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Eine Anmerkung vorweg: Chroniken eines Konfliktes sind niemals neutral, sondern jede Konfliktpartei hat ihre eigenen Daten, die sie hervorhebt. Diese Zeittafel hier ist aus der Sicht von westlichen Kritiker*innen der Besatzung Afghanistans verfasst. Mehr Quellen und Informationen zu dem Krieg und den Akteuren und einigen der erwähnten Termine finden sich auf den entsprechenden Seiten.
2001, 11. September: Terroranschlag auf World Trade Center und Pentagon in den USA durch die Entführung von vier Linienmaschinen durch Mitglieder von Al Kaida.
Quellen zum 11. September sind hier gelistet:
Mit der Freigabe eines Kongress-Berichts 2016 und von CIA-Akten 2021 wurde deutlich, was auch vorher schon vermutet wurde, nämlich dass die Attentäter Unterstützung aus („aus“, nicht notwendigerweise „von“) Saudi-Arabien erhalten hatten, ohne dass das die USA dazu brachte, den Status von Saudi-Arabien als Verbündeten im Nahen und Mittleren Osten in Frage zu stellen.
Um den 11. September ranken auch viele Verschwörungstheorien, die von dem Verdacht reichen, dass die US-Geheimdienste informiert waren und die Anschläge geschehen ließen bis hin dazu, dass es „Insider-Jobs“ gewesen seien und das World Trade Center gesprengt worden sei.
Keine Verschwörungstheorie ist, dass es in den USA schon vor dem Terroranschlag Überlegungen gab, Afghanistan anzugreifen.
2001, 12. September: Die NATO tritt zusammen und beschließt den Bündnisfall, der bis heute nicht aufgehoben wurde:
„Der Rat stimmt überein, dass dieser Anschlag, falls festgestellt wird, dass er vom Ausland aus gegen die Vereinigten Staaten verübt wurde, als Handlung im Sinne des Artikels 5 des Washingtoner Vertrags angesehen wird, in dem es heißt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Verbündete in Europa oder Nordamerika als Angriff gegen sie alle angesehen wird.“ (Zitat: Blätter)
Die UN-Sicherheitsratsresolution S/RES/1368 selben Tag verurteilt den Anschlag. Es ist umstritten, ob sie auch einen Angriff auf Afghanistan autorisiert.
2001, 26. September: CIA-Operation „Jawbreaker“ wird entsandt, um afghanische Verbündete beim Sturz der Regierung zu identifizieren und sich das Entsenden einer hohen Zahl an Bodentruppen zu ersparen. Auch britische Geheimdienstler stoßen dazu. Man einigt sich vor allem mit der sog. Nordallianz, geführt von dem Tadjiken Mohammed Fahim und dem Usbeken Abdul Rashid Dostum. Im Süden Afghanistans sichert man sich die Unterstützung u.a. von Hamid Karzai, einem Führer der Paschtunen, die gegen die Taliban kämpften.
2001, 7. Oktober: Angriff der US-geführten Allianz von NATO-Staaten in der Operation Enduring Freedom, zunächst militärisch getragen von den USA und Großbritannien. Die sog. Nordallianz von afghanischen Kämpfern unterstützt den Angriff vom Boden aus und beginnt Ende Oktober, Städte von den Taliban zu erobern.
Von Anfang an warnen Menschenrechtsorganisationen, dass einige der afghanischen Verbündeten aus menschenrechtlicher Sicht höchst problematisch seien und sich in der Zeit des Bürgerkriegs von 1992-1997 zahlreicher Kriegsverbrechen schuldig gemacht hätten.
2001, 27. November – 5. Dezember: Petersberg-Konferenz in Bonn. (Zu den internationalen Konferenzen siehe diese Quellen). Die Petersberger Konferenz wird von den USA organisiert. Als Grundlage dient der Fünf-Punkte-Plan des UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan, Lakhdar Brahimi. Teilnehmende sind neben Vertreter*innen der UN, der USA und weiterer NATO-Staaten, Russland, Iran, Pakistan und Indien sowie verschiedene Politiker aus Afghanistan, die die Gegnerschaft zu den Taliban einte:
2001, 20. Dezember: Der UN-Sicherheitsrat billigt die Entsendung einer International Security Assistance Force (ISAF)-Mission (S/RES/1386 vom 20. Dezember 2001) nach Kapitel VII der UN-Charta („Friedenserzwingung“). ISAF ergänzt Operation Enduring Freedom. Ihre Aufgabe ist die Stabilisierung des Landes. Sie ist zunächst in Kabul und bald auch im Norden Afghanistans im Einsatz.
2001, Dezember: Die Taliban gelten als besiegt.
2001, 22. Dezember: Der Deutsche Bundestag stimmt für eine Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Internationalen Schutztruppe ISAF. Viele Abgeordnete gehen davon aus, dass das Mandat nach sechs Monaten nicht verlängert werden müsse. Tatsächlich wird es bis Ende 2014 immer wieder erneuert und ausgeweitet. Später beteiligt sich Deutschland auch an der OEF.
2001, 22. Dezember: Eine in Bonn bestimmte Übergangsregierung unter Hamed Karzai nimmt ihre Arbeit auf.
2002, Januar: Bundeswehrsoldat*innen treffen in Afghanistan ein.
2002: Nicht erst ab ca. 2005, wie zumeist zu lesen ist, sondern schon 2002 gibt es Berichte über die Zunahme von Kämpfen zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen.
2002, 10.-21. Juni: Eine „Loya Jirga“ (Große Ratsversammlung) bestätigt die Übergangsregierung im Amt.
2003: Die NATO übernimmt den Oberbefehl über die ISAF. (Zuvor war sie von einzelnen Staaten geführt wurden, zuerst Großbritannien.) 42 Länder beteiligen sich an der Mission.
2003, 7. Juni: Erstmals kommen vier Bundeswehrsoldaten in Afghanistan um.
2003, Dezember: Das Bundeswehrmandat wird auf Kundus ausgedehnt.
2004, 4. Januar: Verabschiedung einer neuen Verfassung in Afghanistan.
2004, 31. März und 1. April in Berlin Internationale Afghanistankonferenz.
2004, 9. Oktober: Präsidentschaftswahlen, Karzai wird im Amt bestätigt.
2005: Erneute Zunahme der Kämpfe, Wieder-Erstarken der Taliban
2005, 28. September: Parlaments- und Provinzwahlen. Knapp 2.800 Kandidat*innen bewerben sich um 249 Sitze.
2006, 31 Januar-1. Februar: Internationale Afghanistankonferenz in London
66 Staaten und 15 internationale Organisationen nehmen teil; Vorsitz hatten Tony Blair, Hamid Karzai und Kofi Annan. Es werden verschiedene Vereinbarungen zur Stabilisierung und Entwicklung Afghanistans getroffen.
2006, März: Konferenz der Geldgeber in Paris, wo es um finanzielle Unterstützung des Aufbaus geht.
2006, 1. Juni: Die NATO-geführte ISAF übernimmt den Oberbefehl in Süd- und Südostafghanistan. Die Bundeswehr ist für Nordafghanistan zuständig.
2007, März: Der Bundestag stimmt zu, der ISAF Aufklärungsflugzeuge (AWACS) für Flüge über dem gesamten Land zur Verfügung zu stellen. Im Juli werden Tornados entsandt.
2007, März: Zwei Afghanistankonferenzen finden statt: eine der Shanghai Kooperations-Organisationen in Moskau und danach eine in den Haag unter Beteiligung der NATO-Staaten. Dort wurde vereinbart, das afghanische Militär und die Polizei zu stärken.
2008: Die NATO erklärt, dass mittelfristig die neu aufgestellten und ausgebildeten afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheit im Land garantieren sollen.
2008, Juli: Die Bundeswehr übernimmt die Leitung der „Quick Reaction Force“ von Norwegen.
2008: „Gesetz der nationalen Versöhnung, generellen Amnestie und nationalen Stabilität“ tritt in Kraft. Damit sind alle Warlords amnestiert, auch für Kriegsverbrechen.
2008, 4. November: Barack Obama wird zum neuen Präsidenten der USA gewählt.
2009: Strategiewechsel bei USA und ISAF; es soll mehr in den zivilen Wiederaufbau investiert werden.
Gleichzeitig drastische Zunahme des Drohnenkriegs und Stationierung von 40.000 zusätzlichen Soldat*innen.
