Redebeitrag von Ralf Cüppers (DFG-VK) für den Ostermarsch in Flensburg am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir demonstrieren hier in Flensburg für eine Welt ohne Militär, so steht es im Aufruf.

Aber seit dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien gibt es innerhalb der NATO eine bewährte Arbeitsteilung: Die Bundeswehr übernimmt vom Fliegerhorst Jagel aus die militärische Aufklärung und bestimmt die Ziele, die dann von der US-Luftwaffe und anderen NATO-Armeen bombardiert werden, das unter der Verantwortung von Parteien, die hier unseren Ostermarschaufruf unterzeichnet haben. Militärische Aufklärung geht jeder Kriegshandlung voraus. Seit 2016 findet in Jagel die Bildauswertung statt. Das Bildmaterial wird von den Recce-Tornados geliefert. Bis 2016 mußten diese Soldatinnen und Soldaten noch im Auslandeinsatz stationiert werden. Die Bundeswehr hat jetzt ganz in der Nähe, in Jagel Soldatinnen und Soldaten, die von deutschem Boden aus Krieg in anderen Ländern aktiv führen. Da diese den Standort Jagel gar nicht verlassen, muß die Politik, also der Bundestag, auch nicht über deren Entsendung nach Afghanistan, Syrien oder Mali entscheiden. Sie sind Kombattanten ohne Auftrag des Parlamentes, obwohl die Bundeswehr sich so gerne als Parlamentsarmee darstellt. Welche militärischen Aufklärungsergebnisse an wen und zu welchen Zweck weitergeleitet werden, auch darüber gibt es keine parlamentarische Kontrolle, die wird von den Bundestagsparteien, die alle unseren Ostermarschaufruf unterschrieben haben, auch nicht wirksam durchgesetzt. Die Politik kann beschließen, mit den Kurden ein Bündnis gegen den Islamischen Staat eingehen zu wollen, aber die militärischen Aufklärer aus Jagel geben Daten an den NATO-Partner Türkei weiter, die dieser dazu verwenden könnte, Kurden militärisch zu vernichten. Das ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken.

Gestern ging der Ostermarsch nach Jagel, denn 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag geht vom Fliegerhorst Jagel Krieg aus

Soldatinnen und Soldaten aus Schleswig-Jagel sind an Kriegen beteiligt

Da ist die Kriegsbeteiligung in Mali:

Militärische Lagebilder für Mali werden auf dem Bundeswehrstützpunkt Jagel erstellt. Die Daten stammen von Drohnen in Westafrika, die dort vom hiesigen Geschwader bedient werden. Sie werden per Satellit nach Jagel gefunkt, hier aufbereitet und gehen an die „Verbündete“ genannten Kriegsparteien zurück.

Da ist die Kriegsbeteiligung in Irak und Syrien

33 Zivilistinnen, darunter Kinder, starben am 22. März bei einem Bombardement durch Flugzeuge der US-geführten Kriegskoalition in Syrien. Zielkoordinaten lieferte eine in der Türkei stationierte Tornadostaffel aus Jagel und Büchel, die mit ihren RECCE Tornados am 19. März einen Gebäudekomplex in der Stadt al- Mansoura überflog. - Das Gebäude war eine Schule. Diese folgenschweren Kriegsverbrechen wurde nur ausnahmsweise bekannt, die Militärspione aus Jagel veröffentlichen ihre Ergebnisse in der Regel nicht.

Die Bundeswehr und die militärbefürwortenden Politiker der Regierungsparteien CDU und SPD können sich so an Kriegen beteiligen, ohne daß die Bundeswehrsoldaten sichtbar an den Kriegsverbrechen beteiligt sind. Auch die Bevölkerung, die Kriegseinsätze mit deutlicher Mehrheit ablehnt, kann mit dieser Art von Kriegseinsätzen leichter an Krieg gewöhnt werden und belogen werden, wenn die Krieg befürwortenden Politiker der Regierungsparteien CDU und SPD behaupten, daß es diese Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegsverbrechen nicht gibt.

