Redebeitrag von Max Arslan (IPPNW) für den Ostermarsch Büchel am 17. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Vor wenigen Tagen ging die erste Verhandlungsrunde der Vereinten Nationen zu Ende. Verhandelt wurde über einen kompletten Verbotsvertrag von Atomwaffen, dieser umfasst Lagerung, Einsatz, Besitz, Erwerb, Entwicklung und Produktion. Deutschland wäre genau hier in Büchel maßgeblich davon betroffen und müsste eigenen Worten nun auch nach internationaler Gesetzgebung Taten folgen lassen.

Die Big Player weigern sich jedoch alle, an den Verhandlungen teilzunehmen. Deutschland begründete dies in einem Statement des Auswärtigen Amtes unter anderem damit, dass der Atomwaffensperrvertrag von 1970 dadurch geschwächt werden würde. Was zuerst vielleicht komisch anmuten mag, ist leider die perverse Wahrheit: Das Kräfteungleichgewicht von Kernwaffen- und Nicht-Kernwaffen-Staaten würde sich endlich lösen. Darin hat man in Washington und Moskau sicherlich wenig Interesse. Berlin als Schoßhündchen der Kernwaffenstaaten erlaubt sich hier keine eigene Position und Meinung. War die erste Verhandlung erfolgreich? Ich kann mich der Position der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) nur anschließen: Die positiven Rückmeldungen werden im internationalen Kontext sicherlich den Druck erhöhen, die Arsenale an bestehenden Atomwaffen zu verkleinern und sich schlussendlich der internationalen Gesetzgebung in Form des internationalen Atomwaffenverbots zu beugen.

Thea Katrin Mjelstad von der norwegischen Organisation Folkjehelp drückte dies so aus: „Der Vertrag soll keinen Status quo zementieren. Er soll ein Vertrag sein, der positive Änderung erzwingt. Ohne diesen Wandel werden wir (um Einstein zu zitieren) ziellos auf eine Katastrophe ohnegleichen zuschreiten.“

Ich selber bin in eine Zeit des scheinbaren atomaren Friedens hineingeboren worden, von Katastrophe keine Spur. Ich habe den kalten Krieg mit seinen Drohgebärden und Fast-Katastrophen nicht miterlebt, über Atomwaffentests wurde im Fernsehen sicher nicht berichtet, das erste Mal, dass ich ansatzweise verstanden habe, was eine Atombombe ist und was sie anrichten kann, war wahrscheinlich schon im neuen Jahrtausend und damit weit über 50 Jahre von den schrecklichen Ereignissen in Hiroshima und Nagasaki entfernt. Und doch erschien es mir schon in der Schule schrecklich, mit einer so großen Kraft und Verantwortung umzugehen. Nukleare Abschreckung, das funktioniert doch gut, ist bis heute doch nicht schiefgegangen, das waren die Worte meines Erdkundelehrers. Das erscheint vielleicht ironisch, aber es drückt ganz gut die Haltung vieler Menschen aus, das Problem der Bedrohung durch atomare Waffen von sich wegzuschieben. Angst hat man halt nicht gerne und daraus Kraft und Aktionismus zu schöpfen gelingt leider nur wenigen. Erst durch Ereignisse wie den Reaktorunfall in Fukushima 2011 rückte auch das Thema der atomaren Bedrohung wieder mehr in den Fokus der allgemeinen Bevölkerung. Wir müssen weiterhin daran arbeiten, die Schwächen der Argumentation der nuklearen Abschreckung aufzuzeigen und auf die massiven Folgen aufmerksam zu machen, die durch Atomwaffen entstehen, seien sie humanitärer, wirtschaftlicher oder ziviler Natur. Ich darf hier die WHO aus einem Bericht von 1984 (!) zitieren: „Daher kann die einzige Möglichkeit der Behandlung der gesundheitlichen Folgen nuklearer Explosionen nur die primäre Prävention derartiger Explosionen sein.“