Die Taliban sind 2009 in geschätzt 80% des Landes wieder aktiv.
2009, 20. August: Präsidentschaftswahlen. Karzai wird wieder gewählt.
2009, 4. September: Oberst Klein in Kundus ordert einen von den USA geflogenen Angriff auf zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge. Dabei werden vermutlich 135 Menschen, darunter viele Zivilist*innen, die an den liegen gebliebenen Tanklastzügen Benzin abzapften, getötet.
2010, 28 Januar: Internationale Afghanistankonferenz in London, an der mehr als 70 Staaten und internationale Organisationen teilnehmen.
Thema ist ein Plan zur Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit an die afghanischen Behörden.
2010, 18. September: Parlamentswahlen für das Unterhaus in Afghanistan. Ungefähr 2500 Kandidaten, darunter mehr als 400 Frauen, bewerben sich um die 249 Sitze. Nur ungefähr 10 Prozent der Kandidat*innen gehörten einer politischen Partei an.[
2010: Veröffentlichungen durch Wikileaks zeichnen ein kritisches Bild der Besatzung und berichten über Massaker. https://wikileaks.org/ enthält über 345.000 Dokumente, wenn man nach Stichwort „Afghanistan“ sucht.
2011: Die Truppenzahlen der ISAF wachsen kontinuierlich an.
Und genauso wächst die Zahl der terroristischen Anschläge in Afghanistan.
2011, 2. Mai: Osama bin Laden wird in Pakistan durch ein US-Sonderkommando getötet.
2011, 5 Dezember: Internationale Afghanistankonferenz in Bonn. Den Vorsitz hat erstmalig die afghanische Regierung.
Die sog. „Petersberg II“-Konferenz wird von 85 Staaten und 15 internationalen Organisationen plus der UN besucht. Es geht um die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung.
2012, 20.-21. Mai: Die NATO beschließt in Chicago den Rückzug aus Afghanistan bis Ende 2014. Es soll aber eine Nachfolgemission als Ausbildungsmission geben.
Dabei wird in den Regierungen auch ein Plan diskutiert (aber verworfen), das Land in acht Regionen aufzuteilen.
2012, 8. Juli: Internationale Afghanistankonferenz in Tokio. Es geht um die Zeit nach 2014.
2014, 14. Juni: Stichwahlen für afghanische Präsidentschaft. Karzai durfte nicht mehr antreten. Zwei Konkurrenten erklären sich zum Sieger: Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah.
2014, 19. September: Einigung unter Druck der USA zwischen Ghani und Abdullah: Ghani wird Präsident, Abdullah Regierungschef.
2014, 31. Dezember: Das Ende der ISAF.
Die NATO aber bleibt und zwingt die afghanische Regierung mit viel diplomatischem Druck, der fortdauernden Stationierung zuzustimmen.
2015, 1. Januar: Die Mission „Resolute Support“ beginnt.
Gleichzeitig nimmt der Einfluss der Taliban immer weiter zu. 2015 nehmen sie sogar vorübergehend Kundus ein. Und auch die Aufstandsbekämpfung durch die USA geht weiter.
2015: Der Islamische Staat macht sich in Afghanistan bemerkbar.
2016: Bei einer Geldgeber-Konferenz in Brüssel werden 15.2 Milliarden USD für den Zeitraum 2017-20 zugesagt.
2016: Pakistan beginnt mit der Abschiebung von Afghan*innen.
2016, 8. November: Donald Trump wird zum Präsidenten der USA gewählt.
2017, 14. April: Die USA werfen ihre größte nicht-atomare Bombe auf Stellungen des IS in der Provinz Nangahar ab. Die Folgen werden bis heute geheim gehalten.
2017, 6. Juni: Konferenz in Kabul, in dem der sog. Kabul-Prozess gestartet werden soll, der zu Friedensvereinbarungen in dem Land führen soll.
2018, 28. Juli: Die Taliban bestätigen die ersten direkten Gespräche mit der US-Regierung in Doha.
2018, 20. Oktober: Neue Parlamentswahlen in Afghanistan. Es sind bislang die letzten. Die Auszählung zieht sich bis Mai 2019 hin. Erneut gehören die meisten Kandidat*innen keiner politischen Partei an.
