Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki- Gedenkveranstaltung am 6. August 2020 in Dortmund

 

- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: ca 16.30 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Friedensfreunde,

75 Jahre, das ist eine lange Zeit. Die Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, sind meistens schon gestorben und die Generation, die keinen Krieg kennt, wächst heran. Viele von ihnen wissen nicht, was vor 75 Jahren in Hiroshima und Nagasaki passiert war.

Vor 75 Jahren kam „das Böse vom Himmel herab“ (so Ex-amerikanischer Präsident Barak Obama beim Besuch des Memorialparks in Hiroshima) und das japanische Volk wusste nicht, was das war. Sie nannten das PIKADON, auf Deutsch „Blitz und Donner“. Es wurden  zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen.

Eine einzige Atombombe hat fast ein Viertel der 420.000 Einwohner Hiroshimas in einem einzigen Augenblick ausgelöscht. (122.338*)

In Nagasaki mit 140.000 Einwohnern damals wurde sogar mehr als die Hälfte im Bruchteil einer Sekunde ausgelöscht.  (73.884*)

Bis zum 6. August 2019 wurden insgesamt ca.500.000* Atombombenopfer in Hiroshima und Nagasaki registriert.

Die Atombombenabwürfe vor 75 Jahren sind noch gegenwärtig. Noch heute sterben Atombombenopfer an Krankheiten wie Karzinomen, chronischen Leberschäden, Knochenmarkentzündungen und Blutkrankheiten. So wurde 2019 eine Zunahme von Atombombentoten in Hiroshima 5.068 und in Nagasaki 3.402 verzeichnet- und das nach 74 Jahren!

Ich möchte Ihnen jetzt einen Ausschnitt aus einem Referat** von Dr. Schuntaro Hida vorstellen. (Geb. 1.Jan. 1917, gestorben 20. März 2017)

Er war ein Arzt und arbeitete damals im Militärkrankenhaus in Hiroshima. Was er am 6. August 1945 erlebt hat, wurde ihm ein Schlüsselerlebnis. Seitdem widmete er HIBAKUSHA sein ganzes Leben und setzte sich für die Ächtung von Atomwaffen ein.

Er war am Vorabend des 6. August wegen eines Notrufs im Vorort von Hiroshima, ca. 6km entfernt vom Stadtzentrum.

Er erzählte seine Erlebnisse von damals wie folgt: 

Am nächsten Morgen, 6. August um Viertel nach acht explodierte aus heiterem Himmel die Bombe. Mit einem Schlag leuchteten millionenfache Blitze auf und blendeten mich. Es folgte eine ungeheure Hitze, die meine unbedeckte Haut verbrannte.

Dann, einige Sekunden später, kam der ungeheure Druck, der einem Orkan gleich den Hügel heraufraste und die Häuser in diesem Vorort erfasste. Er riss das Dach des Hauses ab, in dem ich mich befand, und schleuderte mich etwa zehn Meter weit. Als ich aus den Trümmern des Hauses hervorkroch, sah ich den riesigen Atompilz, der höher und höher wuchs, in fünf verschiedenen Farben leuchtete und sich über ganz Hiroshima ausbreitete.

Da ich mich als Militärarzt zum Helfen verpflichtet fühlte, nahm ich sofort mein Fahrrad und fuhr in Richtung zum Stadtzentrum. Als ich etwa die Hälfte des Weges hinter mir hatte, sah ich den ersten Menschen, der aus dem Flammenmeer entflohen war. Und wie er aussah! Er war kein Mensch mehr. Vom Leib, von allen Teilen des Körpers, hingen zerfetzte Lappen herunter, das war nichts anderes als abgelöste Haut. Und das Haupt, der ungeheuer große Kopf, an dem kein einziges Haar zu sehen war, geschwollene Augen, die beiden Lippen, die bis zur Hälfte des Gesichtes aufgedunsen waren! Erschrocken trat ich einige Schritte zurück.

Ich eilte weiter zur Stadt, und gelangte an das Flussufer. Das Flussbett war voll von ausgebrannten Fleischklumpen. Drüben auf dem anderen Ufer loderten die Flammen zum Himmel und, diese umkreisend, stießen Rauchsäulen wie lebende Wesen hoch. Vom Feuer gejagt, sprangen die Menschen ins Wasser. Im Wasser waren auch viele Kinder. Wie sehr auch meine Gedanken mich trieben, es war gar nicht möglich, durch die Feuerwand in die Stadt zu kommen.

(Er ging deswegen zum Ort zurück, aus dem er gekommen war und kümmerte sich um Flüchtlinge dort.)

Bis zum dritten Tag nach dem Atombombenabwurf kamen Menschen mit Verbrennungen. Aber am vierten und fünften Tag, tauchten unter den Patienten merkwürdige Krankheiten auf. Es kamen Patienten mit Symptomen wie hohem Fieber, Blutungen aus Nase und Mund. Sie bluteten sogar aus Augenliedern. Alle rochen faulig aus dem Mund. Wie kann ein Mensch lebendig von innen so verfaulen? Beim Sterben schoss das Blut aus dem After und man verblutete, das war das Ende. Das war die akute Strahlenkrankheit. (Was er damals nicht wusste.)

Der engagierte Arzt kämpfte weiter bis zu seinem Tod 2017 gegen Atomwaffen. Er war fest davon überzeugt, dass der kürzeste Weg zur Abschaffung von Kernwaffen ist, Menschen in aller Welt darüber zu informieren, worin die besondere Grausamkeit dieser menschenvernichtenden Waffen im Unterschied zu konventionellen Waffen besteht.

Es gibt zurzeit 9 Atommächte in der Welt mit insgesamt ca. 15.000 Sprengköpfen. Haben wir immer noch nicht genug davon? Wir müssen jetzt sofort handeln. Wir müssen Atomwaffen stoppen. Wir wollen Atomwaffen ächten!

 

Yoko Schlütermann ist Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft Dortmund.

 

Anmerkungen: