Redebeitrag von Pfarrrerin Sabine Müller-Langsdorf (EKHN) für den Ostermarsch Odenwald in Michelstadt am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

bis gestern Abend hatte ich einen anderen Anfang für diese Rede. Ich hatte die Terroranschläge im April zusammengezählt, die Toten, die Verwundeten in Syrien, in Ägypten, in Stockholm, in St. Petersburg und in Dortmund. Ich hatte die unterschiedlichen Reaktionen darauf angeschaut: vom militärischen Vergeltungsschlag über das Ausrufen eines Ausnahmezustandens, immer schaler werdende Betroffenheitstrituale bis hin zur besonnenen Reaktion des schwedischen Ministerpräsidenten und der eher am Geschäft und Gewinn orientierten Haltung im Fußball: der Ball muss rollen. Das Spiel geht weiter.

Aber: das Spiel ist kein Spiel. Und es geht nicht weiter. Gestern Abend hat die Trump-Regierung in Afghanistan eine Bombe geworfen, die an Sprengkraft und Stärke nur gering unter dem Einsatz einer Atombombe liegt. Eine Ohrfeige für alleFrauen, die Kinder haben und wissen, wie kostbar und schwer es ist, Leben zu geben und zu bewahren, heißt diese Bombe „Mutter aller Bomben“. Welch ein Hohn. wenn Waffen menschliche Namen bekommen. Als sei die Mutter aller Bomben besonders zu ehren. Nein.

Bomben haben nichts Menschliches. Bomben töten Menschen. Mütter, Väter, Kinder, Alte. Krieg und Gewalt und Krieg kosten Menschen, Tieren und der Natur das Leben. Krieg und Gewalt bringen einer vielfach höheren Zahl von Menschen Verwundung, Verletzung, Verstümmelung Nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ist der Anteil an Zivilopfer in der Gesamtzahl der Opfer im Laufe des 20. Jahrhunderts von 5 % im Ersten Weltkrieg auf 90–95 % in den Kriegen, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben, gestiegen.

Ostermarsch 2017. Die Welt ist alles andere als friedlich. Das Verhältnis zwischen den USA und Russland ist höchst angespannt wegen Syrien. Das Verhältnis zwischen China und den USA ist höchst angespannt wegen Nordkorea. Hinter diesen offiziellen Gründen, die ja einfach klingen: wegen Syrien, wegen Nordkorea- stehen geopolitische Machtinteressen der großen Länder. Steht die Gier nach Öl, nach Rohstoffen, nach Vorherrschaft in der Welt. Komplexe Gefüge, die Jahrzehntelang gewachsen und verwoben sind.

Denen sich viele kleine Leute ausgeliefert fühlen. Darum melden sie sich ab.

Glauben schon lange nicht mehr an Politikerinnen und Politiker. Reden von der Lügenpresse und suchen einfache Lösungen.

Gut, dass ihr heute hier seid. Gut, dass wir zusammen hier sind. Uns auf den Weg gemacht haben, um als Bürgerinnen und Bürger, als Menschen dieser Erde zu sagen: Wir wollen Frieden. Im Wahljahr 2017 ist dieser Ruf besonders wichtig. Denn es machen sich die auf die Socken, die politische Verantwortung übernehmen wollen. Parteien haben Wahlprogramme geschrieben und versprechen viel, wenn die Wahl ansteht. Lasst uns diesen Ostermarsch nutzen, um in den Blick zu nehmen, was dem Frieden dient.

Krieg ist keine Lösung für Konflikte. Krieg ist nicht das letzte Mittel, die „Ultima Ratio“. Willi Brandt hat einmal gesagt: Krieg ist „Ultima irratio“, zuletzt unvernünftig.

Ich will keine lateinische Phrasen dreschen, aber, liebe Ostermarschierer, ich sage: was wir für den Frieden brauchen, ist eine PRIMA RATIO statt der Ultima ratio, Lasst uns unseren Grips und unsere Fantasie, unseren Verstand und unsere Aktion einsetzen für den Frieden. Auf dem Plakat zu diesem Ostermarsch ist das geschehen und ich möchte ein wenig Grips in die Stichworte des Plakats stecken, wenn ich sie daraufhin befrage:

4. Was können wir tun für den Frieden?

a) Gegen Krieg, Rüstung, Militarisierung: ein Verbot von Rüstungsexporten.

