Ostermarsch
2008


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Ostermärsche und -aktionen 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2008 in Bremerhaven am 22. März

Guten Tag, meine Damen und Herren,
liebe Friedensfreunde,

Werner Begoihn (in Bremerhaven)



- Es gilt das gesprochen Wort" -



ich begrüße Sie zur Abschlusskundgebung des diesjährigen Ostermarschs in Bremerhaven.

Wir wiederholen es in jedem Jahr, weil einige es immer noch nicht wissen und es leicht aus dem Gedächtnis verschwinden könnte: Deutschland hat sich seit 1999 an zwei Kriegen als Aggressor beteiligt und unterstützt einen dritten.

Jugoslawien 1999

Jeder, der es wissen will, konnte es inzwischen in Erfahrung bringen: Es gab keine humanitäre Katastrophe, die nur mit einem Krieg beendet werden konnte. Aber statt Wiedergutmachung an Serbien zu leisten, werden die Kriegsfolgen verschlimmert, indem das Kosovo abgetrennt und anerkannt wird. Damit werden Serbien Immobilien, Industrieanlagen und Bodenschätze für seine wirtschaftliche Entwicklung entzogen. Russische Schätzungen gehen von 220 Milliarden Dollar aus.

Wer im Internet zu Kosovo recherchiert, findet, dass das Kosovo eine Drehscheibe des Drogen- und Menschenhandels ist, und dass mutmaßlich darin verwickelte Personen wichtige politische Rollen im frisch anerkannten Kosovo spielen.

Völkerrechtlich ist das Kosovo eine serbische Provinz und es gibt gute Gründe, dass man im Europa nach dem zweiten Weltkrieg auf der Anerkennung aller staatlichen Grenzen bestanden hat.

Und obwohl sich die Bundesregierung beeilt zu betonen, man habe mit der Anerkennung des Kosovo keinen Präzedenzfall schaffen wollen, werden das viele Separatisten in aller Welt anders sehen, z. B. in Kanada, in Spanien, in Frankreich, in Groß Britannien oder gerade in China.

Afghanistan 2001

Weil das menschliche Gedächtnis kurz ist, seien hier noch einmal die proklamierten Kriegsgründe genannt: Die Attentate vom 11. September 2001 waren gerade erfolgt, Osama bin Laden als Planer und seine Organisation Al Kaida als Ausführende benannt, als die US-Regierung die in Afghanistan regierenden Taliban zur bedingungslosen Auslieferung Bin Ladens aufforderten. Weil die aber erst die Stichhaltigkeit der Anschuldigungen prüfen wollten, überfielen die US-Streitkräfte schon mal Afghanistan im Rahmen ihres Kampfes gegen den Terror. Ziel war es, Bin Laden festzunehmen und die Al Kaida zu zerschlagen. Alle anderen Gründe wurden nachgeschoben - sei es die Befreiung der Frauen, die Einschränkung des Drogenanbaus, die Befreiung Afghanistans von der Herrschaft der Taliban.

Ein Afghane, Matin Baraki, der in Deutschland als Professor arbeitet, ist im August 2007 interviewt worden. Ich zitiere aus dem Interview:

Als ich mich im Frühjahr 2007 in Afghanistan aufhielt, war dort die Entsendung der Bundeswehr-"Tornados" das beherrschende politische Thema. Die Afghanen empfinden deren Einsatz im Süden und Osten, wo die US-geführten NATO-Einheiten einen gnadenlosen Krieg führen, als faktische Kriegserklärung an die afghanische Bevölkerung. Dies hat in der Tat das Ansehen Deutschlands beschädigt. Deutschland ist jetzt zur Kriegspartei geworden, mit allen unausweichlichen Folgen. Davor habe ich die deutsche Politik immer gewarnt. ?Frage des Interviewers: Was folgt daraus??

