Redebeitrag von Jürgen Reuter (Friedenszentrum Braunschweig) für den Ostermarsch Braunschweig am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 13 Uhr -

 

Liebe Friedensbewegte,

gut, dass wir heute wieder in BS den Ostermarsch durchgeführt haben, denn die Ostermärsche sind wichtig wie eh und je. Seit 1960 der erste Marsch von Braunschweig nach Bergen-Hohne stattfand wurde er zur jährlichen Tradition der Friedensbewegung. Möglicherweise müssen wir Bergen Hohne beim nächsten Ostermarsch 2018 wieder ansteuern.

Bis Ostermontag wird bundesweit in mehr als 90 Orten für Frieden und eine gerechtere Welt demonstriert.

Die Notwendigkeit dieser Demonstrationen zeigt sich n. m. M. nicht nur an den aktuellen Ereignissen (Syrien, Korea), sondern auch, wenn wir unsere Forderungen vergleichen mit den Positionen und der Strategie der in Deutschland Herrschenden (Kapital und Kabinett) Wo gibt es Übereinstimmungen mit der Mehrheitsmeinung in der deutschen Bevölkerung?

Unsere erst Forderung lautet: Waffenexporte beenden!

Auf die Frage: "Einmal grundsätzlich betrachtet, sollte Deutschland ihrer Meinung nach Waffen und andere Rüstungsgüter in andere Länder verkaufen oder nicht?" antworteten 83 Prozent der Befragten mit "Nein"! Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von TNS Emnid vom 12./13. Januar 2016. Und es ist ein Auftrag an die Bundesregierung, wie er deutlicher nicht sein könnte.

Ablehnung bei Anhängern aller Parteien

Bei der telefonischen Emnid-Umfrage, die im Auftrag der Bundestagsfraktion der Linkspartei erstellt wurde, sprachen sich 76 Prozent der CDU/CSU-Anhänger, 91 Prozent der Anhänger von SPD und Grünen sowie 92 Prozent der Links-Wähler und 88 Prozent der Nichtwähler/innen gegen den Rüstungsexport aus. Allein unter Anhängern der Rechtsaußenpartei AfD ist die Zustimmung zu Waffenausfuhren mit 44 Prozent hoch.

Was tut die Große Koalition?

DPA meldet: „Die deutschen Exporte gingen demnach in den vergangenen fünf Jahren um 36 Prozent zurück. Im Ranking stand Deutschland mit einem Marktanteil von 5,6 Prozent auf Platz 5 der Rüstungsexporte, hinter Frankreich mit 6 Prozent an vierter Stelle.““ (NZZ 21.2.17)

Wenn der Journalist sich die SIPRI-Zahlen genauer angesehen hätte, käme er zu einer gegenteiligen Schlussfolgerung: was sagt das letzte Jahr 2016 über Deutschland aus? Deutschland belegt weltweit Platz 3 nach den USA und Russland und hat seinen Weltmarktanteil von 6,3 auf 9 Prozent erhöht. 2015 war Deutschland noch auf Rang 4. Dank der höchsten Steigerung aller Länder in Höhe von 1,02 Mrd. Dollar ist es wieder auf Platz 3 gehüpft. Zuletzt war es dort im Jahr 2014. Also: Deutschland ist nicht auf Platz 5, sondern auf Platz 3 in der Welt, somit auf Platz 1 in der EU. Es exportiert nicht weniger, sondern mehr Rüstung. (s. Lühr Henken, Treffen des Bundesaus-schusses Friedensratschlag am 5. März 2017 in Kassel)

Dieses Export-Geschäft führt nicht nur zu hohen Profiten bei den Rüstungskonzernen, sondern u.a. auch dazu, dass kurdische Schützlinge der Bundesregierung im Nordirak deutsche Waffen für Angriffe auf die jesidische Minderheit nutzen. (german-foreign-policy, 08.03.2017)

Wir fordern: Kampfdrohnen verbieten!

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat für ihre Drohnen-Pläne nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Nach einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrends sind 64 Prozent gegen die Beschaffung von Kampfdrohnen und nur 30 Prozent dafür. (Handelsblatt 03.07.2014)

Was tut die Große Koalition?

