Ostermärsche und -aktionen 2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede beim Ostermarsch 2007 in Mainz am 7. April

Abrüstung statt Sozialabbau

Ellen Weber (in Mainz)

Liebe Freunde!

Als Hitlers Wehrmacht am 1. September 1939 in Polen einfiel, wussten die meisten Zeitgenossen nicht, dass dies der Beginn des 2. Weltkrieges war.

Auf den ersten Blick sah es nach einem Regionalkonflikt aus wie zuvor in Spanien, Abessinien, Österreich und der Teschoslowakei. Dass daraus ein Weltkrieg - mit Millionen Toten werden sollte, der mit dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki endete - ahnten nur wenige.

Ich frage mich:

Ist es angesichts dieser schrecklichen historischen Erfahrung verwunderlich, wenn selbst konservative Zeitungen fragen, ob wir jetzt - über die Stationen Jugoslawien/Bosnien, Afghanistan, Irak, Libanon - auf dem Weg zum 3. Weltkrieg sind?

Der UN-Botschafter Israels Dan Gillermann schund der US-Republikaner Newt Gingrich sehen in den gegenwärtigen Kriegen "frühe Stufen eines dritten Weltkrieges".

Der amerikanische Präsident George W. Bush begutachtet die Weltlage begutachtet die Weltlage und hält die Kämpfe im Libanon und die Kriege im Irak und in Afghanistan für Mosaiksteine der globalen Konfrontation.

Und Condoleezza Rice (Bushs Außenministerin) ist sich sicher, dass ein "neuer Naher Osten" entstehen wird - wenn die Regierungen in Damaskus und Teheran beseitigt seien. So wie die Logik dieser Kriegstreiber kennen, heißt das Krieg gegen Syrien und Iran.

Vor dem Beginn des Irakkrieges 2002/2003 konnten wir erleben, wie die neuen Kriege gemacht werden. Der damalige Außenminister der USA Colin Powell hatte vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 100%ige Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak ausgebreitet. Die 100%igen Beweise waren eine Lüge. Es gab keine Massenvernichtungswaffen im Irak.

Bush begann dennoch auf der Spur der Lüge den Krieg am 20. März 2003.

Schon bei den Ostermärschen der vergangenen Jahre betonen wir, dass die Bush-Kriege der Neuordnung der Welt zugunsten des amerikanischen Imperialismus und seiner willigen Kriegsfreunde dienen.

Diese Kriege sind der Kampf um Macht und Öl und Einfluss. Die reichsten Industrienationen der Welt kämpfen gegen die Mehrheit der Menschheit.

Die Kriege bringen nicht Demokratie und Gleichberechtigung. Es bestätigt sich die durch zwei Weltkriege eingehämmerte Lehre der deutschen Geschichte: Krieg und Gewalt lösen keine politischen Fragen. Kriege zerstören, Gewalt vertieft alle Konflikte. Wir solidarisieren uns mit den Antikriegsdemonstrationen in Amerika, in Europa und in Australien die am vierten Jahrestag des Kriegsbeginns gegen den Irak ihre Forderungen erhoben:

Sofortige Beendigung des US-geführten Krieges im Irak!

Verhandlungen ohne Vorbedingungen im Nahen und Mittleren Osten!

Keine Kriegsdrohungen gegen den Iran!

Liebe Freunde!

Es ist noch nicht zu lange her - vor 15 Jahren - da träumte so mancher von uns, dass die Welt nach dem Ende des so bezeichneten Ost/West-Konfliktes in eine Epoche gesicherten Friedens eintreten werde.

Umgekehrt ist es gekommen.

Wir stecken mitten in einer Welt imperialer Kriege. Charakteristisch ist die Eskalation der Gewalt. Unser Land wird von den Regierenden in Berlin immer tiefer in diesen Morast gelenkt - und die Lenker bekommen Doktorhüte.

7817 Bundeswehrsoldaten sind an acht Kriegsschauplätzen im Auslandseinsatz. Mit den neuen Tornadopiloten und ihrem Gefolge steigt die Zahl auf über 8000 Soldaten.

Wir dürfen daran erinnern:

Laut Grundgesetz dient die Bundeswehr der Landesverteidigung. Das heißt:

Wir haben auf den Kriegsschauplätzen der Welt nichts zu suchen. Wir sind auf dem falschen Weg. Niemand greift Deutschland an.

