Ostermärsche und -aktionen 2012

update:
10.04.2012


 voriger

 nächster

Ostermärsche und -aktionen 2012

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2012 in Chemnitz am 6. April

Für Verbot und Vernichtung aller Atomwaffen!

Josef Lutz (in Chemnitz)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Liebe Freundinnen und Freunde,

Ich bedanke mich für die Möglichkeit, hier sprechen zu dürfen. Vor wenigen Jahren eröffnete Pfarrer Hans-Jochen Vogel an dieser Stelle den Ostermarsch. Er war mir und bestimmt auch einigen von Euch ein persönlicher Freund. Er hat uns viel zu früh verlassen. Wir denken an ihn, und wir führen sein Anliegen fort.

In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Volumen der Rüstungsgeschäfte im Vergleich zum Zeitraum 2002-2006 um 24 Prozent erhöht. Das teilte das Friedensforschungs-Institut Sipri mit (19.03.12). Mehr als die Hälfte der weltweiten Lieferungen entfällt auf die zwei führenden Rüstungsexporteure USA und Russland. Auf dem dritten Platz folgt Deutschland mit neun Prozent. Die Bundesrepublik exportierte unter anderem U-Boote und Fregatten. Die wichtigsten Absatzmärkte seien Griechenland, Südkorea und Südafrika gewesen. Ja, Griechenland! Mit daher kommt die hohe Verschuldung. Wer hat daran verdient? Und natürlich wollen die Banken die Zinsen für das vorgeschossene Geld haben. Aber da wird viel zu wenig darüber geredet.

Unter den 70 größten Rüstungskonzernen der Welt finden sich 9 deutsche [1]

7- EADS ( Kampf- und Transportflugzeuge, Drohnen usw.)

18- MBDA (Lenkflugkörper, Streumunition)

21- Eurocopter (Hubschrauber)

29- Rheinmetall (Munition)

39- ThyssenKrupp (Fregatten, U-Boote)

42- Krauss-Maffei-Wegmann (Panzer)

46- EADS-Astrium (militärische Satellit)

58- Diehl (Rüstungselektronik)

69- MTU Aero-Engines (Eurofighter Triebwerke)

Noch nicht enthalten sind die Hersteller von Handfeuerwaffen. Der führende Hersteller deutscher Handfeuerwaffen ist die Firma Heckler & Koch, deren Waffen zu den weltweit "beliebtesten" zählen. Und die kürzlich unter der Bewaffnung der Truppen Gaddafis aus Libyen zu finden waren.

Schluss mit den Rüstungsexporten durch Deutschland

Es liegt ja auf der Hand, dass man schlecht Waffen verkaufen kann, wenn man sie selbst nicht einsetzt. Das ist ein Motiv des Kriegseinsatzes der Bundeswehr im Ausland. Das wesentliche ist die Kontrolle der Rohstoffe. Das deutsche Interesse - "Zugang zu Rohstoffen" und "Freihalten der Handels- und Seewege" - wurde bereits in den verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 festgeschrieben [2]. Ich nenne dies Imperialismus.

Die jetzt erfolgte Abschaffung der Wehrpflicht ist für den Frieden kein Fortschritt. Die Bundeswehr wird zur Armee für Auslandseinsätze umgerüstet. Statt bisher 7.000 Soldaten sollen demnächst 15.000 gleichzeitig in Kriegseinsätze geschickt werden. Der Umbauprozess dient nicht dem Frieden, sondern soll die Bundeswehr für den weltweiten Einsatz rüsten.

Der Krieg in Afghanistan verläuft nicht nur für die USA sehr schlecht. Die ausländischen Truppen werden als Besatzungstruppen betrachtet. Sie haben allen Anlass dazu gegeben. Das im März dieses Jahres verübte Massaker in Kandahar war wohl auch nicht eine Einzeltat. Aus den Gesprächen, die die eine Delegation Abgeordneten mit Nachbarn und Familienangehörigen der Opfer geführt hatten, geht hervor, dass eine "laut lachende, anscheinend angetrunkene Soldatengruppe" die zwei benachbarten Dörfer überfiel [3].