Vom 15. Juni bis zum 7. Juli diesen Jahres werden wieder Abgeordnete aus nahezu allen Ländern dieser Welt zusammenkommen, um über die Zukunft unseres Planeten und der menschlichen Zivilisation zu entscheiden. Wir sollten unser Möglichstes tun, Ihnen unsere Zustimmung und unseren Willen zum Widerstand zu zeigen. Die gewaltfreie Lösung liegt hier vor allem in der Information: Einzelne Menschen und größere Gruppen informieren, sich untereinander austauschen. Mit Freude habe ich gesehen, wie viele Menschen sich v.a. in Aachen und der näheren Umgebung gegen den Betrieb des Atomreaktors Tihange-2 in Belgien organisiert haben. Es gibt also doch noch Menschen, die sich mit Kernenergie und der Gefahr unserer Moderne auseinandersetzen. Technische Mängel spielen in der Diskussion um Tihange-2 eine große Rolle. Wenn es jedoch eine Sache gibt, bei der ich mir sehr sicher bin, dann dass es keinerlei Mängel bei denen wenige Meter von uns entfernt lagernden Atomwaffen gibt. Diese sind nämlich in den letzten Jahren modernisiert und durch neue Modelle ersetzt worden, kein Wille zur Abrüstung ist erkennbar. Wir erinnern uns gerne an die Äußerungen des Auswärtigen Amtes, denen man nur noch mit Fassungslosigkeit und Hohn begegnen kann. Technologisch immer weiter ausgeklügelte Systeme zum Massenmord und Instrumente des zivilen Leidens lagern hier und von den beteiligten Regierungen möchte das niemand ändern. Hier ist unser Einsatz gefragt, wir müssen etwas tun.

Oft zweifle ich an dem Handeln unserer Organisationen und der Sinnhaftigkeit meines eigenen Aktionismus. Was kann ich schon erreichen? Was bringt es, an einen winzigen Ort in Rheinland-Pfalz zu fahren und im strömenden Regen oder Sonnenschein hier zu stehen und vor Leuten zu sprechen, die eh meiner Meinung sind? Was bringt es, in nahezu jedem politischen Gespräch die Frage aufzuwerfen, wie man mit den in Deutschland gelagerten Atomwaffen umzugehen hat?

Was mich dann immer und immer wieder neu motiviert, sind die Ziele unseres gemeinsamen Weges: Humanistisches Handeln in Wort und Tat. Wir haben die Verantwortung uns selbst und unseren Mitmenschen gegenüber, diese Erde zu einem besseren Ort zu machen. Für unsere Geschwister, unsere Kinder, unsere Enkel und all die Menschen, die es verdient haben, in einer Welt aufzuwachsen, in der man nicht per Knopfdruck auslöschbar ist. In der wir auf eine Zeit zurückblicken können, in der es alltäglich die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung gab, dies jetzt aber der Vergangenheit angehört. Vielleicht auch eine Welt, in der die einzigen Reaktoren für Forschungszwecke und medizinische Nutzung unter strenger Kontrolle betrieben werden.

In Zeiten wie diesen ist es wichtig, zusammenzustehen und Standhaftigkeit zu beweisen. Büchel und die stetige Aktionspräsenz an diesem Ort sind hierfür ein gutes Beispiel. Wir dürfen nicht zulassen, dass die in Deutschland stationierten Atomwaffen in Vergessenheit geraten. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass die von Hunderttausenden Menschen geleistete Arbeit zur Friedenssicherung in dieser Welt zunichte gemacht wird. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass die Bundesregierung denkt, mit Aussitzen und Doppelzüngigkeit dieses Thema totschweigen zu können.

Im Kleinen wie auch im Großen sollte unser Widerstand sich auf allen Ebenen der politischen Teilhabe erstrecken. Ich selber werde in wenigen Wochen wieder hier an dieser Stelle stehen und weiterhin meinen Unwillen ausdrücken, die aktuelle Position der Bundesregierung zu unterstützen.

Keine Ausbildung deutscher Piloten zum militärischen Einsatz von Atomwaffen!

Atomwaffen raus aus Deutschland!

Bedingungslose Abrüstung!

 

Max Arslan ist Studierendensprecher der IPPNW.