Wir sollen glauben, dass die schrecklichen Konflikte und Bürgerkriege, die Hungersnöte und Flüchtlingsströme, der Terrorismus und der Hass durch Krieg und Gewalt gelöst, eingedämmt oder überwunden werden können. Dabei werden die kommenden Gefahren der Klimakatastrophe noch kaum thematisiert.

Sollen künftig etwa von stigenden Meeresspiegeln vertriebene Menschen mit Zäunen und Panzern aus sicheren aber schon besiedelten Gebieten vertrieben werden?

Sicher ist: Gegen die wirklichen Gefahren dieser Welt sind Armeen untauglich.

Die Bundesregierung ist deshalb äußerst bemüht die Kriegseinsätze umzudeuten und sie als Friedensmissionen daher kommen zu lassen.

"Wehr-" oder "Kriegsminister" Jung hat jüngst auf einem Militärhistorikerkongress den deutschen Soldaten gepriesen. Er sei im Kern noch immer Kämpfer und nicht Sozialarbeiter. Wie kommt es zu dieser Erklärungsnot vor der Generalität?

Wenn Jung von den Theoretikern und Praktikern des Kriegshandwerks spricht, will er den Ruf loswerden eine Truppe zu befehligen, die das Töten erst lernen muss.

Das Bild von der "sanften Truppe" braucht Jung und die Bundesregierung aber, um die Bürger unseres Landes an die neuen Kriege zu gewöhnen. Sie wissen in Berlin, dass wir uns völkerrechtswidrig an Kriegen beteiligen, also heißt der Krieg jetzt Friedensmission.

In Wahrheit geht es darum die Sicherung der Rohstoffquellen und die Seewege dahin militärisch zu kontrollieren. Sie stehen am Hindukusch nicht wegen der verschleierten Frauen und den armen Mohnbauern. Es geht um den deutschen Beitrag zur Aufrechterhaltung der herrschenden kapitalistischen Weltordnung.

Um zu dieser Strategie duldende, beiläufige Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten, wird der ganze Vorrat an sozialverträglichen Erklärungsmustern ausgekippt.

Die Bundeswehr erscheint als bewaffnete Mission des technischen Hilfswerkes.

Soldaten schleppen Sandsäcke bei Hochwasser. Die Bundeswehr baut Schulen und Wasserstellen in Afghanistan. Sie hilft serbischen Müttern im Kosovo. Soldaten sind Sanitäter und Retter. Sie sichern Deiche und helfen bei demokratischen Wahlen.

Es stimmt schon: Rhetorisch haben die Regierungen Kohl, Schröder, Merkel - auch die Ministerpräsidenten Koch und Beck - die Abneigung ihrer Wähler gegen alles militärische gekannt und immer bedient.

Während sie Schritt für Schritt die Kriegseinsätze vorbereiteten, vermieden sie die Worte: Kampfeinsätze, Krieg und Tod. Sie sprachen von Aufklärung und Hilfe.

Die eigentlichen Kriegsgründe, Recourcensicherung und Neuaufteilung der Welt zugunsten des kapitalistischen Imperiums, sollten nachhaltig verscheiert werden.

Wir begrüßen es, dass sich eine wachsende Zahl von Abgeordneten und die Fraktion der Linken im Deutschen Bundestag dem Tornadoeinsatz als Kriegseinsatz widersetzt haben.

Frank Walter Steinmeier hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz um Verständnis darum geworben, dass noch viele Deutsche mit der Einsicht ringen, dass es in der Welt von heute auch militärische Einsätze geben müsse. Schließlich seien die Lehren zweier Weltkriege nicht vergessen. Das heißt der emotionale Horror gegenüber Krieg und Gewalt ist noch nicht nachhaltig ausgelöscht.

Für die Berliner Regierung bedarf es noch weiterhin der Kampagnen, wir stritten für Frauen und Menschenrecht, wenn die Tornados in Kampfeinsätzen über Afghanistan donnern.

Nur ganz vorsichtig via einzelner Presseorgane wird die Sache beim Namen genannt:

Die Deutschen müssen das Töten lernen.

Schließlich sei das Töten der Kernbestandteil des Soldatenberufes. Deshalb ist Systematische Abstumpfung und Verrohung zum Abbau von Hemmnissen Alltagstraining in der Truppe.

Dass dann in Afghanistan mit Totenschädeln vor Kameras posiert wird, dass Folter im Ausbildungscamp als Härtetest gilt, dass brennende Autoreifen und ihr lebensbedrohender Qualm als frontnahe Kampfbedingungen im Manöver simuliert werden - dass alles gehört wieder zu der neuen Rolle des Soldaten, der von seinen verantwortungslosen Regierungen in weltweite Kriegseinsätze geschickt wird.

