Redebeitrag von Uta Deitert (Ökopax) für den Ostermarsch Würzburg am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 12 Uhr -

 

Stoppt die Rüstungsexporte

 

Liebe Freudinnen und Freunde,

Seit 2000 sammelte und analysierte eine amerikanische Soziologie Professorin Daten über 250 bewaffnete und unbewaffnete Widerstandsbewegungen zwischen 1945 und 2000. Sie fand heraus: Das Ziel, autokratische Regierungen zu stürzen erreichten gewaltfreie Bewegungen mehr als doppelt so oft wie gewaltsame. Dasselbe stellten auch Autoren des Friedensgutachtens 2015 fest und darüber hinaus, dass demokratische Strukturen, die aus friedlichem Widerstand von innen hervorgingen viel stabiler und langlebiger waren als solche, die von oben oder außen herbeigeführt wurden.

Offensichtlich hat davon noch nie eine Bundesregierung etwas gehört, denn sonst verstünden sie ja, warum ihre Therapien, nämlich bewaffnete Interventionen und massenhafter Export von Kriegsgerät nicht wirken, nicht in Afghanistan, nicht im Irak und nicht in Afrika. So aber fällt unserer Regierung und ihren Verbündeten nichts anderes ein als die Dosis der giftigen Medizin immer weiter zu erhöhen: Erhöhung der Wehretats, mehr Kriegseinsätze und Überschwemmung der Welt mit Waffen.

Ende 2016 hat die GKKE, die gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung, ihren 20. Rüstungsexportbericht vorgelegt und darin beklagt, dass es über die Jahre eine stetige Zunahme des deutschen und internationalen Rüstungshandels gibt.

Deutschland hat im Berichtszeitraum 2015 seine Exporte gegenüber 2014 auf fast 13 Mrd.€ verdoppelt, das sind 4-5% des weltweiten Handels, und die bisher bekannten Daten aus 2016 deuten auf einen weiteren Anstieg hin. Insgesamt bringen es die EU-Staaten auf einen Anteil von 23%, macht zusammen mit den 33% des Spitzenreiters Amerika 56% für die NATO insgesamt. Die NATO trägt damit am meisten Verantwortung dafür, dass Gewaltkonflikte nicht eingedämmt sondern im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder neu munitioniert werden.

Dabei wird immer von Regierungsseite behauptet, unsere Rüstungsexport Politik sei sehr zurückhaltend; die rechtlichen Vorgaben auf Bundes-und EU Ebene verlangen das eigentlich auch. Aber in der Realität begegnen wir auf Schritt und Tritt Verstößen gegen die eigenen Bestimmungen.

Über die Jahre ist der Trend: Immer mehr Rüstungsgüter gehen in sog. Drittstaaten, das sind Länder die nicht zur EU oder NATO gehören und ihnen auch nicht gleichgestellt sind, z.B. Schweiz, Japan, Australien. 2015 gingen knapp 60% aller Lieferungen an Drittstaaten. Die gesetzlichen Vorgaben erlauben das nur ausnahmsweise, aber nicht einmal 1% solcher Anfragen wurden abgelehnt. In 34 dieser Staaten herrschen Gewaltkonflikte – Afghanistan, Pakistan, Irak und Länder in Nahost und Afrika. Lt. Richtlinien sind diese Länder auszuschließen, genauso wie Staaten, deren Menschenrechtslage schlecht ist, dazu gehören die arabischen Staaten.

Trotzdem war Katar der größte Empfänger deutscher Waffen, v.a. Kampfpanzer und Panzerhaubitzen, gefolgt von Südkorea, Israel, Algerien und Saudi Arabien. Im Fall Saudi Arabien ist nicht nur die Menschenrechtslage miserabel, mit Katar führen sie einen brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen, der dem in Syrien in nichts nachsteht, und nachweislich haben beide dort Kriegsverbrechen begangen. Einen echten Tabubruch hat es schon 2014 gegeben: Mit den kurdischen Peschmerga, die gegen Assad kämpfen, hat zum ersten Mal ein nicht-staatlicher Akteur deutsche Waffen bekommen. 2015 erhielten sie 3600 G36 Gewehre und 5 Mill. Schuss Munition + 200 Lenkflugkörper, obwohl man weiß, dass auch sie Kriegsverbrechen begangen haben und die Gewehre illegal weiterverkaufen – ein weiterer Beitrag zur Pest der Verbreitung von Kleinwaffen, die bekanntlich für die meisten Kriegstoten sorgen. In jedem Krieg auf der Welt wird auf allen Seiten mit G3 und G36 Gewehren geschossen, und Deutschland trägt die Hauptschuld.

Es mag Sie wundern, warum so offensichtliche Rechtsverstöße folgenlos bleiben.

Das hat drei Gründe: Die Vorgaben sind 1. schwammig formuliert, dann gibt es 2. eine Zauberformel: Die ganzen Bestimmungen gelten, sofern nicht „im Einzelfall außen-und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik für eine ausnahmsweise Genehmigung sprechen.“ Die genannten Zahlen zeigen, wie weit es mit den Ausnahmen her ist! Der Klageweg ist praktisch ausgeschlossen, weil der Kläger nachweisen muss, dass er persönlich einen Nachteil durch diesen laxen Umgang mit Vorschriften hat – wie soll das gehen?

Das Weißbuch 2016 zeigt, dass sich an dieser unseligen Genehmigungspraxis nichts ändern wird. In Weißbüchern legt die Regierung alle paar Jahre ihre künftige Außenund Sicherheitspolitik fest. Bzgl. Rüstungsexporte stehen da 3 wichtige Aussagen:

Die politischen Partner werden ertüchtigt, ihre Konflikte ohne Hilfe von außen militärisch lösen zu können. Dazu werden sie ausgerüstet und geschult. Dann:

Schlüsselindustrien im Rüstungssektor werden erhalten, auch mit Exportbeihilfen.

Und: Rüstungsproduktion-und Export sollen europäisiert werden. Dafür ist eine Harmonisierung der Vorschriften auf EU-Ebene nötig. So etwas führt in der Regel zu Abschwächung und nicht zu Verschärfung.

Eine Kehrtwende in der Rüstungsexport Politik kann nur mit den Kräften der Zivilgesellschaft erreicht werden. In der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ haben sich mehr als 100 Organisationen zusammengetan, um als Fernziel mit einer Änderung des Grundgesetzes ein komplettes Verbot von Waffenexporten zu erreichen. Der Weg dahin ist weit, aber immerhin hat die Ablehnung der Lieferung von 270 Leopard Panzern an Saudi Arabien gezeigt – öffentlicher Druck hilft. Als nächste Schritte fordern wir:

  • Exportverbot von Kleinwaffen und Munition
  • Ausnahmsloses Verbot von Lieferungen an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten
  • keine Ausfallbürgschaften des Staates für Rüstungsexportgeschäfte
  • Erlass eines Rüstungsexportkontrollgesetzes mit klaren, unumgänglichen Vorgaben. Darein gehört: ein Lieferverbot für klar festgelegte Länder; ein Verbandsklagerecht gegen Ausfuhrgenehmigungen; Debatte und Beschlussfassung über Waffenlieferungen erfolgen im Parlament, nicht im geheim tagenden Sicherheitsrat

Zum Schluss rufe ich auf: Unterstützt die Aktion Aufschrei z.B. indem Ihr im Vorfeld der Bundestagswahl Kandidaten Eurer Region anschreibt, Vorlagen stehen auf der Webseite der Aktion Aufschrei, da gibt es auch noch andere Aktionsvorschläge.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Ute Deitert ist aktiv bei der Gruppe Ökopax in Würzburg.