Wenn selbst der Präsident von Nato-Gnaden, Hamid Karzai, die Truppen auffordert, doch besser in ihren Stützpunkten zu bleiben, sieht man, wie weit es für sie gekommen ist. Der Krieg in Afghanistan droht schmählich zu enden. Mit dem Hinterlassen einer korrupten Regierung. Je schneller raus, umso besser.

Schluss mit dem Krieg in Afghanistan! Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Wir dürfen nicht die Augen verschließen, dass uns gegenwärtig neue Kriege drohen. Was ich insbesondere meine, ist der drohende Angriff auf den Iran. Es wird bereits offen darüber diskutiert, die iranischen Atomanlagen zu bombardieren. Dies aber käme einer ungeheuren Umweltkatastrophe gleich. Die Bombardierung einer Atomanlage kann gegenüber dem Abwurf einer Atombombe ein Vielfaches an Radioaktivität freisetzen, da das radioaktive Inventar vielfach höher ist [4] [5]. Die Langzeitfolgen für die Bevölkerung sind verheerend, das lehren Hiroshima, Tschernobyl und Fukushima.

Ich kann das Kesseltreiben gegen den Schriftsteller Günther Grass nicht verstehen. Ohne seine Gedanken in jeder Einzelheit zu teilen, kann ich nicht hinnehmen, dass er angegriffen wird, weil er dieses heiße Thema problematisiert hat: Die seitens der Regierung Israels offen vorbereitete Bombardierung des Irans, insbesondere seiner Atomanlagen. Daher möchte ich mich ausdrücklich mit Günther Grass solidarisieren.

Was hat er den gesagt: Was gesagt werden muss:

"Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag, der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir, jenes andere Land beim Namen zu nennen, in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten - ein wachsend nukleares Potential verfügbar aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung zugänglich ist?"

Weil viele von Ihnen wissen, dass ich immer offen gegen Neonazis und gegen jede Form des Rassismus aufgetreten bin. Alle Völker der Welt, alle Menschen haben dieselben Rechte unabhängig von Ihrem Glauben, Ihrer Hautfarbe, ihrer Weltanschauung. Und in der Beziehung bin ich auch dem jüdischen Volk verbunden. Insbesondere seiner Friedensbewegung.

Am Samstag den 24.3. demonstrierten in Tel Aviv rund 1.000 Israelis gegen den geplanten "Präventivschlag" der israelischen Armee auf den Iran und dessen Atomanlagen. Dabei distanzierten sich die Demonstranten von ihrer Regierung. Schon seit einigen Wochen läuft dazu eine von Friedensfreunden initiierte Kampagne über "Facebook". Insgesamt lehnen 32 Prozent der Bevölkerung in Israel einen Angriff auf den Iran grundsätzlich ab [6]

Ich erinnere an dieser Stelle an die Forderung nach einer atomwaffenfreien Zone im mittleren Osten. Im Mai 2010 verlangen die 189 Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags einen atomwaffenfreien Mittleren Osten, nur die USA mit Vorbehalten.

Die erste Initiative hierzu kam interessanterweise aus Israel: Nachdem im Jahre 1957 sechs von sieben Mitglieder der israelischen Atomenergiekommission aus Protest gegen die Nuklearwaffenambitionen der Regierung zurückgetreten waren, gründeten zwei von ihnen das "Committee for Denuclearization of the Arab-Israel Conflict", das 1962 erstmals öffentlich zur Errichtung einer nuklearwaffenfreien Zone in der Region aufrief [7]. Die israelische Regierung hielt jedoch an ihrem Kurs der "bewussten

Zweideutigkeit" fest und äußerte sich ambivalent zum Besitz von Nuklearwaffen. Heute kann als sicher gelten, dass Israel Atomwaffen besitzt.

Ungerecht allerdings an dieser Forderung der Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags ist, dass die Staaten, die Atomwaffen besitzen, nicht gleichzeitig an den Pranger gestellt werden.