Deutschland ist aktuell an Platz Fünf der weltweiten Rüstungsexporte. Bei den Kleinwaffen „Made in Germany“ sogar an Platz Drei. Die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau, für die ich arbeite, ist Mitglied im Aktionsbündnis „Aktion Aufschrei- Stoppt den Waffenhandel“. Zusammen mit vielen anderenfordern wir:

  • Kein Export von Kriegswaffe, Rüstungsgütern und Dual-Usegütern in Kriegführende und Menschenrechtsverachtende Staaten.
  • Ein Verbot von Lizenzvergaben zum Nachbau deutsche Kriegswaffen und Rüstungsgüter.
  • Keine staatlichen Bürgschaften (Hermes-Bürgschaften) zur finanziellen Absicherung von Rüstungsgeschäften.
  • Ganz besonders: Ein Verbot des Exports von Kleinwaffen und der zugehörigen Munition. Waffen sind langlebig und Waffen wandern. Was heute in die Türkei geliefert wird, taucht morgen im Irak auf. Es gibt afrikanische Länder, in denen zahlen die Menschen mit Waffen, nicht mit Geld. Sie sind Tauschmittel, gehen von Hand zu Hand.

Kleinwaffen begünstigen die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten. Kleinwaffen, also Pistolen wie die Walther P99 oder die Sig-Sauer SP 2022 gelten im Genehmigungsverfahren bisher als „zivile Waffen“ , obwohl sie vielerorts militärisch verwendet werden. Die Verbreitung ist dadurch fast nicht zu kontrollieren. Und wenn die Firma Heckler und Koch ihr Sturmgebwehr G36 damit bewirbt, dass es besonders leicht ist, dann steckt darin auch die Botschaft: leicht für die Hände Minderjähriger. Eine Viertelmillion Kindersoldaten werden in mindestens 20 Ländern zum Kämpfen gezwungen. Dass sie bewaffnet sind, daran hat Deutschland einen großen Anteil.

Seit 2002 wurden Kleinwaffenexporte im Wert von 800 Millionen Euro genehmigt. Anstelle einer konsequenten Rüstungsexportbegrenzung stiegen unter Sigmar Gabriel 2016 die Genehmigungen für Kleinwaffenexporte um 47 Prozent auf 47 Millionen Euro. Mehr als ein Drittel davon ging in Drittländer, von denen viele in Krisengebieten mit bewaffneten Konflikten liegen.

Deutsche Firmen verdienen mit Rüstungsexporten viel Geld. Im vergangenen Jahr 6,88 Milliarden Euro, im Rekordjahr 2015 war es noch eine Milliarde Euro mehr.

Also, Leute: PRIMA RATIO! Vernunft zuerst. Es stehen Bundestagswahlen an. Schickt Briefe an alle Kandidatinnen und Kandidaten, die politische Verantwortung übernehmen wollen. Geht zu Wahlveranstaltungen und fragt:

Wie haltet ihr es mit den Rüstungsexporten? Dazu gibt es Handwerkszeug:

Wahlprüfsteine der Aktion Aufschrei. Für fromme Menschen gibt es die Potsdamer Erklärung der Martin-Niemöller-Stiftung der Ev. Kirche Hessen-Nassau. Darin heißt es: „Geben Sie ihre Stimme nur Politikerinnen und Politikern, die sich verbindlich für konkrete erste Schritte der Abrüstung einsetzen. Geben Sie ihre Stimme niemandem, der die Rüstungsausgaben erhöhen wird.“

Unser Blick sollte sich dabei auch auf Europa und die USA richten. Der amerikanische Präsident plant eine Anhebung des US Rüstungsetats um 54 Milliarden Dollar. Das wären fast 10% des bisherigen Budgets. Nach seiner Aussage müssen die USA in der Lage sein, „Krieg wieder zu gewinnen.“

Präsident Trump fordert zugleich die europäischen Mitglieder der NATO auf, ebenfalls ihre Rüstungsausgaben zu erhöhen.

Addiert man die Rüstungsausgaben der USA und ihrer NATO Partner zusammen, so ergeben sich 50% der weltweiten Rüstungsausgaben, und das seit Jahren. Der russische Militärhaushalt umfasst demgegenüber zum Beispiel rund 10% der NATO-Aufwendungen, 5% der Weltrüstungsausgabenwobei schon auch klar ist, dass mit diesen im Vergleich geringeren Militärausgaben verheerende Militäraktionen wie z.B in der Ostukraine und in Syrien durchgeführt werden können.