Wie zerstört, traumatisiert und lebenslang gezeichnet die Menschen aus diesen Kriegseinsätzen heimkommen, das kann hier unweit von Mainz im pfälzischen Landstuhl tagtäglich erlebt werden.

Rund um die Uhr landen Flugzeuge mit Opfern der neuen Kriege. Sie kommen von Kriegsschauplätzen 3500 Kilometer von Bagdad, 5200 Kilometer von Kabul, 6200 Kilometer von Mogadischu und erreichen in Landstuhl das größte Lazarett der US-Armee außerhalb der USA.

Wohlgemerkt: Angeblich sind wir nicht im Krieg. Aber wir stellen Infrastruktur, Flugplätze wie Erbenheim, Lazarettstandorte, Überflugrechte, Tornados, Schiffe und Soldaten (über 8000) für weltweite Kampfeinsätze. Es gibt eine deutsche Front. Wir sind Teil der Schlachtfelder der Bushkriege.

Liebe Ostermarschierer! Liebe Freunde!

Lasst uns bekräftigen, was wir von der Bundesregierung fordern:

Die Einstellung jeglicher Unterstützung des US-Krieges im Irak.

Den Abzug aller deutschen Truppen aus Auslandseinsätzen. Keine Tornados für Kriegseinsätze in Afghanistan und anderswo.

Stopp aller neuen Rüstungsprogramme und Kriegsplanungen in Deutschland.

Liebe Freunde!

Wie Ihr alle wisst, eskalieren zur Zeit noch weitere, neue Rüstungsprojekte. Raketen und Atomwaffen sind nicht nur immer noch - sondern schon wieder - Gegenstand aktueller Kriegsplanung.

Als Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz warnend darauf hinwies, dass entgegen früherer Zusicherungen die USA direkt vor Russlands Haustür Raketen stationieren wollen, verfielen die anwesenden Kriegsminister sofort in Bagatellisierungsrituale:

Polen und Tschechien fänden diese Bushpläne gut, alles diene dem Schutz Europas, souveräne Staaten könnten souveräne Entscheidungen treffen etc.

Die Wahrheit ist anders. Installierte US-Raketen in Polen und Tschechien werden zur weiteren Militarisierung und Aufrüstung des europäischen Kontinents führen. Neue Raketen sind ein Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges.

Sie bedrohen nachhaltig unser aller Leben und vergiften die Atmosphäre unter den Völkern.

Eine neue Rüstungsspirale wird in Gang gesetzt.

Ich sage nachdrücklich: Wir brauchen keinen neuen Raketen. Wir brauchen den Abbau der überall noch vorhandenen Atomwaffen. Auch hier in Rheinland Pfalz an der Mosel lagern noch immer ca. 150 taktische Nuklearwaffen.

Weltweit bedrohen auch heute noch 27.000 Atomsprengköpfe die Menschheit.

Die USA und Russland sind in der Lage innerhalb von Minuten einen nuklearen Angriff zu starten.

Zur Zeit bringen die Atommächte ihre Arsenale auf den neuesten Stand der Technik.

Neue Atomwaffenbesitzer testen die Reichweiten ihrer Raketen.

Drohgebärden aus dem Weißen Haus signalisieren präventive Einsätze aller verfügbaren Waffen einschließlich der nuklearen Sprengsätze im Konfliktfall.

Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode.

Das, liebe Freunde, was wir hier erleben, ist der entfesselte Raubtierkapitalismus, der um des Profites willen die Existenz der Menschheit riskiert.

Wir fordern

Die vollständige atomare Abrüstung!

Die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten!

Den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland!

Den Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz!

Liebe Freunde!

Angesichts der gigantischen Rüstungspolitik, angesichts der eskalierenden Kriege will ich zum Schluss einen Gedanken von Albert Einstein wiederholen.

Er sagte einst:

"Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die den Krieg entfesselten, für den Aufbau einsetzten. Ein Zentel der Energie, die die kriegsführenden Nationen im Krieg verbrauchen, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern.

Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu Essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung neuer Kriege missbraucht werden."

Lasst uns Albert Einsteins Gedanken mit uns auf unseren Ostermarsch nehmen.

Wir fordern:

Kriege beenden statt Kriege vorbereiten.

Spart endlich an der Rüstung.

Abrüstung statt Sozialabbau!



Dr. Ellen Weber ist Mitglied in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).
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