Die Ostermärsche sind aus dem Kampf gegen die Atomwaffen entstanden. Und die "zivile" Nutzung der Kernenergie entstand als Begleitprogramm. Von Anfang an war sie mit der militärischen Nutzung verbunden. Das verheerende Unglück von Fukushima hat erneut gezeigt, dass die Kernkraft - auch wenn sie "nur zivil" genutzt wird - voller untragbarer Risiken und nicht beherrschbar ist. Antiatom-Bewegung und Friedensbewegung gehören zusammen

Für die Abschaltung aller Atomkraftwerke weltweit!

Für Verbot und Vernichtung aller Atomwaffen!

Für letzteres hat sich auch Obama in seiner Prager Rede geäußert. Ja, im Reden ist er Meister. Doch die Taten blieben aus. Der Einsatz atomarer Waffen und deren Einsatz bleiben Teil der strategischen Planung der NATO.

Man sollte in Sachsen aber auch derzeit keine Rede zum Frieden halten, ohne über die Taten der sogenannten Zwickauer Terrorzelle zu sprechen. Ist es wirklich richtig, hier die Stadt Zwickau herauszustellen? Diese Bande lebte jahrelang unbehelligt in Chemnitz. Der Beginn ihrer Taten ist in Jena, Thüringen. Aufgebaut wurden sie unter dem Namen Thüringer Heimatschutz, geleitet vom V-Mann Tino Brandt, der dafür vom Verfassungsschutz 200.000 DM erhielt. Sie arbeiteten gedeckt durch den Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutz, Helmut Roewer [8]. Roewer publiziert inzwischen im ultrarechten Grazer Ares-Verlag.

Diese Neonazi-Verbrecher konnten bis zu ihrem Auffliegen 2011 mordend durch die Lande ziehen. Angeblich alles Pannen und schlechte gegenseitige Information der Behörden. Das sollen jetzt Untersuchungsausschüsse beweisen. Ich werde das nicht glauben. Ich möchte ein Zitat bringen:

"Wenn sich jemand über viele Jahre einer intensiven Fahndung entziehen kann, dann genießt er staatlichen Schutz". Ich habe hier nicht etwa einen Verschwörungstheoretiker zitiert, sondern den US-Terrorexperten und CIA Mitarbeiter Bruce Riedel, anlässlich des Endes von Bin Laden. (FASZ 20.11.11)

Und: "Verfolgt man die Spur des Terrors nur lange genug, endet man vor einem geheimen Dienstgebäude", so der FASZ-Redakteur Nils Minkmar in derselben Zeitung.

Wir erinnern uns ferner, dass das NPD-Verbotsverfahren seinerzeit scheiterte, weil sich herausstellte, dass jeder siebte Funktionär der NPD ein V-Mann des Verfassungsschutzes war. Wie soll man was verbieten, was man selbst steuert? Inzwischen ist die Zahl noch gestiegen, laut Focus arbeiten derzeit 130 V-Leute in der NPD.

Der Verfassungsschutz ist unmittelbar Teil des Neonazi-Problems geworden, und daher verlange ich

Auflösung des Inlands-Geheimdiensts Verfassungsschutz!

Endlich Verbot der NPD und aller faschistischen Organisationen!

Weltweit kann ich heute keine friedliche Konfliktlösung erkennen. Ich sehe von den Großmächten geschürte Konflikte, Rassismus und Spaltung. Tatsächlich werden die Zustände untragbar. Alle 6 Minuten stirbt auf der Welt ein Kind an Hunger. Auch das ist Gewalt. Die Zustände sind zu verantworten durch die Großmächte, welche die armen Länder ausplündern.

Ich möchte hier Jutta Ditfurth aus ihrer Rede in Frankfurt am 31.3., auf einer Demonstration, die in den Medien als linksextrem verunglimpft wurde, zitieren [8]:

"Wer dem Elend, das auch aus Deutschland kommt, etwa aus Afrika zu entfliehen sucht, zerschellt an den hochgerüsteten Grenzen Europas. Im "Mittelmeer der Leichen " sind letztes Jahr - allein nach UN-Angaben - 1500 Menschen auf der Flucht ertrunken. In Wahrheit mehr, . Gejagt, bedroht und abgeschoben werden die Flüchtlinge durch die von Deutschland und der EU finanzierte paramilitärische Agentur Frontex.

