Redebeitrag von Antje Reichelt für den Ostermarsch Jagel am 30. März 2018

 

- Sperrfrist, Redebeginn: 30.03.2018, ca 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Der vergessene Krieg - wie eine Koalition der Willigen – den ärmsten Staat in der arabischen Welt, den Jemen,  in Schutt und Asche legt …

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Schon bevor sich der Konflikt im Jemen 2015 durch die Invasion einer arabischen Allianz, bestehend aus Saudi Arabien, Ägypten, Bahrain, Katar, Kuwait, VAE, Jordanien, Marokko, Sudan, Senegal; unterstützt von den USA,UK, Frankreich und Deutschland zuspitzte, war der Anteil der Bevölkerung, der an Unterernährung leidet, einer der größten weltweit. Nun verschärft sich die Situation zusehends. Über 20 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Fast 500.000 Kinder unter fünf Jahren leiden unter lebensbedrohender akuter Mangelernährung. Rund drei Viertel der Bevölkerung sind auf Nahrungsmittelunterstützung angewiesen. 7 Millionen von ihnen sind akut unterernährt. Durch verseuchtes Trinkwasser breitet sich im Sommer 2017 eine Cholera Epidemie immer weiter aus. Jeden Tag kommen 5.000 neue Verdachtsfälle hinzu. Die WHO ging Ende 2017 von fast einer Millionen Ansteckungen aus - unbehandelt führt Cholera innerhalb von wenigen Tagen zum Tod. Die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten humanitären Katastrophe weltweit. Mehr als 600 Gesundheitseinrichtungen und 1.600 Schulen wurden im Konflikt beschädigt oder zerstört. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 15.500 Menschen getötet worden. Drei Millionen Binnenflüchtlinge befinden sich im Land, die saudische See,-Land-und Luftblockade macht ein Verlassen des Jemen so gut wie unmöglich.

Diese Invasoren führen einen schrecklichen Stellvertreterkrieg auf Kosten der Zivilbevölkerung… das erklärte Ziel der saudischen Intervention ist es, die Hauptstadt in die Hände der Hadi Regierung zurückzuführen, sie wollen außerdem das Erstarken der schiitischen Huthis hemmen und sehen in ihnen einen Stellvertreter ihres Erzfeindes Iran. Keineswegs sind die Huthis aber bloß ein Stellvertreter Irans, sie sind vor allem auch eine politische Bewegung, die aus dem Wunsch nach politischer und wirtschaftlicher Partizipation entstanden ist.

Mittlerweile existiert der Machtanspruch der internationalen anerkannten Scheinregierung unter Hadi nur noch nominell! Im Süden übernimmt ein Übergangsrat die Funktionen der Regierung und im Norden haben seit dem Tod des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh die Huthis die Alleinherrschaft übernommen. Seitdem nun Donald Trump im weißen Haus sitzt, wird das saudische Königreich vorbehaltlos mit noch mehr Kriegsgütern gefüttert.

