Redebeitrag für den Ostermarsch in Passau am 8. April 2023

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

es ist schon eine besondere Zeit in welcher wir leben. Wir, die wir für Waffenstillstand, Friedensverhandlungen und Diplomatie sind; wir werden beschimpft und bestenfalls noch ausgelacht. Wer gegen die Militarisierung der Gesellschaft ist, der hat eben die so genannte Zeitenwende nicht verstanden. Selbstverständlich gibt es für uns keinen Zweifel, dass die Ukraine von Putin überfallen wurde und sie jedes Recht hat sich mit allen Mitteln zu verteidigen.  

Dabei wissen wir alle: der Krieg ist nichts anderes als das erlaubt Morden auf Kommando. Und das, liebe Friedensfreunde, ist der Grund warum ich zusammen mit Halo Saibold diesen Ostermarsch organisiert habe. Für mich persönlich gab es dazu zwei Schlüsselerlebnisse:

a) In der Silvesternacht 2023 telefonierten viele Soldaten mit ihren Angehörigen zu Hause. In einer Schule, weit hinter der Front, waren gerade 400 russische Wehrpflichtige angekommen und auch sie nahmen in dieser Nacht Kontakt mit ihren Liebsten auf. Das war allerdings ihr Todesurteil, denn die Funkaufklärung fing die Signale auf und zwei Raketen töteten auf einen Schlag die 400 jungen Männer, so die Erfolgsmeldung der Ukraine. Wie viele Mütter, Väter, Schwestern und Kinder haben jetzt diesen sinnlosen Tod zu beklagen?

b) Das zweite schreckliche Ereignis konnte ich im Fernseher verfolgen. Eine Scharfschützin wurde vom Reporter gefragt, ob sie nicht irgendeinen Skrupel verspüre, wenn sie einen Menschen in zwei Kilometer-Entfernung erschießen würde? Ihre Antwort war: „Natürlich nein, denn ihr wurden diese Empfindungen in der Ausbildung abtrainiert. Sie schieße jetzt nicht auf Menschen, sondern praktisch auf einen bösen Gegenstand.

Wie treffender lässt sich das Ende der Menschlichkeit noch besser ausdrücken? Der Mensch gilt im Krieg als Schädling der vernichtet werden muss und es gilt einzig und allein das Recht des Stärkeren. Wir sind die Guten und die anderen sind die Bösen, so einfach ist das. Gerade wird uns in den Medien jeden Tag der Krieg in der Ukraine vor Augen geführt. Berichtet wird von zerstörten Häusern, Vergewaltigungen, Verschleppungen und Folter. Was wir nicht zu sehen bekommen, ist das Gemetzel auf dem Schlachtfeld, das man sich in etwa so vorstellen kann, wie es in dem preisgekröntem Film „im Westen nichts neues“ zu sehen ist. Wir sind deshalb heute hier um ganz laut zu rufen: Das muss aufhören! Unsere erste Forderung lautet deshalb an Putin: Machen sie sofort einen Waffenstillstand und ziehen sie umgehend ihre Truppen aus der Ukraine zurück!

Dann wäre der Krieg aus, wenngleich damit der Friede noch nicht erreicht wäre. Denn z.B: Egon Bahr sagte schon vor vielen Jahren: „Ohne Russland kann es keinen Frieden geben.“ Wir wissen, der Ukraine-Krieg kam nicht über Nacht, sondern es gab schon im Vorfeld eine schlimmes Wetterleuchten. Nach der friedlichen Auflösung des Warschauer Pakts bot der damalige russische Präsident Gorbatschov eine Entmilitarisierung vom Ural bis zum Atlantik dem Westen an. Dieses Angebot wurde ausgeschlagen und entgegen dem Versprechen wurde die Nato immer weiter nach Osten ausgedehnt. Der amerikanischen Präsidentenberater Breszinski rief 1994 in seinem Buch: „Die einzige Weltmacht“, das amerikanische 21. Jahrhundert aus. Diese neue Weltordnung wurde dann konsequent von den USA im Irak-Krieg und anderen Kriegen mit Gewalt durchgesetzt. Wenn ich so etwas sage, ist das dann russische Propaganda oder aber nur die Wahrheit?

Wir dürfen i.d.Z. die Kriege im Jemen, in Syrien, im Sudan, in Äthiopien nicht vergessen in denen schon Millionen Menschen umgekommen sind. Wir protestieren deshalb auch für diese geschundenen Menschen in der von der Öffentlichkeit vergessenen Kriege mit diesem Ostermarsch in Passau.

