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Antikriegs-
tag 2004


vom:
31.08.2004


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Antikriegstag 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag am 01. September 2004 in Schweinfurt

Frank Firsching (Schweinfurt)

- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

Bomben töten, Minen verstümmeln, Granaten zerfetzen: Kriege zerstören.

Zerstören Leben, Menschen, Soldaten, Frauen, Kinder, Männer. Der Krieg macht keinen Unterschied.

Deshalb sind wir gegen Kriege, sind gegen das Töten von Menschen. Egal aus welchem Grund.

Deshalb sind Sie heute hier. Dafür danke ich Ihnen.

Wir haben uns an diesem geschichtsträchtigen Tag heute hier versammelt, um unsere Einstellung gegen Kriege, gegen Aufrüstung, gegen Waffenexporte deutlich zu machen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir leben in einer Welt der kriegerischen Auseinandersetzungen, auch wenn wir es hier im Kerneuropa nur aus Fernsehbildern kennen und körperlich nicht betroffen sind.

Weltweit verzeichnen wir heute:

 über 40 gewalttätige Konflikte - 13 davon in Afrika, südlich der Sahara

 500 000 bis 1 Mio. Kriegs- und kriegsbedingte Tote pro Jahr

 Über 20 Mio. Menschen auf der Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen

 300 000 Kinder, die direkt an gewalttätigen Konflikten beteiligt sind

 780 Milliarden US- Dollar Rüstungsausgaben pro Jahr weltweit (zum Vergleich: Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit weltweit ca. 53 Mrd. US- Dollar)

angesichts dieser Tatsachen, fragen wir uns natürlich welche Rolle Europa zukünftig in der Welt spielen wird?

Wird Europa friedliche Konfliktlösungsstrategien weiterentwickeln oder dem militärischen Politikstil der USA folgen, bzw. mit den USA konkurrieren?

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

Hinweise und Antworten auf diese Fragen finden sich im vorliegenden Entwurf der europäischen Verfassung.

Ich möchte mich deshalb hier mit dem vorliegenden Entwurf auseinandersetzen. Es geht darin nämlich nicht nur um die Stimmengewichtung innerhalb der EU. Es geht bei weitem nicht nur um die Finanzierung der EU oder die Sitze im Parlament.

Es geht um die weltpolitische Stellung der EU und es geht um die wirtschaftspolitische Ausrichtung der EU.

Darüber findet hierzulande so gut wie keine öffentliche Debatte statt. Weil sie nicht gewollt ist!

Weder von der Regierung, noch von der Opposition. Deshalb wird es über diese europäische Verfassung auch keine Volksabstimmung geben.

Weil die Debatte über die Inhalte dieser Verfassung nicht erwünscht ist. Weil die langfristigen Auswirkungen dieser Weichenstellungen den Menschen nicht nähergebracht werden sollen.

Würde dies geschehen, bestünde die Gefahr, dass dieser Verfassungsentwurf vom Volk abgelehnt werden könnte.

In meiner Bewertung über diesen Verfassungsentwurf, stimme ich mit dem katholischen Theologen Dietrich Bäuerle überein, des sagt:

"Die Verfassung der EU macht Friedensfreunden keine Freude. Ausführlich werden Aufrüstung und weltweite Militäreinsätze geregelt und dabei noch das Entscheidungsrecht der nationalen Parlamente ausgehebelt. Die Möglichkeit, Konflikte gewaltfrei zu lösen, wird nur am Rande erwähnt."

So schreibt die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU- Verfassung die EU auf ein Militärbündnis fest.

Mehr noch: In Artikel I-40 Abs.3 heißt es (...) "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern(...)". So verpflichtet die Verfassung die Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung.

Die soll von einer europäischen Agentur für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten gefördert und überwacht werden.

Eine Agentur für Rüstung mit Verfassungsrang: Zur Herstellung sozialer Mindeststandards nicht durchsetzbar. Zur Militarisierung Europas von den herrschenden Politikern benötigt.

Das zeigt welche Kräfte und Lobbyisten wie viel Einfluss in Brüssel, genießen.

Doch damit nicht genug. Im Artikel III- 210 Abs 1 heißt es nach der Beschreibung von möglichen Einsätzen:

"Mit all diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet."

Die Entscheidungen über diese Missionen trifft übrigens nicht das gewählte Parlament, sondern der Rat.

Für das komplette Gebiet der "gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" ist nach Art. III- 282 Abs. 1 der europäische Gerichtshof nicht zuständig. Eine verfassungsrechtliche Überprüfung zukünftiger weltweiter EU- Militäraktionen (Kriege) ist folglich nicht möglich!