Die gute Nachricht: Sie kommt nicht voran. Das Verteidigungsministerium ist sich mit dem israelischen Hersteller zwar einig, fünf Kampfdrohnen HERON TP für 580 Mio. €.- (NDR, 04.06.2016) zu leasen. Der Vertragsabschluss sollte eigentlich Anfang 2017 erfolgen. Dazu kommt es nicht, denn die Beschwerde des anderen Bewerbers, die US-Firma General Atomics, wird weiter beim Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt. Der US-Konzern war vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden. Der SPIEGEL kommt zu der Schluss-folgerung: „Weil die Verträge komplex sind, kann der Prozess lange dauern, und selbst Optimisten im Ministerium rechnen nicht mehr damit, dass man den Beschaffungsprozess noch vor der Wahl im September durchs Parlament bringen kann.“ (DER SPIEGEL 25.2.17). Also: wir haben noch weiter Zeit Unterschriften zu sammeln.

Das verhinderte Leasing-Geschäft würde schon eingestellte 580 Mio. frei machen für ein dringend benötigtes Bundesinvestitutionsprogramm „Sanierung von Schulen“.

Die Anschaffung von drei (Aufklärungs-)Drohnen vom Typ Triton (1,8 Mrd. €) würde bedeuten, wir müssten auf die kostenfreie Kita-Betreuung für alle Kinder in Deutschland verzichten.

(Merkel in BZ, 13.04.2017: „Wir werden die Kosten in den Blick nehmen, die Eltern für Bildung haben.“)

Unsere dritte Forderung lautet: Für eine atomwaffenfreie Welt!

Nach einer aktuellen FORSA-Umfrage sprechen sich 93% der Deutschen für ein völkerrechtliches Verbot von Atomwaffen aus und 85% befürworten einen Abzug der auf deutschem Boden gelagerten Atomwaffen der USA in Büchel.

Die Oberbürgermeister von Hiroshima und Nagasaki haben sich schon vor 30 Jahren geschworen, dass der atomare Massenmord in ihren Städten von der Menschheit niemals vergessen oder verdrängt werden darf und gründeten die weltweite Organisation „Bürgermeister für den Frieden", der sich inzwischen 6.127 Bürgermeister aus 153 Ländern angeschlossen haben - darunter auch die Bürgermeister von 204 deutschen Städten und Gemeinden (- darunter auch Braunschweig). (Franz Alt, 06. August 2016 in Telepolis)

Die offiziellen UN-Verhandlungen über ein internationales Atomwaffenverbot haben vom 27.03. bis 01.04.2017 in New York stattgefunden. Zur ersten Runde kamen Delegierte von 132 Staaten zusammen. Die teilnehmenden Regierungen sprechen sich eindeutig für ein kategorisches Verbot von Atomwaffen aus: Es besteht quasi-universelles Einvernehmen darüber, dass Lagerung, Einsatz, Besitz, Erwerb, Entwicklung und Produktion dieser Massenvernichtungswaffen verboten sein sollten. (ICAN, 6. April 2017)

(Die Ständige Vertreterin Kubas vor der UNO, Anayansi Rodríguez, bezeichnete am 28.03. das aktuelle Szenarium als inakzeptabel, das von der Existenz von über 15 000 atomaren Sprengköpfen gekennzeichnet ist.)

Was tut die Große Koalition?

Die Gespräche werden von allen Atommächten sowie von fast allen Nato-Staaten – auch Deutschland – boykottiert. Haupthindernis ist die Erstschlagsdoktrin der NATO. Ein Grund für uns Deutsche aus dem Bündnis auszusteigen.

Wir fordern: Nein zur Erhöhung der Rüstungsausgaben!

Sollte Deutschland seine Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren erhöhen?

55 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass Deutschland seine Verteidigungsaus-gaben in den kommenden Jahren nicht erhöhen sollte, 42% waren für eine Erhöhung der Rüstungsausgaben. (Umfrage 2017)

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/676259/umfrage/umfrage-zu-einer-erhoehung-der-verteidigungsausgaben-deutschlands/

Was tut die Große Koalition?