Es gibt aber gar keine militärische Sicherheitslücke für die USA; für Europa, für Deutschland. Die militärische Komponente ist im Set der Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere gegenüber dem Terrrorismus, viel zu hoch bewertet und bindet notwendige Mittel für die Ursachenbekämpfung und die Stärkung präventiver und gewaltfreier Konfliktstrategien Ich zitiere noch einmal die Potsdamer Erklärung der Martin Niemöller-Stiftung:

Mr.Trump, please cut the US military budget by 50%/ (Herr Trump, bitte halbieren sie den Rüstungsetat der USA!) Deutschland und Europa haben kein Interesse daran, eine Amerika-First-Politik zu unterstützen, die die instabilen Machtverhältnisse in der Welt noch mehr ins Wanken bringt. An die deutsche und die europäischen Regierungen richtet die Martin-Niemöller-Stiftung den dringenden Appell:

Europäer, verfolgt ein neues Konzept der gemeinsamen Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und kollektiver Sicherheit. Baut faire Handelsbeziehungen zu den Ländern der südlichen Halbkugel auf, um dort eine gerechte Entwicklung zu ermöglichen und damit zugleich die Fluchtursachen zu reduzieren.

Als Deutsche erinnern wir uns an den Kalten Krieg, die Teilung Deutschlands und Europas und an die unversöhnlichen Gegensätze, die das Leben vieler Menschen erschwerten. Wir sind nicht daran interessiert, erneut in diese Denk-Kategorien zu verfallen und danach politisch zu handeln. Als Mitagierende und zugleich Leidtragende des Kalten Krieges und der Teilung Europas sind wir speziell an einem auf niedrigem militärischen Niveau gesicherten Verhältnis zu Russland interessiert.

Wir suchen nach Möglichkeiten der Abrüstung. Wir halten es deshalb für notwendig, die noch in Deutschland stationierten atomaren Waffen der USA aus unserem Land hinaus zu befördern. Keine Atomwaffen in Büchel!

Als gebrannte Kinder zweier Weltkriege im 20. Jahrhundert, die von deutschem Boden ausgingen, sind wir überzeugt, dass Konflikte nicht militärisch gelöst werden können und dürfen.

Der Weg zu diesem Ziel muss jetzt eingeschlagen werden. Er ist schrittweise zu gehen. Das könnte so aussehen:

  • Die Regierungen der NATO treten ein in Gespräche mit allen jenen Ländern, die dabei sind, ihre Rüstungsetats unverhältnismäßig zu erhöhen wie Russland, China und andere.
  • Die NATO-Staaten streben mit diesen Ländern Vereinbarungen an zu wechselseitigen, kontrollierten, jährlich 5%igen Abrüstungsschritten – zu mehr Sicherheit auf niedrigerem Rüstungsniveau.
  • Dieser Abrüstungsweg kann ergänzt werden durch weitere Vertrauen bildende und Sicherheit gebende Maßnahmen, wie z. B. durch eine entmilitarisierte Zone auf beiden Seiten der Grenzlinie zwischen den baltischen Staaten und Polen einerseits und Russland andererseits.
  • Innenpolitisch wird auf diesem Weg in allen beteiligten Ländern das Senkblei der Ressourcenverschleuderung durch Militärausgaben von den Volkswirtschaften genommen und dadurch der finanzielle Spielraum erhöht für die Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit und zur Einleitung dringend notwendiger ökologischer Entwicklungen.

Willi van Oyen, der große hessische Ostermarschierer, hat im Blick auf Rüstungsproduktion Made in Germany einen weiteren wichtigen Punkt angemahnt (TAZ-Interview, 12.4.17): Diskutiert das Thema Rüstungsexporte und Rüstungskonversion auch in den Gewerkschaften. In den 70er und 80er Jahren wurde dort noch über Rüstungskonversionen diskutiert. Das ist stark zurückgegangen. In der IG Metall kommt jetzt das Gespräch langsam wieder in Gang. Wie gut! PRIMA RATIO. Den Verstand und das Know how für die Produktion ziviler Güter statt Kriegsgerät einzusetzen. „Schwerter zu Pflugscharen!“ War die Friedensvision und -Forderung des Propheten Micha in der Bibel.

b) Dass Kinder nicht lernen, Krieg zu führen!

