Grusswort beim „Hiroshima/Nagasaki“-Gedenken am 6. August 2019 in Hamburg

 

- Sperrfrist: 6.8.2019, Redebeginn: 16 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrte Damen und Herren

Frieden kann man nur mit Frieden durchsetzen. Mit Sorge nehmen wir wahr, dass diese Einsicht in unserer Zeit immer mehr in den Hintergrund zu rücken scheint. Das zeigt sich in trauriger Weise in diesen Tagen, wo alte Männer, geblendet von der eigenen Macht, das Sagen haben und in ihrer Überheblichkeit jederzeit einen Krieg auslösen könnten. Wo Staaten meinen mit Mauern, Machtdemonstration und Rüstungsexporten den Frieden sichern zu können. Wo der Vertrag zur atomaren Abrüstung zwischen den USA und Russland nicht mehr gilt und damit ein neues Wettrüsten in Europa bevorzustehen scheint. Wo eine kriegerische Konfrontation an der Straße von Hormus in der Luft liegt, weil Machthaber Dialog und Kompromiss für Schwäche halten.

Die Erinnerung an die schrecklichen Atomwaffenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 erhebt Einspruch gegen die erbarmungslose und menschenfeindliche Logik des Krieges. Ich danke Herrn Richter sehr herzlich, dass er mit dem temporären Hiroshimaplatz und dem Nagasakiplatz ein Kunstwerk geschaffen, dass uns als Passanten die Möglichkeit eröffnet, mit dem tragischen Ereignis des Atombombenabwurfes sinnlich erfahrbar in Berührung zu kommen und auf diese Weise zum Nachdenken angeregt zu werden.

Unsere Gesellschaft braucht solche Kunstprojekte, die wichtige Menschheitserfahrungen wachhalten und dazu führen, dass wir da, wo wir keine eigenen Erinnerungen an bestimmte Ereignisse in der Vergangenheit haben, Menschen, Themen, Geschichten vergegenwärtigen, in ihrer Bedeutung für uns entdecken und sie neu in ein langfristiges kollektives Gedächtnis eintragen können.

Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschheit. Aus dieser Einsicht, die mit dem Gedenken an die Opfer in Hiroshima und Nagasaki verbunden ist, erwächst die Verpflichtung, uns auch heute und bleibend für den Frieden einzusetzen. Er ist ein hohes, kostbares und gar nicht selbstverständliches Gut. Weder im Alltag im Kleinen noch in der großen Weltpolitik. Friede fällt uns nicht einfach in den Schoß. Frieden kann man nur mit Frieden durchsetzen. Das aber ist oft unbequem und erscheint manchen vielleicht auch unrealistisch zu sein. „Um Frieden zu schaffen, braucht es Mut, sehr viel mehr, als um Krieg zu führen“, hat Papst Franziskus gesagt. „Es braucht Mut, um Ja zu sagen zur Begegnung und Nein zur Auseinandersetzung; Ja zum Dialog und Nein zur Gewalt; Ja zur Verhandlung und Nein zu Feindseligkeiten; Ja zur Einhaltung der Abmachung und Nein zur Provokation; Ja zur Aufrichtigkeit und Nein zur Doppelzüngigkeit.“ Ein solche Haltung des Friedens können wir nicht an andere delegieren. Friede hat nur eine Chance, wenn wir den Frieden leben. Wenn wir Nein zum Krieg, nein zur Gewalt sagen. Und: Ja zum Dialog. Ja zum Frieden.

Denn: Frieden kann man nur mit Frieden durchsetzen. Diese Wahrheit hat der evangelische Theologe und Pastor Dietrich Bonhoeffer, dessen Statue von Fritz Fleer hinter uns steht, bereits im Jahr 1934 in großer Klarheit zum Ausdruck gebracht. Auf die Frage: Wie wird Frieden? hat Bonhoeffer geantwortet: „Durch ein System von politischen Verträgen? Durch Investierung internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern? … Oder gar durch eine allseitige friedliche Aufrüstung zum Zweck der Sicherstellung des Friedens? Nein, durch dieses alles aus dem einen Grunde nicht, weil hier überall Friede und Sicherheit verwechselt werden. Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis, und lässt sich nie und nimmer sichern. Friede ist das Gegenteil von Sicherheit. Sicherheit fordern heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg. Sicherheiten suchen heißt sich selber schützen wollen. Friede heißt“, so betont Bonhoeffer, „sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, keine Sicherheit zu wollen, sondern in Glaube und Gehorsam dem allmächtigen Gott die Geschichte der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen.“

Möge die Erinnerung an die schrecklichen Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki durch dieses Kunstprojekt dazu führen, dass viele Menschen guten Willens und verschiedenen Glaubens es wagen, Schritte des Friedens zu gehen, die Angst voreinander zu verlieren und miteinander zu sprechen, fremde Gedanken zu lassen und sich umeinander zu kümmern, und sich für Dialog, Versöhnung und Frieden in dieser Welt einzusetzen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Dr. Jens-Martin Kruse ist Hauptpastor an der Ev. Hauptkirche St. Petri in Hamburg.