Jeden dreckigen Krieg nennen sie heute "Menschenrechtsaktion", jede soziale Verelendung verkauft man uns als "Sozialreform".

Der Kapitalismus ist die Krise unseres Lebens. Indem er, wie Marx sagt, die beiden einzigen Springquellen des Reichtums, die menschliche Arbeitskraft und die Natur, für seinen Profit gnadenlos verwertet, beraubt der Kapitalismus sich tendenziell seiner eigenen Grundlage.."

Ich gebe ihr Recht. Der Kapitalismus in seiner heutigen Form, der Herrschaft multinationaler Konzerne, hat die Welt in eine Phase der unkontrollierten eruptiven Entfaltung der Widersprüche zwischen Mensch und Natur gebracht, was das Ausmaß annimmt, dass es die Lebensgrundlage der Menschen unmittelbar gefährdet.

Evo Morales, Präsident Boliviens, sagte beim Umweltgipfel in Mexiko, 2010: Entweder der Kapitalismus stirbt, oder die Mutter Erde.

Jutta Ditfurth weiter in erwähnter Rede: "Wir sind in einem Stadium gesellschaftlicher Entwicklung, in dem alle technischen und wissenschaftlichen Mittel entwickelt sind, um die Welt eine menschenwürdige werden zu lassen, um Humanismus radikal zu verwirklichen. Es sind aber gleichzeitig alle Techniken entwickelt, um die Erde für die Menschen zur Hölle werden zu lassen."

Von den Oberen erwarte ich keine friedliche Konfliktlösung. Wenn sie von Frieden reden, ihren Krieg als "Friedensmission" titulieren lassen, dann um die Bevölkerung zu täuschen. Denn diese will den Frieden.

Im Vertrauen auf die Bevölkerung der Welt sehe ich einzig die Möglichkeit für eine friedliche Zukunft. Und die Tendenz dazu reift. Aufstände, Diktatorendämmerung im Mittelmeerraum: Ben Ali in Tunesien, Mubarak in Ägypten wurden gestürzt von ihren Völkern. Einen ungeheuren Mut bringen die Menschen auf gegen waffenstarrende Diktatoren. Gegen Diktatoren, zu denen man noch vor kurzem, wie zu Gaddafi, Gefangene "zum Verhör" transportier hat. Gegen Assad in Syrien, der ebenfalls im Auftrag von Nato Staaten Gefangene zur Folter angenommen hat. Meine Solidarität gehört allen, die gegen Diktatur und Krieg aufstehen.

Sie gehört der Friedensbewegung in Israel, dem Kampf der Menschen in Griechenland, der Jugendrevolte in Spanien.

Jutta Ditfurth hat in erwähnter Frankfurter Rede über die gegenwärtige Weltordnung das Bild einer Mauer gebraucht. Ich möchte dieses Bild aufgreifen.

Wenn wirklich Frieden kommen soll, dann darf von der alten ungerechten Ordnung kein Stein auf dem anderen bleiben.

Ich danke Euch.



Einige Quellen:



[1]Mehmet Bingöllü, Waffenproduktion und Waffenexport Deutschlands, in: Tagungsband 6. Offene Akademie 2010, http://www.offene-akademie.org/?p=110



[2]http://www.asfrab.de/vpr-1992-verteidigungspolitische-richtlin
ien-1992.html




[3]http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Afghanistan/amok4.
html




[4]http://www.offene-akademie.org/?p=122



[5]http://www.nabu.de/meere/110707_Pazifik-Artikel.pdf



[6]http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/743411/Israeli
s-demonstrieren-gegen-Kriegsplaene




[7]http://www.rolfmuetzenich.de/.../massenvernichtungswaffenfreie
_zone.pdf




[8]http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Roewer



[9]http://www.randzone-online.de/?p=13718 jungeWelt, 02.04.2012




E-Mail: josef (Punkt) lutz (at) etit (Punkt) tu-chemnitz (Punkt) de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

Netzwerk
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Themen   FriedensForum Termine   AktuellesHome