Und damit bin ich bei einem zweiten wichtigen Punkt, den ich an das Wort von den Schwertern zu Pflugscharen anknüpfen möchte. Der Satz heißt nämlich komplett: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ Nicht mehr lernen, Krieg zu führen…Die Wehrpflicht ist ausgesetzt. Die Bundeswehr gibt es noch. Sie wirbt massiv und mit viel Geld auf Plakaten, durch Videos, in Zeitschriften , im Netz, an Schulen für Nachwuchs. Der Werbung ist es eigen, dass sie schönt, übertreibt, verschweigt. Das darf Werbung. Meiner Ansicht nach ist allerdings das Geschäft, für das die Bundeswehr steht, ein zu ernstes und Verantwortungsvolles, um zu schönen, zu übertreiben und zu verschwiegen. Wenn es im Werbeslogan der Bundeswehr heißt: „Ab November wird draußen gespielt!“ dann ist das ein Hohn für jeden Soldaten und jede Soldatin, die ihr Leben in irgend einem Land für irgend eine scheinbare Sicherheit hinhält. Der Beruf des Soldaten/ der Soldatin ist kein Spiel. Er beinhaltet die Bereitschaft, zu töten und sich töten zu lassen. Ein hoher Preis, den kaum ein anderer Beruf mit sich bringt. Fast 25% der Soldaten in Auslandseinsätzen kommen traumatisierte zurück.

Kriegsdienstverweigerung wird wieder zum Thema. Bleibt ein Thema. Das Recht darauf ist ein hohes Gut, manche sagen: ein Menschenrecht. Zu meiner Arbeit gehört die Beratung von Menschen, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern wollen. zunehmend junge Menschen, die sich für eine Ausbildung, ein Studium beider Bundeswehr gemeldet haben, und denen mit der Zeit bewusst wird: Das ist eben kein Spiel. Wenn ich ein Medizinstudium über die Bundeswehr mache, gehe ich doch nicht zu „Ärzte ohne Grenzen“, sondern nehme in Kauf, dass im konkreten Einsatz verwundete Menschen nicht gleich sind. Und habe zudem qua Status militärisch leitende Einsatzverantwortung.

Im Jahr 2016 waren 1.576 Minderjährige Bundeswehrangehörige. Das sind 7% eines Anfängerjahrgangs. Ich stelle neben diese Zahl die Tatsache, dass der Militärische Abschirmdienst derzeit 275 Verdachtsfällen rechtsextremer Delikte in der Bundeswehr nachgeht. Oft handelt es sich dabei um Propagandadelikte wie das Zeigen des Hitlergrußes. Es gibt aber auch Fälle rassistischer Äußerungen im Internet (DPA-Meldung vom 11.4.17 in der TAZ).

Und über Sexismus und Frauenfeindlichkeit wäre wohl auch zu reden. Unter 18-jährige gehören nicht in die Bundeswehr. Und sie gehören auch nicht in Schulen beworben. Das deutsche Bündnis Kindersoldaten und Terre des Hommes fordern darum:

  • Stopp jeder Art von militärischer Werbung bei Minderjährigen! Kündigung der Kooperationsabkommen zwischen Kultusministerien der Länder und der Bundeswehr! Denn militärische Werbung bei Minderjährigen widerspricht den Prinzipien der UN- Kinderrechtskonvention. Deswegen fordert der UNAusschuss für die Rechte des Kindes von Deutschland ein Verbot jeder Art von Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen (Januar 2014)
  • Stopp der Rekrutierung von 17-Jährigen Freiwilligen durch die Bundeswehr! Denn damit wird die 18-Jahresgrenze der UN-Kinderrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle unterlaufen, nach der alle Unter-18-Jährigen Kinder sind und als solche besondere Schutzrechte haben. Die Bundesregierung wurde schon mehrfach vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre zu erhöhen.
  • Friedenserziehung verbindlich in den Lehrplänen und bei der Lehrerfortbildung verankern! Dies fordert auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes ausdrücklich von Deutschland. Die Verpflichtung dazu folgt aus Art. 29 der Kinderrechtskonvention.

Was können wir tun?

  1. Die Schule entscheidet: Keine Bundeswehrwerbung bei Kindern! Bringen Sie das Thema in der Schülervertretung, auf einem Elternabend, in einer Lehrer oder Schulkonferenz zur Sprache und kontaktieren sie die Schulleitung, damit die Schule generell auf eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verzichtet oder strenge Standards für Veranstaltungen mit Soldaten beschließt – denn die Entscheidung darüber liegt alleine bei der Schule, nicht beim Kultusministerium.