Unsere Forderungen an Selensky und vor allem an Putin die Waffen niederzulegen sind, das gebe ich gerne zu, wenig realistisch. Aus diesem Grund richte ich einige Forderungen an unsere Bundesregierung, die ich auch in dem Flyer zur heutigen Demo aufgeschrieben habe:

  1. Forderung
    US-Atomwaffen raus aus Deutschland. Atomwaffen-Verbotsvertrag unterzeichnen.
    Dabei handelt es sich um eine seit Jahrzehnten alte Ostermarschforderung. In Büchel lagern amerikanische Atomraketen über deren Teilhabe an einer Nuklearstrategie wir Deutschen nur träumen dürfen. Befänden wir uns in einem so genannten Ernstfall, dann wäre Büchel wohl ein Ziel für einen Erstschlag. In diesem Zusammenhang muss auch der US-Stützpunkt Ramstein in Deutschland erwähnt werden. Von dort aus werden sämtliche Drohnenangriffe von den USA im Nahen Osten gesteuert. Es wird von über 3.000 Getöteten, darunter viele Zivilisten, gesprochen.
     
  2. Forderung
    Diplomatische Anstrengungen für Abrüstung und weltweite gemeinsame Sicherheit
    Liebe Friedensfreunde, von wem stammte der Satz: „Waffen retten Menschenleben“? Von Donald Trump oder von Außenministerin Baerbock? Wir wissen es besser. Waffen verstümmeln die Menschen, sie reißen ihnen die Gedärme aus dem Leib, sie verbrennen sie, sie treiben Menschen in den Wahnsinn und natürlich töten sie. Deshalb wollen wir Abrüstung und die Pazifisten unter uns wollen sogar das Militär als solches abschaffen. Was wir dringend brauchen ist eine Diplomatie , die auch ihren Namen verdient. Eine Außenministerin die Russland ruinieren will, die Deutschland im Krieg mit Russland sieht, ist keine Diplomatin und sie hat auch die gemeinsame Sicherheit nicht im Sinn.
     
  3. Forderung
    Abrüstung statt Aufrüstung. Nein zur Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 2 % des Bruttosozialprodukts
    Nach einer Aussage von Angela Merkel wurde 2014 das MinskerII-Abkommen nur deshalb unterzeichnet, um der Ukraine Zeit zum Aufrüsten zu verschaffen. Von da an wurde der Krieg mit Waffenlieferungen und Ausbildung vorbereitet. Eine Besonderheit besteht darin, dass erstmals Milliardäre wie Prigoschin und Elon Musk direkt mit ihrem Geld entscheidend in einen Krieg eingreifen. Da will der Staat nicht zurück stehen und umgehend wurden 100 Milliarden neue Schulden für das Militär und eine zusätzliche Wehretaterhöhung von 50  auf dann 80 Milliarden Euro pro Jahr beschlossen. Und spätestens jetzt sind wir bei der Frage: Wem nützt das?
    Ich meine, es hat noch nie ein so sicheres Invest gegeben, als zu Beginn des Krieges Rüstungsaktien zu kaufen. Hätten Sie z.B. Rheinmetallaktien vor einem Jahr um eine Million Euro gekauft, dann hätten sie heute ca. 2,5 Millionen auf ihrem Konto. Auf ähnliche Weise wird mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln Kasse im Krieg gemacht. Ich nenne das Blutgeld. Um ein Beispiel für die irrwitzig hohen Rüstungsausgaben zu nennen: Es sollen jetzt 35 neue F35-Kampfjets von den USA gekauft werden. Der Stückpreis beträgt ungefähr 150 Mill. Euro. Alleine mit diesem Geld von 5,2 Milliarden Euro könnten wir in Deutschland über 20.000 Sozialwohnungen bauen.
     
  4. Forderung     
    Kein Export von Angriffswaffen
    Wir kennen alle die Eskalationsstufen im bisherigen Kriegsverlauf. Zuerst Helme, dann Atillerie, dann Marder, dann Haubitzen, dann Kampfpanzer und jetzt Forderung nach Kampfflugzeugen und Streubomben. Das ist die Todesspirale der Gewalt. Meine Meinung ist, jedes Land muss sich verteidigen können und die Nato soll sie dabei nach Kräften unterstützen. Russland und die Ukraine befinden sich in einem Stellungskrieg. Jede noch effektivere Waffe wird von der Gegenseite gleichwertig nachgerüstet. Die meisten Militärexperten sind deshalb der Ansicht, dass der Krieg von keiner Seite auf dem Schlachtfeld zu gewinnen ist. Die letzte Eskalationsstufe wären biologische, chemische oder atomare Waffen. So weit darf es auf keinen Fall kommen. Deshalb Abrüsten statt Aufrüsten.
     
