OM 2013

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30.03.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

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Redebeitrag für den Ostermarsch Senne 2013 in Bad Lippspringe am 30. März

Liebe Friedensfreundinnen,
liebe Friedensfreunde,

Hartmut Linne (in Bad Lippspringe)



- Sperrfrist: 30. März, Redebeginn: ca. 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Wie ein warmes Messer die Butter durchdringt das Uranmunition Geschoss den Stahlmantel des Panzers. Im Inneren entzündet sich das auf über 5.000 Grad Celsius erhitzte Uran selbst, ein unsichtbarer, gefährlicher Rauch entsteht. Die Menschen im Panzer sind sofort tot. Der zweite, der dritte, immer mehr Panzer werden getroffen. Colonel Miller ist stolz auf seine Soldaten, die so treffsicher den Gegner ausschalten. Gut, dass er das Schiesstraining auf dem Truppenübungsplatz Senne um einige Wochen verlängert hatte.

Zig Tonnen Uranmunition hat die britische Armee allein im Irakkrieg 2003 im Süden des Landes verschossen. Und diese Munition tötete nicht nur die Panzerbesatzungen: Der bei der Explosion entstehende feine Uranstaub verteilte sich großräumig mit dem Wind. Menschen atmen die Partikel ein oder nehmen sie mit Wasser und Nahrung auf. Im Körper ist Uran ein starkes Gift. Zehn Jahre nach Ende des Irakkrieges werden immer mehr Kinder mit Fehlbildungen geboren. Die vom "Todesstaub" betroffenen Regionen sind wegen der unvorstellbar langen Halbwertzeit (4,47 Milliarden Jahre!) »auf ewig« verseucht.

Szenenwechsel: Im Süden Afghanistans. Lieutenant Smith ist froh, dass alle seine Männer unverletzt aus dem Einsatz zurück sind. Vergangene Nacht hatten sie bei einer Razzia in Kandahar Aufständische angegriffen und getötet. Völlig überrascht waren die Afghanen, als mit Ohren betäubenden Lärm eine Blendgranate in ihrem Haus explodierte. Lieutenant Smith hatte seinen Soldaten einen »dynamischen« Angriff befohlen, gewalttätig und aggressiv. So wie er es ihnen in den Trainingseinheiten in den Senne-Kampfdörfern immer und immer wieder beigebracht hatte: schreien, in jede Tür und in jedes Fenster schießen, Leuchtraketen und Handgranaten in alle Räume werfen. Zufrieden stellt Lieutenant Smith fest: Das Ziel den Feind zu eliminieren und die eigenen Verluste möglichst zu minimieren ist voll erreicht worden.

Der Armee-Bericht am folgenden Tag spricht von rund 15 "Extremisten mit Verbindungen zu den Taliban", die bei der Operation getötet wurden. In den Trümmern des zerstörten Hauses seien nach den Gefechten auch die Leichen zweier Kinder und einer Frau gefunden worden.

Bei diesen beiden Geschichten sind nur die Namen der britischen Offiziere frei erfunden. Die "Lernorte" für das Töten im Irak und in Afghanistan sind real und nicht weit von hier entfernt. Ihr braucht nur zwei Kilometer bis zum Paradeplatz an der Windmühle fahren: Auf dem Gelände dort Richtung Augustdorf werdet ihr die Panzerwracks finden, an denen der Beschuss mit Uranmunition geübt wurde. Mit Übungsmunition - aber: 1986 wurde auf Schiessplätzen in Sardinien sogar mit scharfer Uranmunition geübt - für die gleiche Zeit wird dies auch für die Senne vermutet. Und wenn ihr von hier aus Richtung Staumühle fahrt, werdet ihr eines von fünf Kampfdörfern sehen. Dort übt die britische Armee beinahe täglich den Häuserkampf in Afghanistan. Und auch nachts, wie von Blendgranaten und Leuchtspurmunition um den Schlaf gebrachte Anwohner berichten.

Dass von der Senne Krieg ausgeht - damit muss endlich Schluss sein! Sofortige Einstellung der Kriegsübungen und Abbau der Kampfdörfer!



Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

In der Fernsehreihe "Bilderbuch Deutschland" werden Filme über besondere Regionen in Deutschland gezeigt. Auch über Gebiete, in denen Truppenübungsplätze liegen - wie die Lüneburger Heide, die Colbitz-Letzlinger Heide oder auch die Senne. Panzer durchfurchen die Landschaft und das Wild schaut zu - ist eine beliebte Einstellung in diesen Filmen. Und der Sprecher erzählt: das Militär erhält und schützt die Heidelandschaften. Bilder von seltenen Wildpflanzen vervollständigen den Eindruck des friedlichen Miteinanders von Militär und Natur. Dazu passt, dass noch Anfang dieses Jahres der Bundesumweltminister Altmeier den "hohen Naturschutzstandard, den die Senne wegen der militärischen Nutzung aufweise" betont hat.

Wir reiben uns verwundert die Augen: Militär, das im Afghanistankrieg Menschen tötet oder wie im Irakkrieg ganze Landstriche radioaktiv verseucht, vertauscht also hierzulande die Tarnfarbenuniform mit dem grünen Rock des Naturschützers? Hatten wir doch von Untersuchungen auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken gehört: dort waren in Flüssen erhebliche giftige Rückstände von verschossener Munition gefunden worden. Und der Blick auf Satellitenfotos von der Senne zeigte bei "Google Maps" seltsam weiße und unbewachsene Flächen in den Bereichen von Schießbahnen. Das hat uns keine Ruhe gelassen: Im Mai letzten Jahres haben wir vom Aktionskreis FREIE SENNE zwei Busse gemietet und in der Lokalpresse zu einer Rundfahrt durch die Senne eingeladen. Unter Anleitung des Lippspringer Ratsherrn Krewet sollten Orte aufgesucht werden, an denen Auswirkungen durch das Üben des Militärs in der Senne sichtbar sind. Das Interesse aus der Region war beeindruckend: Beide Busse waren in kurzer Zeit ausgebucht.

Die Ergebnisse der Reisen haben wir in einer aktuellen Sonderausgabe der Zeitung "Unsere Senne"
veröffentlicht. Um nur einige Stationen unserer Erkundung zu erwähnen: Auf den Schießplätzen am Bölke-Stausee - nicht weit von hier - sahen wir an dem durch Geschosse abgesägten Wald, in welch hohem Ausmaß dort mit automatischen Infanteriewaffen/MGs gefeuert wird. Wir fuhren vorbei an asbestverseuchten Baracken, an großen Munitionslagern, an den neuen Kampfdörfern bis zu den weiten Flächen, die als Zielgebiete zum Einsatz von Panzerkanonen und Granatwerfern dienen. Besonders ins Auge fielen die Verwüstungen auf den über zwanzig Schießbahnen: auf den Wällen, die die Geschosse auffangen sollen, wächst kein Gras mehr, seltsam weiß ist ihre Farbe. Bundesweite Untersuchungen von Truppenübungsplätzen zeigen, dass sich auf Schießbahnen ein giftiger Cocktail aus chemischen Rückständen von Gefechtsköpfen und Granaten ablagert: Blei, Hexogen, Octogen, Kupfer, Arsen, Barium, Chrom, Kadmium, Quecksilber, Selen und vieles Üble mehr.

Täglich kommen auf dem Truppenübungsplatz neue Gifte hinzu: Die bei den Übungen in den Kampfdörfern eingesetzte Spezialmunition (Rauchmittel wie Blendgranaten und Signalmunition) setzt große Mengen an Phosphor- und Zinkgemischen frei.

Das Fazit aller Reisenden im Bus: Das militärische Üben in der Senne verursacht einen stetig fortschreitenden Prozess der Naturzerstörung!

Das Militär ist kein "Segen für die Natur". 120 Jahre Truppenübungsplatz haben Schaden genug angerichtet. Es darf keinen weiteren militärischen Missbrauch der Senne mehr geben!



Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

Wir vom Aktionskreis FREIE SENNE stellen fest: Der Abzug der britischen Truppen aus OWL - angekündigt für den Zeitraum 2015-2019 - macht es notwendig, endlich eine ökologische Schadensbilanz der langjährigen militärischen Übungen zu ermitteln. Wir fordern die Militärs und die deutschen Behörden auf, die Öffentlichkeit in vollem Umfang über die Umweltschäden und mögliche Gefährdungen für die Bevölkerung zu unterrichten. Die vergrabenen Altlasten müssen ans Licht gebracht, die Gifte entsorgt, die Verursacher in Verantwortung genommen werden.