  2. Ersatzunterricht für Ihr Kind: Hinterlegen Sie vorsorglich beim Klassenlehrer Ihres Kindes eine kurze Erklärung, damit Ihr Kind vom Unterricht mit Beteiligung der Bundeswehr befreit wird und Ersatzunterricht in einer anderen Klasse bekommt. Als Begründung reichen Gewissensgründe bzw. der Hinweis auf die gewaltfreie Erziehung Ihres Kindes aus

  3. Widerspruch bei Ihrem Meldeamt: Legen Sie formlos Widerspruch bei Ihrem Meldeamt gegen die Weitergabe der Adressdaten Ihres Kindes an die Bundeswehr ein. Sonst erhält Ihr Kind im Alter von 16 Jahren ein Werbeschreiben für den freiwilligen Dienst in den Streitkräften.

  4. Wenden Sie sich an die Verteidigungsministerin: www.unter18nie.de

  5. Am 10.Juni beim Hessentag veranstaltet die DFG-VK Aktionen zum Thema. Die brauchen Unterstützung. Also: 10.Juni. Hessentag.

Damit wahr wird, was der Prophet Micha sagt: dass Kinder nicht mehr lernen, Krieg zu führen!

c) Kein Frieden ohne Gerechtigkeit

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt. Dem Zusammenhang von Frieden und Gerechtigkeit, Nachhaltiger Gerechtigkeit im sozialen im wirtschaftlichen und ökologischen Bereich. Hier im Odenwald haben mehr als 15.000 Menschen eine Onlinepetition gegen Windkraftanlagen unterschrieben. Die konkrete Forderung: die im Dezember erteilte Genehmigung für den Bau von Windkraftanlagen am Standort Stillfüssel und Kahlberg Luft zurückzunehmen.

Rotmilan, Schwarzstorch und Moosfledermaus haben ebensowenig eine menschliche Stimme wie die gerodeten Bäume. Darum braucht es Menschen, die ihre Stimme erheben. Für die Natur, für ein nachhaltiges Wirtschaften. Für Artenvielfalt und Artenschutz. In der Bibel heißt es: „Die Frucht der Gerechtigkeit wird Frieden sein!“ Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden. Wir brauchen globale Verteilungsgerechtigkeit. Unsere Wirtschaftspolitik, die auf Wachstum und Gewinn ausgerichtet ist, ist die Ursache der Ausbeutung der Ressourcen von Ländern, der Natur, der Verarmung von Menschen. Wir haben nur eine Erde. Es ist hohe Zeit, bescheidener zu werden. Eine „Ethik des Genug“ ist das Gebot der Stunde.Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Energiewende sind angesagt.

Wenn im September der Bundestag gewählt sind, sind genau zwei Jahre seit der Verabschiedung der globalen Agenda 2030 mit ihren 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainible development goals=SDGs) vergangen.

Von der neuen Regierung wird zu fordern sein:

  • dass sie die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie umsetzt und weiterentwickelt. Dazu braucht es einen jährlichen (Kohärenz-) Bericht, der im Bundestag debattiert wird und darlegt, welche Schritte die Bundesregierung im Sinne der Agenda 2030 getan hat.
  • Sinnvoll wäre eine Art „Nachhaltigkeits-TÜV“, ein Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung. In der Zivilgesellschaft gibt es starke und innovative Gruppen zu Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Klimagerechtigkeit. Die sind einzubinden in politische Entscheidungsfindung und zu hören! - Vor allem hier im Odenwald!

Vor einigen Tagen wurde der 5. Armurs-Und Reichtumsbericht der Bundesregierung vorgestellt. Kurz vor knapp könnte man sagen angesichts der anstehenden Wahlen. Und genau deshalb wurde wohl auch geschönt, geglättet, gestrichen. Warum? In Deutschland gibt es so viel Reichtum wie nie zuvor. Zugleich nehmen soziale Ungleichheit, Unsicherheit und Ungerechtigkeit zu. Die Einkommen der Beschäftigten bleiben hinter der Entwicklung der Gewinne und Vermögenseinkommen zurück. Millionen Menschen sind von Erwerbslosigkeit oder Armut trotz Arbeit betroffen. Steuern werden auf große Vermögen, hohe Einkommen und Gewinne gesenkt und Kapitalmärkte entfesselt. Viele große Konzerne drücken sich notorisch vor der Steuer. Reichtum und Macht konzentrieren sich in immer weniger Händen. In der Politik dominieren die Interessen der wirtschaftlich Mächtigen. Hier liegen die Ursachen der sozialen und politischen Spaltungen und Probleme. An den Missständen in diesem Land sind nicht die Armen, die Erwerbslosen oder die Schutzsuchenden schuld. „Die Frucht der Gerechtigkeit wird Frieden sein!“ Darum brauchen wir eine neue, gerechtere Politik (Zitate aus den Forderungen des „Bündnis Reichtum umverteilen):