Bild online titelt am 22.02.2017 - 15:15 Uhr „Gabriel gegen starke Erhöhung der Militärausgaben“

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (57, SPD) kritisiert die massive Steigerung der Rüstungsausgaben, die Deutschland im Rahmen der Nato zugesagt hat. … Die Nato-Staaten hatten sich bei ihrem Gipfel 2014 in Wales darauf geeinigt, ihre Militärausgaben binnen zehn Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. Deutschland liegt derzeit bei etwa 1,2 Prozent.

Vier Wochen später erinnerte von der Leyen dagegen ihren Minister-Kollegen in einem "Stern"-Interview daran, "dass er 2014 schon mit in der Regierung saß, und dass damals der sozialdemokratische Außenminister mitunterschrieben hat". Es sei nicht gut, wenn das Gedächtnis einer Regierung so kurz sei, dass sie nach drei Jahren nicht mehr zu ihrem Wort stehe. (Reuters 22.03.2017)

Russland kürzt Militärausgaben

Für das Militär gibt Russland seit längerer Zeit wieder deutlich weniger Geld aus. … Der Verteidigungshaushalt für das laufende Jahr wird gekürzt. Die zusammen mit dem schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri in Fragen von Verteidigungsausgaben weltweit führende Londoner Denkfabrik IISS bezifferte das Budget für 2017 am Freitag mit 2,84 Billionen Rubel. Das wären knapp zehn Prozent weniger als 2016. (FAZ, 24.03.2017)

[Vorsicht Satire: Am gleichen Tag meldete dpo: „Die Erhöhung des russischen Militärbudgets um -7 Prozent von 3,07 Billionen Rubel auf 2,84 Billionen Rubel (ca. 47 Milliarden US-Dollar) zeigt einmal mehr, warum wir die NATO brauchen", so NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Dennoch müssen wir jetzt besonnen bleiben und dürfen uns keinesfalls auf ein Wettabrüsten mit Putin einlassen."

Am vereinbarten 2-Prozent-Ziel, bei dessen Erfüllung der deutsche Militäretat allein auf umgerechnet 65 Milliarden US-Dollar (18% des Bundeshaushaltes) ansteigen würde, wolle man daher trotz der erneuten Provokation aus Moskau festhalten. (Quelle: Der Postillon)]

Eine 10%ige Senkung unseres Militärhaushalts würde ca. 4 Mrd. € bedeuten, was für für 81.000 neue Stellen im Gesundheitsdienst reichen würde.

Wir wollen: Frieden fördern und Sozialabbau beenden!

Wie jedes Jahr legt der Paritätische Wohlfahrtsverband auch 2017 – zusammen mit sieben anderen Organisationen wie Pro Asyl, Deutsches Kinderhilfswerk, BAG Wohnungslosenhilfe usw. – seinen Armutsbericht vor. Der Analyse zugrunde liegt der so genannte Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, eine ausführliche und repräsentative Umfrage zu den Lebensverhältnissen der Bevölkerung. Danach nimmt die Armut in Deutschland zu. Es leben mehr als zwei Millionen Minderjährige hierzulande in Armut. 15,7 % der Deutschen sind arm: 12,9 Millionen Menschen. Armut und Ungleichheit breiten sich aus. Besonders betroffen sind die Rentnerinnen und Rentner. Ihre Armutsquote stieg von 10,7 % (2005) auf 15,9 % (2015). Wer arm ist, wird noch ärmer – dafür stirbt er früher. (Quelle: Der Paritätische Gesamtverband: Menschenwürde ist Menschenrecht. Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2017)

Vergleicht man die kaufkraftbereinigte Rente, die ein Versicherter nach 35 Beitragsjahren mit Durchschnittslohn im Jahr 2000 erhalten hat mit der Summe, die er bei gleichen Bedingungen heute erhält, haben wir ein reales Rentenminus von 34 %!!! Man müsste heute 20 Prozent vom Lohn in die Zusatzvorsorge stecken, um die Rentenkürzungen auszugleichen. (NachDenkSeiten, S. 1 / 3 - 06.04.2017)

„Arbeitslosigkeit zählt zu den größten Gesundheitsrisiken: Sie macht krank … Männlichen Arbeitslosen geht es im Alter von 45 Jahren gesundheitlich so, wie Männern in sicheren Beschäftigungsverhältnissen bei Renteneintritt“ (S. 41).

