Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki- Gedenkveranstaltung am 6. August 2020 in Stuttgart

 

- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 18 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

sie hießen „Little Boy“ und „Fat Man“, die US-Atombomben, die am 6. und 9. August 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden.

Welch ein Zynismus!

Hunderttausende little boys und girls bzw. fat men und women wurden damals innerhalb weniger Minuten oder auch später getötet, Zivilisten, Kinder, Frauen, Unschuldige … sterben bis heute daran.

Eine militärische Notwendigkeit gab es nicht. Japan war militärisch am Ende. Die USA muss sich also den Vorwurf gefallen lassen, dass andere Gründe für den Einsatz entscheidend waren: Der Abwurf der Bomben war auch eine Demonstration der  tärke gegenüber der - noch - alliierten Sowjetunion, mit der sich eine Konfrontation nach Ende des Zweiten Weltkriegs bereits abzeichnete.

Im Friedensvertrag von San Francisco ist festgelegt, dass Japan auf sämtliche Forderungen nach Reparationszahlungen für Kriegsschäden zu verzichten hat. Die USA wurden dadurch von allen Verpflichtungen gegenüber den Überlebenden befreit.

Eigentlich weiß seit 1945 die gesamte Menschheit, dass Atomwaffen niemals zum Einsatz kommen dürfen, dass sie weltweit vernichtet und verboten werden müssen. Trotzdem besitzen mehrere Länder Atomwaffen – allerdings nur ein Land außerhalb seines Territoriums, die USA. Ihre landgestützten Atomwaffen lagern in der Türkei, in Italien, in den Niederlanden, Belgien und in Deutschland, im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz. Befehligt werden sie alle von Stuttgart aus: von der US-Kommandozentrale Eucom in Stuttgart Vaihingen. Der derzeitige Oberbefehlshaber der Nato und Chef vom Eucom, Tod Wolters, hat sich als Befürworter einer flexiblen atomaren Erstschlagsstrategie geoutet. Dabei dürfte klar sein, dass der atomare Zweitschlag – ausgehend von Russland – mit Sicherheit Stuttgart treffen würde.

Bereits vor zehn Jahren hat der Bundestag fraktionsübergreifend den Abzug der US-Atomwaffen beschlossen, bisher ohne Konsequenzen für die Bundesregierung. Im Windschatten der Corona-Pandemie wird von AKK sogar die Anschaffung neuer Atombomber durch die Bundeswehr zusammen mit weiteren Kampfflugzeugen für Gesamtkosten incl. Folgekosten von 100 Mrd. Euro geplant.

Und das, obwohl inzwischen 92 Prozent der Deutschen für das Atomwaffenverbot und 84 Prozent für die Vernichtung aller Atomwaffen sind.

Und das, obwohl immer mehr Menschen in Kurzarbeit sind oder ihre Jobs verlieren und die Armut in unserem Land – nicht nur bei Kindern – zunimmt.

Und das, obwohl das Gesundheitswesen marode ist und nur Applaus statt Finanzmittel bekommt, ganz zu schweigen vom Bildungswesen, von der Wohnungsnot usw. Die NATO, das Kriegsbündnis, zu dessen Gunsten der deutsche Rüstungsetat in die Höhe geschraubt wird, betrachtet sich als atomares Bündnis – die Bundesregierung trägt das entscheidend mit.

Aller ökonomischer und politischer Konkurrenz zwischen imperialistischen Großmächten zum Trotz wird auf die Juniorpartnerschaft mit den USA gesetzt und die nukleare Teilhabe verteidigt. Die in Büchel liegenden Atomwaffen sollen von Bundeswehrpiloten ins Ziel gebracht werden. Das wird permanent geübt.

Die nukleare Teilhabe wurde kürzlich von der SPD-Spitze infrage gestellt. Und den Befürwortern dieser Strategie gehen mehr und mehr die Argumente aus, denn inzwischen besitzen die USA U-Boote mit neuen, „kleinen“ Atomsprengköpfen auf Trident-Raketen. Mit diesen „taktischen“ Atomwaffen wird die Schwelle geringer, einen nuklaren Krieg vom Zaun zu brechen. Diese Atomwaffen können von den USA eingesetzt werden, ohne dass Deutschland oder andere Teilhabestaaten der Nato auch nur das geringste Mitbestimmungsrecht hätten.