  • bessere soziale Absicherung und stärkere Rechte der Beschäftigten, der kleinen Selbstständigen, der Erwerbslosen, der Rentnerinnen und Rentner, der Kinder und Familien, der Menschen mit Behinderung und der Schutzsuchenden;
  • mehr öffentliche Investitionen und mehr Personal, für Infrastruktur, Kindereinrichtungen, Schulen und Hochschulen, Gesundheitswesen und Pflege, Kultur, Jugend und Sport, soziale und Arbeitsmarkt-Integration;
  • ökologisch nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung und einen sozial verträglichen ökologischen Umbau;
  • Bereitstellung und Bau von ausreichend bezahlbaren Wohnungen;
  • bedarfsdeckende Finanzausstattung besonders der hoch belasteten und verschuldeten Städte und Gemeinden. Mit mehr Steuergerechtigkeit können wir das finanzieren! Die große Mehrheit der Bevölkerung wird dadurch nicht belastet, sondern wird davon profitieren:
  • Finanzstarke Unternehmen und Reiche müssen wieder höhere Beiträge zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten; sehr hohe Einkommen sind stärker zu besteuern; Kapitalerträge dürfen nicht privilegiert werden;
  • Steuerbetrug muss bekämpft und Steuerschlupflöcher müssen beseitigt werden, in Deutschland, der EU und weltweit;
  • eine Vermögenssteuer und eine reformierte Erbschaftsteuer müssen die Millionäre und Milliardäre angemessen an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beteiligen und soziale Ungleichheit abbauen.

d) Flüchtlinge aufnehmen- Fluchtursachen bekämpfen

Liebe Ostermarschierer, ich komme zu einem letzten Punkt, der mir persönlich besonders am Herzen liegt. Vor einem Jahr am Ostersamstag war ich auf der griechischen Insel Lesbos. Die ist, was die Wege der Menschen angeht, die vor Gewalt und Krieg flüchten, das „Lampedusa des Ostens“. Ich bin seit Jahren regelmäßig auf dieser Insel, die in der Ägäis nur 9 Kilometer von der türkischen Küste entfernt liegt. Lesbos hat 90.000 Einwohner und ich habe im Jahr 2015 miterlebt, was es heißt, wenn in einem Monat mehr als 24.000 Flüchtlinge auf diese Insel kommen. ich habe gesehen, was es heißt, in Schwimmwesten in einem kleinen Boot übers Meer zu müssen. Ich habe Menschen aus den Booten geholfen und ich habe die Gräber der Toten besucht. Krieg und Waffen sind ein Grund, warum Menschen fliehen.

Momentan verharren in Griechenland fast 60.000 geflüchtete Menschen. Sie kommen nicht vor und nicht zurück. Sie sind Opfer einer EU Politik, die Grenzen schließt für Menschen und Grenzen öffnet für Waffen.

Im November sind ein Kind und seine Großmutter in einem Zelt im Hotspot Moria verbrannt. Trauer und der Schmerz mischten sich mit Wut und Empörung. auch Freiwilligeninitativen versuchten ihr Bestes, um die Menschen aufzufangen. Aber sie kommen momentan an den Rand ihrer Kraft. Mit dem EU-Türkeideal warten Tausende auf den Inseln und auf dem Festland auf ein Vor oder Zurück. Angesichts mangelnder Organisation passiert: Nichts. Eine Situation, die Menschen frustriert, Aggressionen schürt, Krankheiten verschärft. Fremdenfeindliche Haltungen nehmen auch auf der Insel zu, deren Einwohnerschaft noch im Jahr 2016 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde. Für die Bevölkerung auf den Inseln wird es schwerer: der Tourismus bricht zusammen, die EU betreibt eine Austeritätspolitik, die das dringend nötige Geld lieber der Türkei für einen Menschenverachtenden Deal überweist.