Antwort: Ich rate dem Bundestag dringend davon ab, die betreffenden Mandate zu verlängern. Der Afghanistankonflikt ist militärisch nicht zu lösen; weder den Briten im 19. noch den Sowjets im 20. Jahrhundert ist dies gelungen. Die westlichen Militärs sind diskreditiert, weil täglich unschuldige Zivilisten - Frauen, Kinder und alte Menschen - getötet werden. ??

Frage des Interviewers: Der Afghanistan-Beauftragte der Welthungerhilfe, Theo Riedke, meint, man halte sich bewusst von den Soldaten fern. Das sei sicherer.?

Antwort: Das kann ich verstehen, alles andere wäre Selbstmord. Die NATO-Verbände, vorrangig aber die Amerikaner, bombardieren ganze Ortschaften nur auf den Verdacht hin, dass sich dort ein Widerstandskämpfer der Taleban aufhält. Was die Zahl afghanischer Opfer seit Oktober 2001, also seit Beginn der US-Intervention, betrifft, gehe ich von etwa 50.000 Menschen aus. Den Afghanen wurden seit der Petersberger Konferenz 2001 blühende Landschaften versprochen, bekommen haben sie verbrannte Erde. Mir sagten viele in Kabul: "Wir würden uns zu einem Volksaufstand erheben, gäbe es eine Führung, die den Kampf koordiniert". ?

Soweit Auszüge aus dem Interview, die deutlich machen, wie illusorisch es ist, dem Problem mit Erhöhung der militärischen Präsenz beikommen zu wollen.

Wir fordern deshalb ja auch den bedingungslosen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

Es gibt jemanden, der das ganz anders sieht, er heißt Robert Gates und ist US-Verteidigungsminister. Auf der Münchner Tagung im Februar sagte er u. a.:

Es ist so, wie die NATO-Bündnispartner erst in Sevilla diskutierten: Wenn wir jetzt die notwendigen Schritte ergreifen, wird die Frühlingsoffensive in Afghanistan unsere Offensive - und sie wird dem Feind der gewählten Regierung, die von der überwältigenden Mehrheit der Afghanen gestützt wird, eine heftige Niederlage bereiten.

Soweit seine Worte, in drei Monaten werden wir wissen, was dran war.

Irak 2003

Begonnen hat der Krieg mit der Lüge, der Irak würde über Massenvernichtungswaffen verfügen, die sogar Europa bedrohen könnten. Bekanntlich ist der Krieg, nachdem die Bedrohung als Lüge entlarvt war, trotzdem weitergeführt worden.

Deutschland ist im Irak keine Krieg führende Partei, aber die deutsche Regierung hütet sich wohlweislich, den Überfall auf den Irak als völkerrechtswidrig zu bezeichnen. Dann dürfte sie nämlich keine der unterstützenden Handlungen vornehmen, die wir auf dem Flugblatt benannt haben, sondern müsste im Gegenteil auf eigenem Territorium sogar gegen den Aggressor vorgehen: Beschlagnahme von Kriegsgerät, Verhaftung von Soldaten, Schließung von Stützpunkten und Planungszentren.

Und weil der Irak fast auf den Tag genau vor 5 Jahren überfallen wurde, bietet sich eine kleine Bilanz an:

4.000 getötete US-Soldaten

ca 600.000 zivile Opfer in der irakischen Bevölkerung, nach einer Hochrechnung von Medizinern. (Zeitschrift Lancet)

Erst vor wenigen Wochen flog die US Luftwaffe einen Angriff auf einen Vorort von Bagdad, bei dem 50 t Sprengstoff abgeworfen wurden, so viel, wie die Nazis brauchten, um die Stadt Guernica in Schutt zu verwandeln.

Hier wird sehr deutlich, dass der Krieg genau die Probleme schafft, zu deren Beseitigung er vorgeblich geführt wird.

Deshalb unsere Forderung:

Einstellung der Unterstützungsleistungen für den Irak-Krieg

Trotz der ernüchternden Bilanzen wird versucht die Akzeptanz des Militärischen in der Bevölkerung zu erhöhen und den Verfassungsartikel, der es verbietet die Bundeswehr zu anderen als Verteidigungszwecken einzusetzen, weiter auszuhöhlen.