2018: Afghanistan löst den Irak als das „tödlichste Land der Erde“ in Bezug auf terroristische Anschläge ab.
2018, November-Dezember: Die USA nehmen Verhandlungen mit den Taliban auf.
2019: Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban machen einen Truppenabzug immer wahrscheinlicher.
Gleichzeitig wird aber heftig weiter gekämpft.
2019, 28. September: Bei den Präsidentschaftswahlen gewinnt Ghani knapp vor Abdullah, der erneut das Wahlergebnis nicht anerkennt. Erst 2020 kommt es zu einer Einigung der beiden.
2019, Dezember: Die Washington Post veröffentlicht die „Afghanistan Papers“, einen 2000-Seiten Bericht mit internen Vermerken zum Krieg aus Regierung und Verwaltung der USA
2020, 29. Februar: Die USA und die Taliban einigen sich nach Gesprächen, die 2018 begonnen hatten und von den USA zwischenzeitlich in 2019 unterbrochen worden waren, in Doha auf einen Truppenabzug. Der soll bis zum Mai 2021 abgeschlossen sein. Die afghanische Regierung ist nicht Teil der Verhandlungen, sondern wird lediglich aufgefordert, ihrerseits mit den Taliban Gespräche aufzunehmen.
2020, 12. September: Die afghanische Regierung und die Taliban treffen sich erstmals zu Gesprächen.
2020, 3. November: Bei den Präsidentschaftswahlen gewinnt der Demokrat Joe Biden gegen den Amtsinhaber Donald Trump.
2020, 23.-24. November: Konferenz der Geldgeber in Genf. 12-14 Milliarden USD werden für den Zeitraum 2021-24 zugesagt; viel weniger als was für erforderlich gehalten wird.
2021, 14. April: Biden verlängert den Termin für den US-Truppenabzug bis zum 9. September 2021.
2021, 15. April: Die NATO beschließt, alle Truppen ab dem 31. Mai aus Afghanistan abzuziehen.
2021,1. Mai: Der Truppenabzug aus Afghanistan beginnt.
2021, Mitte Juni: Die Taliban sind auf dem Vormarsch; Medien und Politiker*innen sagen voraus, dass sie nach dem Abzug der westlichen Truppen wieder die Macht übernehmen werden.
2021, 29. Juni: Die letzten Bundeswehrangehörigen verlassen Afghanistan.
2021, 31. Juli: Die USA fliegen die ersten Ortskräfte aus.
2021, Anfang August: Deutschland will weiter Afghanen abschieben.
2021, 6. August: Die Taliban nehmen eine erste Provinzhauptstadt, Sarandsch, ein. In den nächsten beiden Tagen fallen vier weitere Provinzhauptstädte an sie.
2021, 11. August: Die deutschen Innenminister*innen setzen Abschiebungen nach Afghanistan aus.
2021, 13. August: Die USA und Großbritannien entsenden Truppen, um ihren Abzug abzusichern. Die Taliban haben inzwischen einen Großteil des Landes erobert.
2021, 15. August: Die Taliban nehmen Kabul kampflos ein und bilden eine neue Regierung. Präsident Ghani flieht ist aus dem Land. In den Folgetagen drängen sich Menschen an dem von den USA kontrollierten Flughafen von Kabul, um noch einen rettenden Flieger ins Ausland zu bekommen.
2021, 18. August: Die Bundesregierung beschließt den Einsatz von Bundeswehrsoldaten bei der Evakuierungsmission. Die Bundeswehr fliegt weiter deutsche Staatsangehörige und sog. Ortskräfte aus.
2021, 25. August: Der Bundestag erteilt der Bundeswehr das Mandat, bis Ende September in Afghanistan tätig zu sein.
2021, 26. August: Der Islamische Staat greift den Flughafen an und tötet dabei mindestens 92 Menschen, darunter 13 US-Soldat*innen. Die Bundeswehr beendet ihren Evakuierungseinsatz.
2021, 29. August: Drohnenangriff der USA in Kabul auf ein vermeintlich mit Sprengstoff gefülltes Fahrzeug. Zehn Zivilist*innen werden getötet.
2021, 31. August: Die letzten Truppen verlassen Kabul. Deutschland hat bis zu dem Zeitpunkt lediglich 138 Ortskräfte ausgeflogen.