Was steht an?

  • An erster Stelle das Sterben auf dem Mittelmeer und in den Transitländern zu beenden.
  • Geflüchtete brauchen legale Möglichkeiten, um nach Europa zu migrieren. Das betrifft viele, die in Griechenland angekommen sind und unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Europa muss ihnen das individuelle Recht auf Asyl gewähren. Es ist erbärmlich, in Griechenland zu sehen, wie Menschen einfach geparkt werden. In Unterkünften oder „Hotspots“, die so lausig sind, dass „Ärzte ohne Grenzen“ sich im vergangenen Jahr geweigert haben, weiterhin im Hotspot Moria auf Lesbos zu wirken.
  • Der EU Türkeideal ist abzulehnen: Die Türkei ist kein sicherer Drittstaat. Sie negiert die Genfer Flüchtlingskonvention. Sie schiebt Flüchtlinge aus Afghanistan direkt dorthin zurück. Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland.

Der EU-Türkei-Deal vom März 2016 war die Blaupause für den Gipfel von Valetta im November letzten Jahres. Und ebensowenig, wie die Türkei ein sicherer Drittstaat für Flüchtlinge ist, trifft dies für die Länder zu, mit denen die EU in Afrika nun Migrationspartnerschaften eingegangen ist.

„Migrationspartnerschaft“ heißt Rückführungsabkommen und ein „Grenzmanagement“. ein lukratives Geschäft mit hoch entwickelter Überwachungstechnik: Infrarot, Sensoren, Drohnentechnik, gerne „Made in Germany“. Die afrikanischen Staaten benutzen bei diesem Geschäft die Flüchtlinge als Verhandlungsmasse. Dabei sind Staaten wie Niger und Äthiopien, die eine kritische Menschenrechtsbilanz haben. Dabei sind Staaten ohne demokratische Prinzipien, mit eingeschränktem Rechtsstaat, mit denen lange kein diplomatischer Austausch stattgefunden hat. Nun werden solche Eliten und Regime aufgewertet und dadurch stabilisiert.

Migration gehört zum Menschsein und ist so alt wie die Menschheit. Wir wären nicht die wir sind ohne Migration. Niemand kann etwas dafür, wo er geboren wird. Und das Land, in dem wir wohnen, gehört uns nicht. Darum bleibt es die Aufgabe aller, Menschen, die flüchten müssen, weil ihre Grundbedürfnisse: Nahrung, Wohnen, Arbeit, Familie , ihr Haus, ihre Familie, nicht gewährleistet sind aufzunehmen.

Migration ist ein Entwicklungsfaktor. Wenn Menschen von A nach B gehen, bringen sie Erfahrungen mit und viele Kenntnisse. Man kann sich eine globalisierte Welt, in der alles zirkuliert und nur die Menschen das nicht dürfen, ohne Migration nicht vorstellen.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

der Ostermarsch ist keine Migrationsbewegung, aber er bewegt Menschen. Heute nicht von A nach B, sondern von Erbach nach Michelstadt. Frieden ist immer ein Weg, ein Prozess. Frieden steht nicht fest. Will Schritt für Schritt gegangen werden.

Frieden braucht den langen Atem. Im Streiten, im Suchen nach guten Antworten. Frieden braucht die Träumer, die Prophetinnen, die radikalen Pazifisten. Die Utopie. „Ich habe einen Traum“ hat Martin Luther King seine große Rede gegen die Rassendiskriminierung begonnen. „Es gibt keinen Weg zum Frieden. Frieden ist der Weg“ hat Ghandi die langwierige und anspruchsvolle Tätigkeit des Friedensschaffens beschrieben. Und damit auch gesagt: in dir und dir und dir beginnt der Frieden. Du trägst ihn in dir. Teile ihn. Gib ihn weiter.Streite, träume, handle, fordere und kämpfe, wähle den Frieden. Ich schließe mit einem Wort, das meine tiefste Überzeugung ist:

„Selig sind, die Frieden stiften, den sie werden Gottes Kinder heißen!“ Ich danke euch für die Einladung zum Reden und für Eure Aufmerksamkeit.

 

Pfarrrerin Sabine Müller-Langsdorf ist Referentin für Friedensarbeit im Zentrum Oekumene der Evang. Kirche Hessen-Nassau in Frankfurt.