Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 9. August 2024 in Rüsselsheim

 

- Sperrfrist: 9.8., Redebeginn: 15 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freiundinnen und Freunde,

am 6.8.1945 wurden US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen.

Zehntausende Japaner sterben sofort, viele an den Spätfolgen des Abwurfs. Andere leiden ihr Leben lang an den Folgen. Tausendfaches Leid und Elend noch Jahre danach. Japan kapituliert. Der Zweite Weltkrieg ist beendet.

Wir gedenken den Opfern dieses verheerenden Ereignisses.

Wir mahnen im Angesicht dieses Wahnsinns, eines Abwurfs von Atombomben und den schrecklichen Folgen!

Wir fragen nach den damaligen Hintergründen und der Bedeutung für uns heute!

Waren die Abwürfe der Atombomben gerechtfertigt? Dank der Atombombe kapitulierte das imperialistische Japan, Kriegsverbrechen des japanischen Kaiserreichs wurden gestoppt und der Zweite Weltkrieg ging deutlich früher zu Ende. So ist die Lesart in vielen Lexika bis heute dokumentiert. Und davon sind nach wie vor viele Historiker und auch große Teile der US-amerikanischen Öffentlichkeit überzeugt.

Die beiden Atombomben der USA auf Hiroshima und Nagasaki seien aus Sicht von Historikern militärisch nicht notwendig gewesen, sagte der ehemalige ARD-Asien-Korrespondent Klaus Scherer im DLF. Japan habe zwar später kapituliert – aber vor allem aus einem anderen Grund.

War der Abwurf überflüssig, war er unmoralisch? Oder hat er Leben gerettet durch die Verkürzung des Krieges und das Leben tausender US-Soldaten verschont, die sonst Japan mit konventionellen Waffen unter hohen eigenen Verlusten hätten erobern müssen? Wir können die Frage wahrscheinlich nicht abschließend beantworten.

 

Anrede,

Vermutlich stoßen wir hier auf eine sehr grundsätzliche Frage zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik.

Ein rigoroser Gesinnungsethiker orientiert sich an seinen als richtig erkannten Werten, nicht an den Folgen der von ihm in die Wege geleiteten Politik; ein Verantwortungsethiker, der um die Gebrechen der Welt weiß, bewertet sein Handeln hingegen nach den Folgen.

Sind das reine historische Betrachtungen? Nein! Wieder bannt uns ein Krieg. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg des mindestens autoritären Russlands gegen die demokratische Ukraine.

Russland ist Atommacht. Es droht mit Atomwaffen. Vor diesem Hintergrund wird auch bei uns wieder über Aufrüstung auch mit Atomwaffen geredet.

Wir alle wünschen uns, dass Atomwaffen für immer verschwinden. Ist es zu verantworten einseitig auf Atomwaffen zu verzichten? Ist es moralisch zu verantworten Atomwaffen zu besitzen und mit ihrem Einsatz zu drohen?

Welche Rechtfertigung gibt es Atomwaffen zu besitzen? Was hätte der Verzicht auf Atomwaffen für Konsequenzen?

Der Krieg in der Ukraine mit seiner Vorgeschichte gibt uns Hinweise über die Folgen.

Nach der Auflösung der Sowjetunion waren auf dem Territorium der unabhängig gewordenen Ukraine sowjetische Atomwaffen stationiert.

In einem Vertrag erklärte die Ukraine sich bereit, diese Atom-Waffen an Russland abzugeben, gegen die Zusicherung der territorialen Integrität bzw. Souveränität der Ukraine. Die Ukraine hat einseitig auf Atomwaffen verzichtet! Wir wissen heute, was diese Zusicherung der territorialen Souveränität wert war. Hätte Putins Russland die Ukraine angegriffen, wenn sie in Besitz von Atomwaffen gewesen wäre? Hätten mittlerweile tausende Leben in diesem Krieg gerettet werden können? Man muss kein Militärstratege oder Politikwissenschaftler sein, um sich der Atomwaffen-Frage realistisch zu nähern. Es bleibt eine höchstwahrscheinlich sehr bittere Erkenntnis. Das Argument der Abschreckung durch Atomwaffen.

Wie erreichen wir trotzdem den Verzicht auf diese schreckliche Atomwaffe oder besser auf Kriegswaffen überhaupt?

Es können nur kollektive Sicherheitsstrukturen sein und die Durchsetzung von Demokratie weltweit zur friedlichen Konfliktlösung. Im Kleinen funktioniert dies bzw. regional begrenzt. Die Europäische Union ist ein solches Beispiel. Niemand kann sich einen militärischen oder gar atomaren Konflikt zwischen EU-Staaten vorstellen. Jahrhunderte war die Mitte Europas von blutigen Schlachtfeldern durchzogen, auf denen die jeweils neuesten Waffen zum Einsatz kamen. Diese Zeiten sind vorbei. Wir regeln in der EU unsere Konflikte friedlich, mit demokratischen Mitteln. Weltweit sieht dies jedoch anders aus.

Wir registrieren Konfliktherde zum Beispiel im chinesischen Meer mit massiven militärischen Drohungen. Die Atommacht China nutzt ihr Waffenarsenal, um territoriale Ansprüche gegenüber kleineren Nicht-Atomwaffen-Staaten durchzusetzen.

Was wären dort die Folgen ohne die militärische Präsenz der Atommacht USA zum Beispiel für das demokratische Taiwan?

 

Anrede,

Wir sind uns sicherlich einige, dass das Ziel aller politischen Bestrebungen sein muss, auf Atomwaffen zu verzichten.

Auf dem Weg zu diesem Ziel dürfen wir allerdings aus meiner Sicht, die Folgen eines einseitigen Verzichts nicht ausblenden. Realpolitik zeigt uns die harten Konsequenzen.

In Kenntnis dieser Aspekte müssen wir weiter und immer wieder an das Grauen der Folgen des Einsatzes solcher Waffen erinnern.

Das Ziel der Verbannung von Atomwaffen bleibt.

 
Jens Grode ist Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Rüsselsheim.