Da ist die Kriegsbeteiligung in Afghanistan

Seit 10 Jahren liefern die Spionagespezialisten aus Jagel ausgearbeitete militärischen Lagebilder für den Afghanistankrieg. Anfangs wurden die Bilder von RECCE Tornados aufgenommen, seit 2010 von Drohnen vom Typ Heron 1.

Jagel ist Spezialstandort für Drohen in der Luftwaffe. Hier in Jagel findet das Simulatortraining für die Drohnen vom Typ Heron statt. – Wie viele Menschen nach den Zielkoordinaten des Geschwaders 51 getötet wurden, veröffentlicht die Bundeswehr nicht.

Wir hatten in den vergangenen beiden Jahren unseren Karfreitagsostermarsch nach Bramstedtlund durchgeführt. Dort, keine halbe Stunde von hier entfernt, wird mit einer Wullenweverantennenanlage das gesamte elektromagnetische Spektrum, Funk und Radiowellen und auch die Abstrahlungen militärischer und ziviler elektronischer Anlagen ausspioniert. Diese Daten werden gemeinsam mit denen aus Jagel vom Kommando Strategische Aufklärung ausgewertet und als neue oder erweiterte Information militärisch verwendet. Die unsichtbare Kriegführung der Elektronischen Kampfführung EloKa in Bramstedtlund und der Krieg, der von Jagel ausgeht, gehören als Vernetzte Operationsführung zusammen. Die Vernetzte Operationsführung mit EloKa und Drohnen geben im Kombi-Pack einen besonderen Sinn: Vernetzte Operationsführung mit EloKa-„Aufklärung“ heißt: Durch vernetzte Informationen Aufspüren und Auswahl des militärischen Ziels. Kampfdrohnen, Kampfflugzeuge anderer militärischer Verbündeter übernehmen dann die Bombardierung des Zieles.

Jagel ist neben Büchel Standort des ECR-Tornado: ECR, Electronic Combat Recce, steht für Elektronische Kampfführung und Aufklärung.

Elektronische Kampfführung bedeutet, dass der ECR-Tornado militärische Ziele, zum Beispiel die Signale von Radarstationen erkennen kann und gleichzeitig stören, ausschalten und auch zerstören kann.

Alle ECR-Tornados sind mit der Software ASSATA und einem ELS Emitter Locator System aufgerüstet worden, das bestimmt die Position und verschiedene andere Parameter eines gegnerischen Radars und weist sie direkt (ohne Umweg über einen menschlichen Entscheidungsträger) dem HARM Suchkopf für die schnelle Vernichtung zu.

Wenn der ELS die Position, die Größe und technische Ausstattung einer gegnerischen Radarstation erkannt hat, kann über die Software ASSATA direkt und ohne Umweg das Raketensystem HARM für die Vernichtung ausgelöst werden.

Bei den hohen Geschwindigkeiten im Einsatzflug ist es kaum möglich, daß ein Pilot das Ziel erkennt und in Millisekunden entscheidet, daß die Rakete oder Lenkwaffe abgefeuert wird. Bei Elektronischer Kampfführung entscheidet das Computersystem vollautomatisch über den Tod. Das System HARM ist ein „Fire and Forget System“ und kann das vom ELS erkannte Ziel selbständig finden und vernichten. Zwischen der Zielerkennung und Vernichtung liegen wenige Sekunden. Die Software kommandiert den Piloten, erteilt die Anweisung wohin er fliegen soll, wenn es die Signalwirkung empfängt. Das ist die Umkehr bisheriger Befehlsstrukturen: Das Aufklärungssystem befiehlt dem Piloten und nicht umgekehrt. Wenn der Pilot eines Tornado nur noch die Funktion eines Chauffeurs hat, der die Waffe in Zielnähe bringt ist er verzichtbar. Tornados sind Auslaufmodell und Drohnen übernehmen den Auftrag, ohne daß dafür ein Pilot nötig ist.