Trotz dieser Hungerblockade Saudi-Arabiens und seiner arabischen, wie westlichen Verbündeten gegen den Jemen, setzt Berlin die Aufrüstung der saudischen Küstenwache fort. Ende letzten Jahres ist ein Frachtschiff mit mehreren für Saudi-Arabien bestimmten Patroullienbooten aus der Ostsee in Richtung Rotes Meer aufgebrochen. Die saudische Küstenwache operiert unter anderem in jeminitischen Gewässern, wo Riad seit 2015 den Transport von Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten in den Jemen verhindert. Die von Riad auch unter Nutzung deutscher Schnell,-und Patrouillienboote herbeigeführte Hungersnot tötet laut Einschätzung der UNO tausende Menschenleben. (Quelle: german-foreign-policy - Beihilfe zur Hungersnot). Allein 2017 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte in Höhe von 1,3 Milliarden Euro an Staaten genehmigt, die direkt am Krieg gegen den Jemen beteiligt sind. Der Umfang an Genehmigungen nahm damit im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent zu. An der Spitze stehen Ägypten mit 708 Millionen Euro, Saudi Arabien mit 254 Millionen Euro und die VAE mit 214 Millionen Euro. Genehmigt hat diese  Verkäufe von Waffen und anderem Rüstungsgerät eine Bundesregierung, die beansprucht eine << zurückhaltende, verantwortungsvolle Rüstungspolitik >> zu verfolgen. Trotz des im aktuellen Koalitionsvertrag beschlossenen Exportstopp in Länder, die unmittelbar am Krieg im Jemen beteiligt sind, werden unter anderem die acht Patroullienboote auf der Lürssen Werft im vorpommerschen Wolgast ausgeliefert!  Vorausschauend hat die Bundesregierung schon vor den Koalitionsverhandlungen einen Bestandsschutz für bereits erteilte Vorgenehmigungen in den Koalitionsvertrag eingebaut. Dieser Pseudo-Rüstungsstopp gehört zur Propaganda der aktuellen und vorherigen Regierung, dem Bundessicherheitsrat, dem BK Merkel vorsteht! Insgesamt hat das Volumen der Rüstungsexporte in Spannungsgebiete unter der Regierung von Union und SPD zwischen 2014 und 2017 jedoch ein Rekordhoch von 25 Milliarden Euro erreicht. (Quelle: jungeWelt vom 26.03.2018 – Drei Jahre Massenmord)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch kurz auf die Verantwortung der Gewerkschaften, des DGB und hier insbesondere auf die IG Metall eingehen. Diese fordert im März 2018 die neue Bundesregierung auf, der Marineschiffsbau solle gestärkt und die Branche von der Konstruktion bis zur Wartung als Schlüsseltechnologie eingestuft werden, um auf diesem Wege die immer strengeren Exportrichtlinien zu umgehen. Die Maßnahme würde auch der Bundeswehr ermöglichen, Aufträge für maritime Großprojekte auszuschreiben und die Liste der Werften auf Betriebe mit Sitz in Deutschland zu begrenzen  - insbesondere das Großprojekt des Mehrzweckkampfschiffes 180 (MKS 180)! Wir sagen Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr, insbesondere zur Produktion von Kriegswaffen und zu Rüstungsexporten und fordern gleichzeitig von der IG Metall, sich ebenfalls für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung einzusetzen und nicht weiterhin der Propaganda um jeden Preis die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie zu erhalten zu müssen, aufzulaufen! (Quelle: KN vom 14.03.18 – IG Metall fordert Aufträge für Marineschiffbau). Anstatt weiter aufzurüsten fordern wir für die Angestellten der Rüstungsbetriebe zivile Alternativen. Statt 1775 Schützenpanzern oder 60 Eurofighter könnten 250.000 Sozialwohnungen gebaut werden – wir könnten das Bildungssystem stärken und es gebe eine Verantwortung weniger für das Flüchtlingselend weltweit!

In Saudi-Arabien gibt es außerdem eine eigene Rüstungsindustrie, die lange in Lizenz von Heckler&Koch das G3-Gewehr als Standardwaffe der saudischen Armee produzierte, heute wird dort das G36-Gewehr produziert. Ansonsten hat Deutschland vor allem Flugzeuge und Flugzeugteile geliefert. Die Flugzeuge kommen größtenteils aus Großbritannien, allerdings ist Deutschland an der europäischen Produktion mit rund 45% beteiligt, auch wenn die Exporte beim Weg über Großbritannien nicht in Deutschland genehmigt werden müssen und auch nicht in der deutschen Rüstungsexport-Statistik auftauchen. Außerdem hat Deutschland eine umfangreiche Technik für die Grenzsicherung geliefert, die Bundespolizei ist für entsprechende Ausbildungen verantwortlich. Damit will Deutschland dafür sorgen, dass Flüchtlinge aus Ostafrika, die jetzt über den Sudan und Libyen nach Europa kommen, nach einer Schließung der Mittelmeer-Route nicht über Saudi-Arabien und Jordanien und letztlich der Türkei ausweichen können. Für die Grenzsicherung wurde auch die Software geliefert, ebenso Hubschrauber und Drohnen geliefert. (Quelle: Broschürenreihe Deutschland und die Welt / Rüstungsexport 1. Auflage Okt. 2017 - ISBN 978-3-925900-85-3 )

Wir fordern eine Ächtung der Profite aus den Waffen und Rüstungsproduktionen und wir wünschen uns uneingeschränkte Solidarität mit den Menschen, die zu uns geflohen sind und dessen eigentliche Fluchtursache wir doch sind.

Solidarität mit den Menschen im Jemen; Solidarität mit den Menschen in Syrien/Afrin

 

Antje Reichelt ist bei attac aktiv.