach diesem Vertrag darf die Bundesrepublik nicht über Atomwaffen verfügen. Formal wird das dadurch umgangen, dass die USA die Aufsicht über die Bomben haben. Im Ernstfall wird der Atomwaffensperrvertrag dann einseitig außer Kraft gesetzt. Die USA und die Bundesregierung haben Einvernehmen darüber, dass der Atomwaffensperrvertrag im Kriegsfall nicht mehr gilt.

Obwohl der Bundestag bereits 2010 einen Beschluss zum Abzug der Bomben gefasst hatte, steht nun fest, dass diese Bomben stattdessen modernisiert werden. Ebenfalls sollen die Trägerflugzeuge den neuen Bomben angepasst werden. Wobei Modernisierung der Atombomben oder – wie die Amerikaner gerne sagen – „Lebensdauerverlängerung“ Begriffe sind, die eher verschleiern als aufklären.

In Wirklichkeit bedeuten die neuen Bomben B 61-12, die auch in Büchel stationiert werden sollen, einen Qualitätssprung besonderer Art. Inzwischen wurde bekannt, dass die neuen Bomben in den USA in die Produktion gehen. Sie werden auch in den anderen europäischen NATO-Staaten, die heute Atomwaffen haben, stationiert werden, insgesamt etwa 180 neue Atombomben.

Bei der B 61-12 kann man nicht mehr unterscheiden, ob es sich um eine taktische oder strategische Bombe handelt. Sie ist beidermaßen verwendbar, kann also auch von strategischen Bombern ins Ziel gebracht werden. Damit werden alle atomaren Abrüstungsverträge und deren Schemata unterlaufen, da bislang stets in diesen verschiedenen Kategorien verhandelt wurde und auch die Abkommen entsprechend abgeschlossen wurden.

Hinzu kommt, dass die neuen Bomben zielgenauer sind, computergesteuert selbstständig in der Endphase ins Ziel finden und in der Sprengkraft unterschiedlich einstellbar sind. Die Erdeindringfähigkeit wird größer und damit ist es auch eine bunkerbrechende Atomwaffe.

All das senkt die Schwelle zum Einsatz der Bomben, da man sich der Illusion hingibt, mit nur wenigen Kollateralschäden militärische Ziele vernichten zu können. Hinzu kommt der Aufbau der neuen Raketenabwehr der NATO in Polen und Rumänien. Russland muss dies als Bedrohung seiner eigenen Atomwaffenarsenale empfinden. Die USA hatten schon vor Jahren einseitig den ABM-Vertrag über die Begrenzung der Raketenabwehr gekündigt.

Weltweit stehen wir vor einer katastrophalen neuen nuklearen Aufrüstungsrunde. Nahezu alle Atomwaffenstaaten modernisieren ihre Arsenale, wobei die Einsatzfähigkeit und Zielgenauigkeit der Bomben im Mittelpunkt stehen. Karl-Heinz Kamp von der „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ prophezeite vor Kurzem eine neue Phase atomarer Konfrontation und fügte hinzu: „Es ist nicht der primäre Daseinszweck einer Nuklearwaffe, abgerüstet zu werden.“ Geht es noch zynischer?

Das Desaster des Scheiterns der Verhandlungen um den Atomwaffensperrvertrag wird dazu führen, dass immer mehr Staaten Atombomben besitzen wollen. Solange sich die Atomwaffenbesitzenden Staaten weigern, auf wirkliche und vollständige Abrüstung der Atomwaffen hin zu verhandeln, so lange werden sich die Atomwaffenstaaten vermehren. Der Atomwaffensperrvertrag fordert auf vollständige Abrüstung hinzuverhandeln, was die Atomwaffenstaaten verweigern.

Neue Hoffnung hat die sogenannte Pledge-Initiative gemacht, die am alten Atomwaffensperrvertrag vorbei eine neue Abschaffungsinitiative in die Wege geleitet hat. Die Bundesrepublik ist natürlich nicht dabei! Nun haben am 7. Juli 2017 122 Staaten einen Vertrag zur Ächtung von Atomwaffen verabschiedet. Ein riesiger Erfolg! Die USA hatten vorab in einem Brief an alle NATO-Staaten davor gewarnt, an den Verhandlungen teilzunehmen, bzw. im Falle einer Teilnahme gegen den Vertrag zu stimmen. Auch die Bundesregierung will hartnäckig an der nuklearen Teilhabe der NATO festhalten. Dies ist eingebettet in eine Strategie fortgesetzter Kriegführung für deutsche Interessen, wie es im neuen Weißbuch zum Ausdruck kommt.

Es bedarf des Widerstandes

Deshalb müssen wir stärker werden in unserem Widerstand gegen die Atomwaffen. Es geht dabei um Aufklärung gegenüber der Bevölkerung, um Druck auf die Abgeordneten und um direkten Protest und Widerstand.

Auch in diesem Jahr protestieren zwischen März und August Friedensgruppen in Büchel gegen die dort lagernden Atombomben. Seit Jahren arbeitet die Kampagne „Atomwaffen abschaffen“ gegen die Nuklearpolitik der Bundesregierung und speziell gegen die Bomben in Büchel. Jetzt muss es darum gehen, die Bundesregierung aufzufordern, dem neuen UN-Vertrag zur Ächtung der Atomwaffen beizutreten und die nukleare Teilhabe aufzukündigen.

In drei Tagen, am Nagasaki-Gedenktag, wird die diesjährige Dauerkampagne in Büchel vorerst beendet, mit einer größer angelegten Aktion. Es ist möglich, sich zu beteiligen! Es wird immer wieder direkte Aktionen an der Atomwaffenbasis geben. Beteiligt Euch, wann es Euch möglich ist. Und beteiligt Euch bei der Verbreitung von Informationen in Eurer Umgebung. Verstärkt den Druck auf die Abgeordneten, gerade im bevorstehenden Wahlkampf!

Und solidarisiert Euch mit denen, die wegen Zivilen Ungehorsams gegen die Atomwaffen strafrechtlich verfolgt werden. Immer wieder kommt es zu Prozessen wegen Blockaden, Eindringaktionen, angeblichen Versammlungsrechtsverstößen bis hin zum Vorwurf des Aufrufes zum Geheimnisverrat durch ein Flugblatt.

Informiert Euch über die Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt!“ Ihr findet alles dazu im Internet. Unterzeichnet die Selbstverpflichtung zum Widerstand oder die Solidaritätserklärung zum Widerstand! Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Atombombenaufrüstung!