Demzufolge beträgt die Lebenserwartung armer Männer 70 Jahre, die der reichen aber 81 Jahre (Frauen: 77 bzw. 85 Jahre). (Quelle: Der Paritätische Gesamtverband: Menschenwürde ist Menschenrecht. Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2017)

Was tut die Große Koalition?

Gabriel – Keine Kürzung von Sozialausgaben mit uns

Natürlich müsse Deutschland in Sachen Verteidigung mehr tun, sagte Gabriel. … "Was es auf gar keinen Fall mit der SPD geben wird, ist Sozialausgaben zu kürzen, um Verteidi-gungsausgaben zu erhöhen", betonte Gabriel. "Dieser Vorschlag aus der CDU, der ist so absurd, dass man sich wundert, dass der überhaupt gemacht wurde." Ein solches Vorgehen bedeute sozialen Sprengstoff. "Diese Art von Finanzierung zeigt schon, dass auch auf der Unionsseite es schwer ist, darzustellen, wie man eigentlich diese 25, 30 Milliarden zusätzlich (...) finanzieren soll."

Von der Leyen dagegen beharrt auf der Erfüllung der Zwei-Prozent-Zusage. "Wir Deutsche sind ja allgemein bekannt dafür, dass wir gerne international darauf pochen, dass Regeln eingehalten werden", erklärte sie. "Es würde doch niemand verstehen, dass ein Land, das wirtschaftlich so glänzend dasteht wie Deutschland, in diesem Fall sagt: Wir können es nicht schaffen." (Reuters, 22. Februar 2017)

Gabriel braucht nicht mehr kürzen, schließlich funktioniert die Agenda 2010 von Rot-Grün (s.o.).

Zugleich verfällt in Deutschland die öffentliche Infrastruktur wie Schulen, Bahnstrecken und Straßen, Sportstätten und Bildungseinrichtungen, weil die sogenannte Schuldenbremse wirkt - außer bei Militärausgaben.

„Wenn man eine relativ kleine Gruppe von Leuten, sagen wir die oberen fünf Prozent, so unerträglich reich macht und die Masse der Menschen gleichzeitig in einen Abwärtstrend bringt, der ihnen Angst macht, wird es eine politische Explosion geben“, so Richard D. Wolff, Ökonom, Prof. em. an der University of Massachusetts, Amherst. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer, Lohndrückerei und der Abbau des Wohlfahrtsstaates haben eine strukturelle Krise des Kapitalismus und zugleich eine politische Krise geschaffen. Die Arbeiterschaft sei verunsichert und „alarmiert“. „Die Reichen“, so Wolff weiter, „haben das politische System gekauft und es von jedem demokratischen Fundament gelöst.“ Die Wut der Arbeiter habe entscheidend zu den Rechtstendenzen in Deutschland, zum Aufstieg des Front National in Frankreich, zum Brexit und zum Wahlsieg Donald Trumps beigetragen. (Quelle: Kontext TV, 07.03.2017)

Wir brauchen keine Aufrüstung, sondern den Bruch mit der Agenda 2010.

Wenn wir uns jetzt auf den Weg machen würden, die nicht demokratisch zustande gekom-mene Entscheidung, einem Bündnis anzugehören, das in erster Linie nicht mehr Verteidi-gungsbündnis, sondern militärisches Interventionsbündnis ist, zu korrigieren, dann ist das keine radikale Tat, sondern eher eine Selbstverständlichkeit. (Albrecht Müller, NachDenkSeiten 5 / 5 - 22.03.2017)

Fazit: Die Forderungen der Friedensbewegung werden von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung geteilt. Die Ostermärsche repräsentieren die Mehrheitsmeinungen der Bevölkerung in Deutschland. In der Außen- und Sicherheitspolitik handelt die Große Koalition gegen die Bevölkerungsmehrheit, gegen die Forderungen der Friedensbewegung.