Auch wenn Kriege friedensschaffende Maßnahmen hoher Intensität genannt werden, rechtfertigt das nicht den Einsatz der Bundeswehr im Ausland, wo zwar möglicherweise deutsche Interessen (Struck) verteidigt werden - wobei zweifelhaft ist, wer sie festlegt - aber sicher wird nicht die territoriale Integrität Deutschlands verteidigt, das ist aber der Verteidigungsbegriff, von dem bei der Schaffung des Grundgesetzes ausgegangen wurde.

Blicken wir also skeptisch auf öffentliche Vereidigungen und Jugendoffiziere in den Schulen und bestehen darauf, dass für polizeiliche Maßnahmen die Polizei herangezogen wird und nicht die Bundeswehr.

Und sehen wir auch auf die Kosten, die Bundeswehreinsätze im Ausland verursachen. Sie könnte man einsparen, ganz im Sinne unserer Forderung:

Verwendung von Steuergeldern für soziale Aufgaben statt für Militärausgaben.

Bevor ich schließe, möchte ich noch einige wenige Worte zu Tibet und Nah-Ost sagen, auch wenn ich dort nicht "Main-stream-Meinung" vertrete.

Bevor 1951 die Mönche, für die der Dalai Lama steht, im Tibet ihre Herrschaft aufgeben mussten, unterdrückten sie die Bevölkerung, die in bitterer Armut leben musste, brutal und genossen ein Luxusleben im Wohlstand. Eine Rückkehr in diesen Zustand dürfte von den Wenigsten in Tibet angestrebt werden, auch wenn vermutlich die Lebensbedingungen in China verglichen mit unseren immer noch als ärmlich bezeichnet werden müssen. Aber der Lebensstandard hängt sicher von der wirtschaftlichen Entwicklung ab und da befindet sich China auf einem guten Weg.

Die Frage, die ich mir stelle, ist vielmehr, warum jetzt versucht wird, China in der öffentlichen Meinung zu diskreditieren - begonnen hat es für mich mit dem offiziellen Empfang des Dalai Lama durch Frau Merkel, weitergehen wird es mit der intensiv geführten Diskussion um einen Olympiaboykott. Die Antwort muss ich noch schuldig bleiben, weil auch ich nicht weiß, was noch kommt.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, zusammenzustellen, wie viele Menschen in Israel und den von Israel besetzten Gebieten leben. Das sind etwa 11 Millionen Menschen, von denen etwa 5,8 Millionen Menschen jüdischen Ursprungs sind und 5,2 Millionen andere - Muslime, Christen, Araber, Beduinen. Wenn man nicht die Idee hat, die Juden dorthin zurückzuverfrachten, woher sie gekommen sind, setzt das voraus, dass diese Menschen sich irgendwie einigen. Dazu gehört, dass Verhandlungen aufgenommen und Gespräche geführt werden. Einer der Gesprächspartner muss sicher Israel sein. Die Existenz Israels nicht anzuerkennen, ist ein Luxus, den sich niemand leisten kann, der in einem Gebiet lebt, das außer zu Israel über keine Handels-, Wirtschafts- und Außenbeziehungen verfügt.

Auf eine Forderung unseres Aufrufs bin ich noch nicht eingegangen, ich denke aber, dass er sich von selbst versteht:

Sofortiger Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland - Abschaffung aller Atomwaffen weltweit.

Mit vorsichtigem Optimismus erfüllt mich die Tatsache, dass wir nicht mehr von einem unmittelbar bevorstehenden Überfall auf den Iran ausgehen müssen.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit, ich beende hiermit unsere Kundgebung und wünsche allen noch einen schönen Tag.

Auf Wiedersehen



Werner Begoihn ist aktive bei Initiative "Mut zum Frieden". Vita siehe hier

E-Mail: werner (Punkt) begoihn (at) t-online (Punkt) de
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