Die Drohne Heron TP verfügt über alle militärischen Fähigkeiten des ECR-Tornado, kommt aber als unbemanntes Flugobjekt ohne den Piloten aus. Die Drohne kann aus sicherer Entfernung vom Kriegsgeschehen gesteuert werden, während der Pilot im Tornado der Gefahr im Kriegsgebiet ausgesetzt ist. Die Aufrüstung mit Kampfdrohnen Heron TP wurde bereits beschlossen. 2019 sollen Kampfdrohnen der Bundeswehr vom Typ Heron TP dem Geschwader zugeordnet werden.

2025 schließlich sollen Großdrohnen vom Typ Triton, die eine Flügelspannweite von fast 40 m haben, hier abheben. Rollbahn und Hangar sind bereits gebaut.

Jagel wird weiter ausgebaut, haben die Politiker von CDU und SPD beschlossen, den Parteien, die hier mit uns für eine Welt ohne Militär demonstrieren.

Die Pilotenausbildung am Tornado wurde seit Anfang April dieses Jahres von US Amerikanischen Holoman nach Jagel verlegt. Anwohnerinnen und Anwohner bemerken den erhöhten Flugbetrieb schon jetzt.

Die technischen Möglichkeiten für die Kriege der Zukunft werden perfektioniert.

2019 soll auch die Schule für Bildaufklärung von Fürstenfeldbruck hierher verlegt werden. Es geht da nicht nur um die Fotos und Radarbilder der Tornados und Drohnen, sondern auch um die Radarbilder der Satelliten SAR LUPE, die zurzeit Irak und Syrien ausspionieren.

Der Cyberraum mit elektromagnetischem Spektrum und Internet, sind neben Land,- Luft- und Seekriegsführung als viertes Gefechtsfeld definiert worden und seit 1. April, kein Aprilscherz, haben wir dafür eine eigene Teilstreitkraft bekommen. Die Cyberkrieger der Bundeswehr spionieren Computernetzwerke aus, CNE, und produzieren Schadsoftware, mit der auch zivile Infrastruktur anderer Länder lahmgelegt werden könnte, CNO

Das „elektromagnetische Spektrum als Gefechtsfeld“ sieht nicht blutdurchtränkt eklig aus, ist aber für hochtechnisierte Kriegführung aus dem sicheren Bunker heraus nötig. Die Bundeswehr macht sich damit schuldig an Mordtaten in aller Welt, zuletzt in der Nacht vom 21. auf den 22. März 2017. Um weitere Opfer zu verhindern, muß die Bundeswehr abgeschafft werden. Die Parteien, die unseren Flensburger Ostermarschaufruf unterschrieben haben, haben zusammen dafür eine satte Mehrheit im Bundestag, diesen ersten Schritt zu einer Welt ohne Militär zu beschließen.

Auch eine Bundeswehr, die auf Vernetzte Operationsführung, Cyberkrieg, Drohnen und Elektronische Kampfführung verzichtet, wäre immer noch schädlich, gefährlich, sinnlos und teuer. Demokratie, Frieden und ein Leben in Sicherheit für die Menschen können aber nicht durch Aufrüstung, Militär und Krieg hergestellt oder gesichert werden. Deswegen ist die Alternative allgemeine und vollständige Abrüstung. Wir fangen in unserem Verantwortungsbereich, Deutschland, mit der Abschaffung der Bundeswehr an, hin zu einer Welt ohne Militär.

Seit Sommer 2015 organisieren wir regelmäßig Mahnwachen am Fliegerhorst Jagel um gegen die Kriegsbeteiligung des Geschwaders 51 zu prostieren. Und die Aktionen gehen weiter: Am 20. Mai findet der Lauf zwischen den Meeren über Jagel statt und friedensbewegte Läufer*innen nehmen am Lauf teil.

Am Montag, 21.8.2017 11.00 Uhr findet das Aktionskonzert des Symphonieorchesters „Lebenslaute“ in Jagel statt.

Wir laden herzlich dazu ein, an den Aktionen am Fliegerhorst Jagel teilzunehmen.

 

Dr. Ralf Cüppers ist aktive bei der DFG-VK Gruppe in Flensburg.