Auch die nationalen Parlamente können nicht mehr regulativ eingreifen. Obwohl unser Grundgesetz den Einsatz deutscher Streitkräfte nur für den Verteidigungsfall vorsieht.

Wir wollen keine europäische Rüstungsolympiade.

Wir wollen eine Ausrichtung Europas auf eine zivile Friedensmacht. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben mit ihren traditionellen Verbindungen zu einer Vielzahl von Entwicklungsländern eine gute Voraussetzung für eine Politik, die sich nicht an der Logik der USA ausrichtet.

Wenn es richtig ist, dass vier Fünftel der weltweit auftretenden Konflikte aus der unterschiedlichen Verteilung des Reichtums auf der Erde entstehen, dann müssen wir fordern, dass ein erstarkendes Europa seine Entwicklungs- und Handelspolitik eindeutig in den Dienst einer auf Friedenssicherung und zivile Konfliktprävention ausgerichtete Außen- und Sicherheitspolitik stellt.

Bekannte Schlagworte hierzu sind beispielsweise: Entwicklungshilfe, Entschuldung, fairer Handel, damit den Entwicklungsländern Perspektiven gegeben werden.

Diese Ausrichtung auf eine zivile Friedensmacht ist jedoch im EU- Verfassungsentwurf in der sogenannten "gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" nicht erkennbar!

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Nachdem wir zukünftig immer mehr Geld für Auf- und Umrüstung unseres Militärs zur Verfügung stellen müssen- europaweit versteht sich, muss andernorts der Gürtel enger geschnallt werden.

Am besten bei denjenigen, die sich eh keinen Gürtel mehr leisten können. So fällt es womöglich am wenigsten auf, mögen sich Schröder, Fischer, Merkl, Stoiber und Co denken.

Zwar nimmt die Verfassung wie bisher Bezug auf die soziale Marktwirtschaft. Die Gewichtung hin zur freien Marktwirtschaft, zum grenzenlosen Wettbewerb ist unübersehbar. So soll die soziale Marktwirtschaft zusätzlich "in hohem Maße wettbewerbsfähig" sein.

Eine Werteverschiebung zu Lasten einer solidarischen Sicherung und zu Gunsten der Individualisierung der Lebensrisiken.

Ob Hartz I- IV, Riester- Rente, Gesundheitsreform, Steuergeschenke an Konzerne, Reiche und Vermögende, indirekt verlangt die EU- Verfassung den Abbau sozialer Rechte gerade mit der Begründung eben dieser sogenannten "Wettbewerbsfähigkeit".

Dies ist also kein nationales Problem sondern die logische Folge des auf EU- Ebene bereits seit 1957 im EG- Vertrag vorgeschriebenen Weges umfassender Wirtschaftsliberalisierung.

Im Gegensatz zu unserem Grundgesetz, in dem es heißt "Eigentum verpflichtet" wird diese Sozialpflichtigkeit des Eigentums im EU- Verfassungsentwurf aufgegeben.

Es wird ein Grundrecht auf unternehmerische Freiheit gewährt. Ein Recht auf Arbeit, wie bereits in der Weimarer Verfassung beinhaltet, ist nicht vorgesehen.

Über die Fragen ob das Europa der Zukunft ein Militärbündnis sein soll, ob im zukünftigen Europa eine soziale oder freie Marktwirtschaft bestehen soll, über die Frage nach welchen Interessen dieses Europa ausgerichtet wird, sollen die Bürgerinnen und Bürger hierzulande nicht abstimmen.

Wenn die Politiker ernsthaft ein Europa der Bürgerinnen und Bürger errichten wollen, dann ist es unausweichlich die Entscheidung über die Verfassung den Menschen zu überlassen. (Unsere Abstimmungsmöglichkeit hier nutzen!!!)

Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir wollen eine EU- Verfassung. Wir wollen die europäische Einigung.

Wir wollen ein Europa des Friedens. Ein soziales Europa der Bürgerinnen und Bürger.

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

wenn wir in diesen Tagen über Krieg und Frieden reden, dann kommen wir an der aktuellen Situation im Irak und im nahen Osten nicht vorbei. Zwar ist der Krieg im Irak offiziell vorbei, Frieden herrscht aber noch lange nicht in der Krisenregion Nahost.

Im Gegenteil: der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten auf den Irak haben die Lage nicht stabiler gemacht. Terror, Angst und Gewalt beherrschen das Klima im Irak.

Unrecht ist schlechter Boden für die Bildung einer Demokratie. Das sollten sich die USA und ihre Kriegsfreunde merken.