Ganz abgesehen von den völkerrechtlichen Bedenken, die auch geltend gemacht werden müssen.

Wir wollen kein Leben mit der Bombe und auch nicht mit der Zentrale, die ihren Einsatz lenkt.

Der geplante US-Truppenabzug kann uns nur recht sein, allerdings ausdrücklich im Sinne von Army go home! Go home – nach Hause, auch nicht nach Polen, wo durch weitere US-Truppen die Nato-Russland-Akte endgültig zerstört werden könnte. Den Rest der US-Truppen plus Atombomben kann Trump gleich mitnehmen!

Die US-Kommandozentralen Eucom und Africom in Stuttgart Vaihingen und Möhringen schließen! Die Betonung liegt auf „schließen“, nicht verlagern!

„Eucom und Africom schließen! Von Stuttgart muss Frieden ausgehen!“ Das waren und sind die Forderungen der Friedensbewegung. Oder auch „Eucom und Africom schließen! Platz schaffen für Wohnungen, Kitas und Kultur statt Kriegsinfrastruktur!“

Jetzt wollen die USA das Eucom nach Mons in Belgien verlegen. Man muss wissen: Dort liegt das Nato-Hauptquartier. Das Africom soll an einen noch nicht festgelegten Ort verlegt werden. Die Freude über freiwerdende Flächen und darüber, dass Stuttgart im Kriegsfall nicht mehr primäres Ziel eines Gegenschlags wäre, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gefahr eines atomaren Massengrabs lediglich verlagert wird.

US-General Tod Wolters, Chef vom Eucom, Nato-Oberbefehlshaber und – wie bereits vorher erwähnt - ausdrücklicher Befürworter einer flexiblen atomaren Erstschlagsstrategie, sagte zu den geplanten Verlagerungen: „Die vom U.S. EUCOM (...) verfolgte Strategie erfordert eine immer schnellere Anpassung der Positionierung und sämtlicher Aktivitäten der US-Truppen in Europa an sich ändernde Gegebenheiten. (...) Wie Verteidigungsminister Esper bereits ausgeführt hat, sollen durch die beabsichtigten Umgruppierungen die Abschreckung Russlands verbessert, die NATO gestärkt und die strategische Flexibilität der US-Streitkräfte und des EUCOM erhöht werden.“

Es geht also im Kern um die Erhöhung der strategischen Flexibilität der US-Streitkräfte durch Zusammenlegung von Nato-Hauptquartier und US-Kommandozentrale, eine weitere Steigerung der Konfrontation mit Russland und womöglich eine Umverlagerung von Kapazitäten gegen die VR China.

Womöglich könnte sich der US-Truppenabzug und die Verlegung der US-Kommandozentralen als Aufrüstungs- und Kriegsvorbereitungsvehikel entpuppen.

Das alles ist noch ziemlich umstritten und als vorläufig zu betrachten vor den Präsidentschaftswahlen in den USA. Wir müssen die Entwicklungen genau beobachten.

Wir fordern mit der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung:

Atomwaffen raus aus unserem Land!

Keine neuen Atombomber!

Raus aus der NATO!

Frieden mit Russland und der VR China!

Einen neuen großen Krieg gegen Russland würde unser Land nicht überleben!

Endlich Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags der Vereinten Nationen durch die Bundesregierung!

Und für Stuttgart möchte ich ergänzen: OB Kuhn hat den ICAN-Städteappell unterschrieben und damit die Bundesregierung dazu aufgefordert, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Das begrüßen wir ausdrücklich.

Wir sind allerdings der Meinung, dass diese Unterschrift verpflichtet und dass er das öffentlich machen muss.

Eine solche Unterschrift fordert Konsequenzen, dass er z.B. wenn der Oberbefehlshaber der Nato und Chef vom Eucom in Stuttgart sich öffentlich als Befürworter einer flexiblen atomaren Erstschlagsstrategie bekennt, dass das nicht sang- und klanglos geduldet wird in unserer Stadt. Da wäre mindestens ein Protest des OB und des ganzen Stuttgarter Gemeinderats fällig gewesen.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

schließen möchte ich mit Martin Luther King, der gesagt hat: „Alle, die den Frieden lieben, müssen lernen, sich genauso zu organisieren wie diejenigen, die den Krieg lieben.“

 

Konni Lopau ist aktiv beim Friedenstreff Cannstatt (Stuttgart)