(Wir sollten darüber mit dem neuen Bundespräsidenten sprechen. (s. Interview mit Steinmeier BZ 15.04.2017)

Diese Widersprüche bestehen seit Jahrzehnten. Welche Lösungen schlägt die Große Koalition aktuell vor?

Unter dem Motto „Neue Macht, neue Verantwortung“ nimmt die Bundesregierung Kurs auf einen Status als Weltmacht. Das Ziel: Die „ungehinderte Nutzung globaler Informations-, Kommunikations-, Versorgungs-, Transport- und Handelslinien“ sowie eine „gesicherte Rohstoff- und Energiezufuhr“. Im Klartext: Krieg und Aufrüstung für die Profite der Wirtschaft.

Ein Beispiel für diese Strategie ist der US-Angriff auf Syrien

Am 10.04.2017 veröffentlichte die BZ eine Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“. Gefragt wurde: „Finden Sie den US-Angriff auf Syrien richtig?“

59 % Sagen Nein, 26 % Ja, 15 % Weiß nicht.

„80 Prozent sind demnach der Meinung, dass der Angriff eine einmalige Aktion der USA bleiben sollte. Nur neun Prozent sind für weitere Luftschläge.

Fast jeder zweite Deutsche (40 Prozent) fürchtet nun einen militärischen Konflikt zwischen den USA und Russland, der Schutzmacht der syrischen Regierung von Präsident Baschar al Assad.

Was tut die Große Koalition?

Anne Wills Sendung am 09.04.2017 machte es deutlich: Die Verteidigungsministerin lügt, ohne rot zu werden und Michael Lüders, der Experte mit den unbequemen Wahrheiten, wird zum „Verschwörungstheoretiker“ degradiert – so funktioniert Meinungsmache. Während der Sendung plauderte sich Verteidigungsministerin von der Leyen mit ihren seltsamen Interpretationen zum Völkerrecht und dreisten Lügen zu Giftgasvorfällen in Syrien um Kopf und Kragen. Dies wurde ihr allerdings nur vom Linken-Politiker Jan van Aken vorgehalten. Der Rest: Desinformation in Reinkultur und Feindbildaufbau Russland. (vgl. Jens Berger, 10.04.2017)

Am Tag nach der Sendung in der BZ kam Zustimmung von der Großen Koalition zu Trumps völkerrechtswidriger Politik. Merkel sprach von einer „nachvollziehbaren Reaktion der USA“. (wiederholt BZ 13.04.2017).

Der Militärschlag der USA war völkerrechtswidrig, denn weder hatte Syrien die USA militärisch angegriffen, noch gab es einen Beschluss des UNO-Sicherheitsrates, der das genehmigte.

Im Februar stellte die FAZ fest: „Die Bundeswehr entwickelt sich zur führenden NATO-Armee in Europa“. (FAZ 10.2.17)

Seit 25 Jahren setzen sich die Regierenden im Zuge der Militarisierung der deutschen Außenpolitik über die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung hinweg. So jüngst wieder bei der Ausweitung des Mali-Einsatzes. Statt 650 dürfen künftig 1.000 Bundeswehrsoldaten dort eingesetzt werden. Dann der militärische Aufbruch ins Baltikum. 450 Bundeswehrsoldaten ziehen mit 20 Marder-Schützenpanzern und 6 Leopard 2-Kampfpanzern nach Litauen.

Je eine tschechische und eine rumänische Brigade ordnen sich deutschen Divisionskommandos zu, üben gemeinsam, um die Kampfkraft zu steigern. Mit den Niederländern ist das ohnehin schon der Fall. Zwei Drittel der holländischen Heeresverbände sind den deutschen Kommandostrukturen unterstellt. Schon drei Tage später wurde bekannt, dass mit Norwegen ein neuer Marschflugkörper für Kriegsschiffe entwickelt werden soll. Nur zwei Tage danach wurde bekannt gegeben, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam eine Lufttransportstaffel aufstellen wollen, tags darauf wurde die Absicht verkündet, eine Luftbetankungsflotte mit vier weiteren europäischen NATO-Ländern zu bilden.