Der Krieg gegen den Irak war und ist völkerrechtswidrig und damit ein Verbrechen. Indem die Bush- Regierung das Recht des Präventivkriegs für sich beansprucht, hat sie das Angriffsverbot der UNO- Charta missachtet und sich über die Regeln des Völkerrechts erhoben.

Damit aber nicht genug.

Der Westen und seine Vormacht haben einmal mehr die ihm in der islamischen Welt entgegengebrachten Ressentiments bestätigt und bestärkt. Damit wurde eine Besorgnis erregende Eigendynamik von Krieg, Besatzung, Widerstand und Vergeltung heraufbeschworen.

Die gesamte Region ist heute noch weniger stabil als vor dem Irak- Krieg, auch wegen der prekären Lage in Palästina.

Wenn man nicht weiß, wie man die Voraussetzungen für Frieden schaffen kann, soll man keine Kriege führen.

Mehr noch: Die entwürdigenden, menschenverachtenden Gewaltexzesse von US amerikanischen Militärs an irakische Kriegsgefangene entzieht dem Ansinnen vollends die Berechtigung, Demokratie mit militärischen Mitteln ins Werk setzen zu wollen.

Was die Bürgerinnen und Bürger Europas von Kriegstreiberei halten, haben sie während des Irak- Kriegs deutlich gemacht.

Auch deshalb darf sich Europa nicht auf die Spuren der USA begeben.

Auch wenn "möchte- gern- Kanzlerin-, und amtierende CDU- Chefin Angelika Merkel am liebsten deutsche Soldaten im Irak sehen würde.

Auch wenn Verteidigungsminister Struck Deutschland am Hindukusch verteidigen will.

Das Friedensgebot ist unantastbar. Frieden ist Norm auf Dauer. Frieden ist Menschenrecht!

So interpretiere ich unser Grundgesetz, das weit mehr vom Frieden hält als die künftige EU- Verfassung.

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

vor zwei Wochen, noch im Urlaub, erhielt ich einen Anruf einer Frankfurter Journalistin.

Sie fragte mich, in Anspielung auf mein Friedensengagement; ob ich jetzt froh sei, da doch die Amerikaner ihre Truppen aus Schweinfurt abziehen würden.

Unabhängig davon, dass über die konkreten Truppenabzugspläne noch nicht entschieden ist, möchte ich zu diesem Thema folgendes sagen:

Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn sich mit dem Truppenabzug hierzulande auch die amerikanische Außenpolitik ändern würde.

Wenn sie auf zivile Konfliktlösung setzen würde und nicht auf völkerrechtswidrige Kriege.

Da sie das nicht tut, zumindest nicht unter einem Präsidenten Georg Walker Bush, habe ich keinen Grund, mich aus friedenspolitischer Sicht zu freuen.

Es ändert sich ja nichts. Amerika bleibt auf Kriegskurs. Egal wo es seine Soldaten stationiert.

Ändern tut sich aber hier einiges. Über 300 Zivilbeschäftigte der Amerikaner verlieren ihren Arbeitsplatz.

Da fordern wir Hilfen, Ersatzarbeitsplätze, Umschulungsprogramme für die Betroffenen. damit sie eben nicht 1.Unverschuldet ihren Job verlieren und dann 2.durch Hartz IV und andere Schweinereien nochmals bestraft werden!

Mit dem Abzug wird ein enormer Kaufkraftverlust für den hiesigen Einzelhandel verbunden sein. Indirekt wird auch das Arbeitplätze kosten, Existenzen gefährden.

Hier wären Projekte und Programme des Staates gefragt. Doch anstatt zu helfen, wird den Menschen die Unterstützung gekürzt.

Folglich brauchen wir nicht den amerikanische Truppenabzug zu beklatschen. Wir würden gerne eine 180

- Änderungen der Außen- und Sicherheitspolitik der USA bejubeln!

Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,

Bomben töten, Minen verstümmeln, Granaten zerfetzen: Kriege zerstören.

Zerstören Leben, Menschen, Soldaten, Frauen, Kinder, Männer. Der Krieg macht keinen Unterschied.

Deshalb sind wir gegen Kriege, sind gegen das Töten von Menschen. Egal aus welchem Grund.

Das ist die Antwort auf die oft gestellte Frage, warum wir uns noch für den Frieden engagieren. Warum wir am Antikriegstag auf die Strasse gehen. Warum es sich lohnt gegen Kriege zu demonstrieren.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


Frank Firsching isr Vorsitzender der DGB-Region Main-Rhön/Schweinfurt.

E-Mail:   schweinfurt@dgb.de
Internet: http://www.region-main-rhoen-schweinfurt.dgb.de


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