Textbeitrag für die Trauerfeier für Otfried in der Heiliggeistkirche in Berlin-Kreuzberg am 14.11.2020

 

Lieber Otfried, liebe Trauergemeinde,

Dein Tod hat mich traurig zurück gelassen. Ich wollte Dir doch berichten, wie mein Seminar zum Rückblick auf den Kosovo-Krieg gelaufen ist und das von Dir geliehene Buch zurückgeben. Dazu ist es jetzt zu spät. Aber einen Artikel zum Thema habe ich Dir gewidmet. Er erscheint im Januar im Friedensforum, mit einem abschließenden Zitat von Dir.

Dein Wirken geht weiter, Du bist bei uns, Du bleibst mit Deinem Schaffen für eine Welt ohne Waffen nicht allein.

Aber überraschend war für mich Dein Ableben nicht. Du wusstest, dass Du seit Jahren mit Deiner Gesundheit auf einem schmalen Grat wanderst, Absturz einkalkuliert.

Wenn ich mit Dir über Dein zu hohes Arbeitspensum sprach, erzähltest Du von der Notwendigkeit,

Geld rein holen zu müssen, für Dich, für Dein Institut.

Das hinterlässt bei mir die Frage, warum Dein Schaffen nicht die materielle Anerkennung und Absicherung für Dich erfahren hat.

So viele andere können doch spätestens mit 60 Jahren kürzer treten. Lag es an Deiner Schwäche, kein Teamspieler zu sein? Nee, da gibt es viele andere Macher-Typen, die nicht immer weiter kämpfen mussten wie Du um den schnöden Mammon.

Ich frage mich, warum Du als so landauf landab geschätzter Experte in Fragen der Rüstungskontrolle, der Außen- und Sicherheitspolitik nicht über die Jahre eine stabile institutionelle Unterstützung bekommen hast. Wo doch so viele Beratung bei Dir suchten? Warum hat niemand Teile des Bits-Archiv übernommen? Warum musstest Du es in Finowfurt quasi entsorgen? Schon damals spürte ich, das Dir der Umzug des Archivs körperlich und seelisch arg zusetzt. Und immer bliebst Du hilfsbereit, hast Deinen Ärger runter geschluckt.

Einige Weggefährten blieben Dir treu, verschafften Dir Aufträge, aber potente Institutionen und Personen, die Dein Werk hätten bewahren und aufwerten können, ließen Dich fallen. Für meinen früheren Arbeitgeber kann ich dies behaupten. Du warst denen doch zu unabhängig im Geist, zu unbequem Deine Analysen und Thesen. Man entsorgte Dich – nach und nach - bereits vor 15 Jahren.

Dein geistiges Erbe wird weiterleben. Ich bin gerade über einen Text von Dir gestolpert, den Du im Herbst 2014 geschrieben hast zur Entmachtung des Rechts in der internationalen Politik. Da schreibst Du zum Schluss:

„Wer aber auf das Recht des Stärkeren setzt, darf sich nicht wundern, wenn bestehende Rechtsordnungen aus den Fugen geraten. Als moralischer Wohltäter und Idealist, der die Welt uneigennützig mit der Waffe in der Hand verbessern will, sollte er sich besser nicht gerieren. Er ist es nicht. Er ist vielmehr ein Kriegstreiber, den das übergehängte Mäntelchen des moralisch agierenden Gutmenschen nur notdürftig kaschiert. Ganz gleich, welches Selbstbild er von sich hat.“

 

Lieber Ottfried,

ruhe in Frieden, Du bleibst bei uns!

 

Thomas Handrich, 15.11.20