Und das jetzt sofort! Dafür müssen wir gemeinsam mit Menschen in den Gemeinden rund um den Truppenübungsplatz Druck aufbauen, sonst wird klein geredet und auf die lange Bank geschoben. "Sollte der Truppenübungsplatz Senne aus der militärischen Nutzung entlassen werden.", so beginnt eine schriftliche Stellungnahme der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BIMA. Zitiert in dem kurzen, aber beeindruckenden Film "Wie verseucht ist der Truppenübungsplatz Senne?", den das WDR-Fernsehen in der Lokalzeit OWL letzte Woche zeigte.

Die militärische Nutzung der Senne wollen Militärfreunde auch nach Abzug der Briten auf ewig fortführen. Eifrig bemühen sie sich Truppen dafür zusammenzustellen: 100 britische Soldaten sollen bleiben, einige Dutzend aus Augustdorf dazukommen und vielleicht gelingt es ihnen noch Soldaten aus Tschechien, Dänemark oder Lettland anzuwerben. Hauptsache die Kriegsübungen und die Naturzerstörungen gehen weiter.

Wir wollen Druck aufbauen und streiten für eine Zukunft der Senne als zivilen Raum, als Terrain des Schutzes für die Natur und des friedlichen Lebens für die Menschen. Obwohl sie die Schäden durch das Militär gesehen hatten, haben die Reisenden unserer Busrundfahrten auch gesagt: "Die Senne ist zu schön und zu wichtig für die Region, als dass wir sie den Militärs überlassen sollten".

Ideen für eine Senne ohne Militär gibt es reichlich:

- Wie wäre es mit "landart"-Kunstprojekten, angeleitet vom Paderborner Bildhauer Hagebölling, der jetzt schon einen bemerkenswerten Skulpturenpark in Sennelager am Rande der Senne aufgebaut hat?

- Wie wäre es mit der Einrichtung von Naturcamps für Jung und Alt in und um die Senne, wie es jetzt schon die Gemeinschaft für Naturschutz Senne und Ostwestfalen-Lippe GNS mit ihrem Umweltbildungszentrum in Augustdorf vormacht?

- Und besonders: Wie wäre es, endlich die Idee eines Nationalparks, die schon sehr konkret in den Köpfen vieler Naturfreundinnen und -freunde besteht, in die Praxis umzusetzen?

Die Senne, eingebettet in die Ferienregion Teutoburger Wald und umgeben von zahlreichen Kurbädern, bietet die Chance, die Gesundheitsregion Ostwestfalen-Lippe noch attraktiver zu machen. Der Ort des heutigen Ostermarsches Bad Lippspringe ist ideal geeignet, das "Tor zum Nationalpark Senne" zu sein. Das wäre doch besser als 2017 die Landesgartenschau NRW unter Kanonendonner durchzuführen.



Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

in einer zukünftigen militärfreien Senne werden einige verfallene Militäranlagen und zerschossene Panzerwracks stehen bleiben - als Erinnerungs- und Mahnmale an die Zeit des militärischen Missbrauchs. Versehen mit Informationstafeln, die auf die Militärgeschichte der Senne verweisen.

Etwas wünsche ich mir besonders: Eine Tafel mit der Überschrift "Und auch nicht anderswo" und mit Hinweisen auf den Widerstand der Initiative OFFENe HEIDe gegen den Bundeswehr-Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger Heide, gegen die geplante Kampfstadt "Schnöggersburg" und das Rheinmetall-Gefechtsübungszentrum.

Auch wenn es gelingt, die Militärs aus der Senne zu verbannen, wird die Welt nicht frei sein von Kriegen. Das Militär wird sich an anderen Orten vorbereiten. Wichtig ist es, die bundesweite Kampagne "Krieg beginnt hier" zu unterstützen. Das Üben für den Krieg in Ländern wie Afghanistan oder Irak darf nicht länger hingenommen werden.

Für eine Senne ohne Militär! Von der Senne soll Frieden ausgehen!

Kein Üben für den Krieg - nirgendwo! Von Deutschland muss Frieden ausgehen!



Hartmut Linne ist aktiv beim Aktionskreis FREIE SENNE. Vita siehe hier

E-Mail: hartmut (Punkt) linne (at) gmx (Punkt) de

Website: www.initiative-gegen-krieg-paderborn.de
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