Redebeitrag von Reiner Moormann für die Ostermahnwache in Jülich am 14. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

seit dem letzten Ostermarsch in Jülich vor 5 Jahren hat sich einiges zum Positiven verändert: Die ETC, vor der wir stehen, musste ihren Personalbestand halbieren – wegen der weltweiten AKW-Flaute gibt es nämlich keine Aufträge. Und das Forschungszentrum Jülich (FZJ) gibt endlich die abgewirtschaftete Entwicklung von Kugelhaufen-AKWs auf, viel zu spät, aber immerhin.

Trotzdem bleibt noch viel zu tun: Der Müll des erfolglosen und havarierten Jülicher Kugelhaufenreaktors AVR ist viel schlimmer als der anderer Reaktoren und soll daher mit Tricks und unter immensen Kosten in die USA exportiert werden. Dort soll er in einer militärischen Anlage aufgearbeitet werden: Unter Bedingungen, die in der EU aus Umweltschutzgründen längst nicht mehr zulässig wären.

Es ist aber noch nicht klar, ob die USA den Müll wirklich nehmen. Man scheint nämlich begriffen zu haben, um was für eine immense Belastung es sich dabei handelt und fordert daher vor einer Entscheidung erhebliche Vorleistungen, wie etwa Tests in einer noch zu errichtenden Pilotanlage.
In Jülich hat man sich in den vergangenen 20 Jahren darauf konzentriert und gewaltige Mittel dafür verschwendet, Kugelhaufenreaktoren nach Südafrika und China zu exportieren. Für die Entsorgung des eigenen Mülls blieb da nicht viel übrig, und so passt dieser Atommüll in die deutschen Entsorgungsbemühungen nicht hinein. Es müsste noch enorme Entwicklungsarbeit geleistet werden, um den Müll wenigstens auf den gleichen Stand wie den der üblichen Leichtwasserreaktoren zu bringen.

Wir fordern mit Nachdruck, dass man in Jülich endlich die Verantwortung für die eigenen Hinterlassenschaften übernimmt. Das gilt auch für die Zwischenlagerung des Mülls: Das 1993 in Betrieb gegangene Jülicher Castorenlager war als völlig unzureichendes Billiglager konzipiert, hat seine Genehmigung daher schon 2013 verloren und seit 2014 gibt es sogar eine Räumungsanordnung; das scheint Jülich ganz recht zu sein, denn man will den Müll nach Ahaus loswerden - als Zwischenstation, bevor er in die USA verschoben wird. Echte Bemühungen um eine Lösung der Jülicher Zwischenlagerproblematik hat es nicht gegeben, sowohl die temporäre Verlängerung des aktuellen Jülicher Lagers, als auch der Neubau eines modernen Lagers in Jülich wurden meinem Eindruck nach gezielt hintertrieben. Dabei ist Zwischenlagerung und Konditionierung des gesamten Mülls aus Kugelhaufenreaktoren in Jülicher Anlagen der einzig akzeptable Weg. Das gilt mittelfristig auch für die in Ahaus befindlichen 305 Castoren aus dem Hammer ThoriumHochTemperaturReaktor.

Ein anderes Jülicher Problem hat sich kürzlich verstärkt: Die öffentliche Diskussion um den Zugang Deutschlands zu Atomwaffen wurde in den vergangenen Monaten intensiv geführt. Für Experten ist offensichtlich, dass Deutschland aktuell aus eigener Kraft nur mit Hilfe der ETC in kurzen Zeiträumen zu Kernwaffen gelangen kann: Die bei ETC entwickelte Urananreicherung lässt sich nämlich leicht auf die Gewinnung von waffenfähigem Uran ausweiten. Hier ist es unsere Aufgabe, die Entwicklung genau zu beobachten, und eine Schließung dieser durch den Atomausstieg überflüssig gewordenen Anlage zu fordern, ebenso wie die der Anreichungsanlage in Gronau selbst.

In Jülich hat es trotz eindeutiger Verbote nie wirkliche Skrupel gegeben, sich mit Waffentechnik zu befassen: So haben FZJ/RWTH 1988 trotz internationalen Embargos die Kugelhaufen-HTR-Technik an Apartheid-Südafrika weitergegeben: Apartheid-Südafrika war damals Atommacht und wollte den HTR als Antrieb für militärische Atom-U-Boote einsetzen, die mit Atomwaffen bestückt werden sollten. Bemäntelt wurde das als „wissenschaftliche Kooperation“. Glücklicherweise wurde das militärische Projekt nie verwirklicht, da die Apartheid bald endete und Südafrika seine Atombomben demontierte. Aber das von FZJ intensiv unterstützte, nachfolgende zivile HTR-Projekt hat dem Land auch geschadet: 2010 musste es aufgegeben werden: Es war, so wie die Presse schrieb „ein Zombie, welcher die öffentlichen Kassen geplündert hat und Südafrika nur Unglück gebracht hat.“

Trotz beschlossenen Atomausstiegs gibt es für uns Atomkraftgegner noch keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Kämpfen wir also weiter für eine friedliche Atomwaffen- und AKW-freie Welt.

 

Rainer Moormann ist Chemiker und Experte für Reaktorsicherheit.