Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2022 in Schorndorf

 

- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 18 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Um es kurz zu fassen: Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg waren die Forderungen nach weltweiter Entspannungspolitik und Abrüstung, gerade auch atomarer Abrüstung, für das Überleben der Menschheit so wichtig wie heute.

Seit Beginn des völkerrechtswidrigen Einmarsches der russischen Armee in die Ukraine haben sich die Spannungen in der Welt immer weiter erhöht. Warum war dieser Einmarsch völkerrechtswidrig? Russland wurde weder von der Ukraine angegriffen, noch gab es einen entsprechenden Beschluss der UNO.

Die Generalversammlung der UNO hat Russlands Überfall auf die Ukraine mit großer Mehrheit verurteilt (141 Staaten befürworteten einen entsprechenden Antrag, 35 (darunter Indien und China) enthielten sich, nur fünf darunter natürlich Russland stimmten mit Nein). Ich persönlich interpretiere dieses Ergebnis so: Die meisten Staaten dieser Welt wollen keine Kriege mehr, erst recht keine völkerrechtswidrigen. In der Frage der Sanktionen sieht das Verhältnis in der Welt allerdings ganz anders aus. Außerhalb der NATO-Staaten werden die Sanktionen nur von Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland unterstützt. Das mag auch damit zusammenhängen, dass nicht nur der Ukraine-Krieg völkerrechtswidrig war, in anderen Fällen aber keinerlei Sanktionen verhängt wurden. 2 Beispiele:

Im Jahr 1999 bombardieren NATO-Truppen unter Einschluss der damaligen Rot-Grünen Bundesregierung 78 Tage lang Serbien. Serbien hatte zuvor kein NATO-Land angegriffen, auch hierzu gab es keinen UNO-Beschluss. Auch diese Bombardierungen waren also völkerrechtswidrig.

Es gab noch dazu in der jüngeren Vergangenheit diverse US-geführte völkerrechtswidrige Kriege der USA. Am schlimmsten war der Krieg der USA 2003 im Irak. In diesem Krieg sind viele hunderttausende Menschen gestorben, manche sprechen gar von einer Million.

Zu Beginn des Krieges in der Ukraine hieß es noch, dass dieser Krieg schnellstmöglich beendet werden muss. Davon ist heute keine Rede mehr. Es zählt scheinbar nur noch die Forderung, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen und die Russen aus der Krim und dem Donbas vertreiben muss. Diese „Strategie“ wird ungeachtet der Tatsache verfolgt, dass Putin seine Atomwaffen in Alarmbereitschaft versetzt hat.

Jens Berger schrieb am 2. August in den NachDenkSeiten: „In der Ukraine tobt ein Krieg, im Kosovo, im Irak und in Bergkarabach fehlt nur ein Funke, um einen Flächenbrand zu entfachen. Anstatt diese Feuer zu löschen, haben die USA nichts Besseres zu tun, als weiter zu zündeln – diesmal beim schwelenden Taiwan-Konflikt, der das Potenzial hat, sich zu einem dritten Weltkrieg zu entwickeln.“

Alle Stimmen der Vernunft werden von unseren Medien und der Politik möglichst umgehend zum Schweigen gebracht. Da hat neulich der Ministerpräsident von Sachsen Kretschmer gefordert, dass der Krieg in der Ukraine eingefroren werden und Verhandlungen geführt werden müsste. Von der Bundes-CDU wurde sofort bekannt gegeben, dass diese Meinung nicht die Meinung der CDU ist, die meisten Medien sahen diese Initiative auch sofort sehr kritisch.

Im Kampf von uns Guten gegen die bösen Russen und Chinesen muss auch der Kampf für den Umweltschutz und gegen den Klimawandel zurückstehen. Plötzlich ist umweltschädliches Fracking-Gas aus den USA besser als per Pipelines geliefertes Gas aus Russland. Die Laufzeiten von Kohlekraftwerken oder Atomkraftwerken werden möglicherweise verlängert. Forderungen werden laut, dass die in Deutschland noch verbotene Fracking-Technologie doch angewendet werden könnte. Der Krieg gegen das vermeintlich Böse in Gestalt des Kremlherrschers Putin ist heute anscheinend wichtiger als der Kampf gegen den Klimawandel.

Mögliche Wege zum Frieden

Vor kurzem wurde zwischen der Ukraine und Russland unter Vermittlung der Türkei und der UNO ein Abkommen beschlossen, dass die Lieferung von Getreide per Schiff in den nahen Osten und nach Afrika möglich macht. Ein Schritt, der womöglich die drohende Hungersnot in vielen Regionen der Welt eindämmen kann.

Ich denke, wir alle haben Angst davor, dass durch irgendeinen Zwischenfall diese Getreidelieferungen wieder ins Stocken kommen könnten. Dieses Abkommen zeigt aber letztlich zweierlei:

Verhandlungen können erfolgreich geführt werden, auch dann, wenn Putin weiterhin Präsident von Russland ist, was von diversen Seiten bestritten wird.

Ein primitives Denken in Kategorien wie Gut und Böse helfen in der gegenwärtigen Situation nicht weiter.

Wie an der Türkei zu sehen: Wenn von dort im Schatten des Ukraine-Krieges kurdische Siedlungen im Norden Syriens bombardiert werden, dann ist das m.E. ebenfalls völkerrechtswidrig. Dennoch sind die Bemühungen für Verhandlungen durch die Türkei im Ukraine-Konflikt positiv zu bewerten, aus welchen Motiven Erdogans sieh auch immer stattfinden.

Auch Deutschland könnte eine Verhandlungsinitiative in der Ukraine starten. Hier wäre m.E. nur ein kleiner Schritt nötig: Deutschland müsste erklären, dass es einem Beitritt der Ukraine in die NATO nicht zustimmen wird. Das ist noch nicht einmal etwas völlig Neues. 2008 gab die damalige Kanzlerin Merkel auf dem NATO-Gipfel in Bukarest bekannt, dass sie gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO sei.

So ein Schritt würde es ermöglichen, dass auch Deutschland eine vermittelnde Rolle in möglichen Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland spielen könnte. Diese würden sicherlich länger andauern und schwierig werden. Auch die Frage der Sicherheit für die Ukraine ohne NATO-Mitgliedschaft müsste dabei geklärt werden. Als zusätzlichen Anreiz könnte Deutschland anbieten, dass mit jedem substanziellen Fortschritt in solchen Verhandlungen die Sanktionen gegenüber Russland weiter gelockert werden könnten. Schritte, die sowohl den Menschen in Russland als auch in Deutschland weiterhelfen würden.

Fazit:

Wenn wir von der Friedensbewegung fordern, dass die Konflikte in der Welt vernünftig nur durch Verhandlungen gelöst werden können und nicht durch immer mehr Waffenlieferungen und Kriegshetze, dann sind wir nicht naiv, sondern einfach nur vernünftig. Deshalb ist es auch wichtig, sich an die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zu erinnern. Das waren übrigens verglichen mit den heute existierenden Atomwaffen sehr kleine Atomwaffen.

Es folgt ein vor langer Zeit geschriebenes Lied von Reinhard Mey in neuerer Version: „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht.“ Dieses Lied wurde auf YouTube mittlerweile über 10 Millionen Mal angeklickt. Wenn nicht bekannt: Aus der Ukraine dürfen bislang zwar Frauen und Kinder flüchten und ausreisen, nicht aber Männer bis zum Alter von 60 Jahren. Sie müssen sich für den Kriegseinsatz bereit halten.

Vielen Dank.