  5. Forderung
    Keine Bundeswehreinsätze im Ausland
    Im August 2021 zog die Bundeswehr Hals über Kopf aus Afghanistan ab. 20 Jahre Kriegseinsatz, angeblich für die Frauenrechte, gingen damit frustrierend zu Ende. Das ist übrigens ein gutes Beispiel für die Doppelmoral in de Politik. Frauenrechte in Katar und in Saudi Arabien sind so lange egal, so lange wir von dort Gas und Erdöl erhalten. Zur Zeit sind deutsche Soldaten im Niger und in Mali. Die dortige Regierung betrachtet unsere Bundeswehr dort mehr als Besatzungsarmee, denn als Hilfe gegen Aufständische. Trotzdem haben wir im Bundestag, warum auch immer, für eine Verlängerung des Auslandseinsatzes gestimmt. Wahrscheinlich will die Bundesregierung damit die hohle Formulierung „wir übernehmen Verantwortung in der Welt“ unter Beweis stellen.
     
  6. Forderung   
    Sicherheitsgarantien für eine neutrale Ukraine
    Unsere Kernforderungen lauten: Waffenstillstand, Verhandlungen und Abzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten. Wir treten ein für ein Europa des Friedens. Dabei kommt den Vereinten Nationen eine führende Rolle zu. Es braucht den Aufbau eines gemeinsamen Sicherheitssystems vom Atlantik bis zum Ural, das auf Zusammenarbeit und Abrüstung für eine gemeinsame Zukunft beruht.
     
  7. Forderung   
    Aufnahme von Deserteuren aus der Ukraine und aus Russland
    Was passiert mit jenen, die nicht am befohlenen Morden teilnehmen wollen. In der Praxis werden die Hürden für den Erhalt eines Asylstatus in den meisten EU-Ländern sehr hoch angesetzt. In Deutschland z.B. bekommen Wehrdienstverweigerer, die noch keine Einberufung erhalten haben und sich durch Flucht entziehen, kein Asyl. Die ganz unterschiedliche Handhabung von Asylanträgen von Syrern oder Afghanen im Vergleich zu Ukrainern ist rassistisch. Jeder Mensch und jeder Staat hat das Recht, das Morden zu verweigern.
     
  8. Forderung            
    Stopp sämtlicher Wirtschaftssanktionen unter denen die Menschen hierzulande und weltweit leiden.
    Wirtschaftssanktionen haben noch nie einen Krieg beendet.  Am 09. Februar schrieb dazu die New York Times: „Die Sanktionen gegen Russland sind wirkungslos“. Sie schaden in erheblichem Maße in erster Linie der Zivilbevölkerung. Ein fürchterliches Beispiel sind die Sanktionen, welche von den USA nach dem Irak-Krieg verhängt wurden. Die Folge waren mangelnde medizinische Versorgung und Hungersnöte. Auf die Frage an die damalige Außenministerin Madeleine Albrigth: „waren diese Sanktionen den Tod von 500.000 Kindern wert“? anwortete sie kalt; "Yes. Sir. Wer solche Freunde hat , der braucht keine Feinde mehr."
    Es gibt aber auch Sanktionsgewinner. Dazu zählen alle Länder die uns jetzt Flüssiggas und Frakinggas verkaufen können, oder die über einen Umweg das russische Erdöl als ihres verkaufen. Für mich steht fest: Die Sanktionen schaden uns mehr als Russland  und sie treffen vor allem die ärmere Bevölkerungsschicht. Von den geopolitischen Auswirkungen mag ich da noch gar nicht reden.
     
  9. Forderung
    Fluchtursachen bekämpfen, nicht mitverursachen
    Der Ukraine-Krieg hat schlimme Auswirkungen für die Nahrungsmittel- und Energieversorgung besonders in vielen Ländern Ost- und Westafrikas. Seit Jahren bettelt die UNO für 20 Millionen Flüchtlinge um jährlich 2 Milliarden Dollar. Das Geld fehlt aber, weil es für Waffen ausgegeben wird. Jeder Krieg löst Fluchtbewegungen aus und er verursacht auch im Inland erhebliche Kosten. Dann geht es auch um den sozialen Frieden in den Aufnahmeländern, der mehr und mehr in Gefahr gerät. Auf eine weitere Fluchtursache weist auch Papst Franziskus hin, wenn er sagt: „ Unsere Art zu wirtschaften ist mörderisch“. Dem, und seinem Appell für eine Verhandlungslösung, will ich nichts mehr hinzufügen.

Zum Schluss möchte ich noch einige grundsätzliche Anmerkungen machen. Wir lehnen den Krieg als Alternative in der Politik ab. Er bedeutet das Ende der Menschlichkeit. Aber warum gibt es Kriege? Weil wir Angst vor einander haben und weil wir selbst Angst verbreiten. Es gilt: Die Sicherheit ist auch immer die Sicherheit des anderen. Unser Ziel ist die Verständigung und Versöhnung – denn im Krieg gibt es nur Verlierer.

 

 

 

Karl Synek