Zuvor schon vereinbart war die Zusammenarbeit bei der Kampfdrohnenentwicklung in Europa und die Bildung der superschnellen NATO-Eingreiftruppe mit deutscher Beteiligung. Der Leitartikler der FAZ wagt einen strategischen Blick in die Zukunft: „Das Geflecht dieser Zusammenarbeit der europäischen NATO-Partner unter maßgeblicher deutscher Führung kann auf diese Weise zum Wurzelwerk einer europäischen Armee werden.“ (FAZ 17.2.17)

Im April 2017 wurde die vierte Waffengattung der Bundeswehr der Öffentlichkeit von Frau von der Leyen vorgestellt.

Da die Militarisierung der Außenpolitik keine Mehrheiten in der deutschen Bevölkerung findet, die sozialen Spannungen zunehmen, die ökonomischen Interessen der transnationalen Konzerne die Profitmaximierung durch Ausbeutung von Mensch und Natur von der Großen Koalition aber durchgesetzt werden sollen, erfolgt die Einschüchterung von Widerstand im Inneren durch die Drohung mit Arbeitsplatzverlust sollten militärische Anlagen geschlossen werden (s. Büchel) und durch den Abbau demokratischer Grundrechte (Versammlungs- und Demonstrationsrecht). Ob Fußfesseln für Gefährder, mehr Videoüber-wachung, Predictive Policing oder neue Spionagesoftware für das BKA - Polizei und Geheimdienste befinden sich international und insbesondere in Europa auf dem Vormarsch. Es erfolgt die Militarisierung der Polizei.

Um den Widerstand gegen die Großmachtfantasien zu unterdrücken, bedient sich die Große Koalition der Angst vor Terroranschlägen (Terrorhysterie, s. Amoklauf von München) und droht mit dem Einsatz der Bundeswehr im Innern. Vom 07. bis 09. März 2017 übten in einer gemeinsamen Stabsrahmenübung Polizeien, Geheimdienste und Bundeswehr den Einsatz der Armee im Inland bei großen Terroranschlägen (GETEX).

Die Analyse der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V. zur GETEX-Übung von Militär und Polizei erstellt am 12.04.2017 kommt zu folgender Einschätzung der Übung:

„Der wahrscheinlichste Fall eines Bundeswehr Einsatzes à la GETEX scheint somit zu sein, dass die Behörden sich eine akute Terrorgefahr mit möglichen katastrophischen Folgen herbei phantasieren. Aufgrund der verbesserten Schnittstellen zur Bundeswehr und der Option auf deren präventiven Einsatz, könnten dann Objektschutzaufgaben an zivilen

Objekten von Soldat_innen mit vorgehaltener Waffe übernommen werden.

Ein weiterer Schritt also, im Sinne der neuen Großmachtphantasien, die Lehren aus der deutschen Geschichte bei Bedarf über Bord zu schmeißen und den Sicherheitsapparat in einen noch eskalativeren Modus zu bringen.

In dieser Stimmung wäre es dann auch nicht mehr verwunderlich, wenn früher oder später nicht mit Kanonen auf Spatzen, aber mit Kriegswaffen auf Amokläufer_innen, vermeintliche Straftäter_innen, psychisch Kranke, Störenfriede und Verdächtige geschossen werden würde, also auf all diejenigen, die es wagen, die angestrebte Ruhe und Ordnung zu durchbrechen.

Noch vor einem solchen Vorfall wirkt allerdings die Abschreckung, dass der Staat sich für alle Fälle rüstet und bereit ist, die Panzer aus Afghanistan auch durch Aachen oder Augsburg rollen zu lassen.“ (s. Martin Kirsch: IMI Analyse zur GETEX-Übung von Militär und Polizei, S. 6)

Wir brauchen keine weitere Militarisierung im Innern, sondern den Erhalt und Ausbau (z. B. Demokratisierung der Betriebe) demokratischer Grundrechte.

„Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“

Offener Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller, 1951

Bertolt Brecht, deutscher Schriftsteller, *10.02.1898, †14.08.1956

Trotz Völkerrechtsbruch und „Mutter-aller-Bomben“, die Zukunftsfragen lösen wir nur mit dem Prinzip der Friedensbewegung: Solidarität!

 

Jürgen Reuter ist aktive beim Friedenszentrum Braunschweig.