Redebeitrag von Bernd Hahnfeld für den Ostermarsch Rhein Ruhr am 31. März 2018

 

- Sperrfrist: Redebeginn 31.03.2018, ca. 10 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Spannungen zwischen dem Westen und Russland

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Es gab eine hoffnungsvolle Stunde 0 – nach Jahrzehnten der Hochrüstung und des  Blockdenkens:

1990, mit dem Ende der West-Ost-Konfrontation beschworen die Staats- und Regierungs-Chefs der OSZE-Staaten mit der Pariser Charta ein „neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit“. Die westeuropäischen und die osteuropäischen Staaten, die USA und Kanada und die Sowjetunion. Alle sprachen von einer Zeit tiefgreifenden Wandels und historischer Erwartungen. Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas sei zu Ende gegangen. Sie erklärten, dass ihre Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gegründet seien und Konflikte friedlich geregelt würden.

Und was wurde daraus?

„Eisenharte Garantien“ hatte US-Außenministers James Baker dem sowjetischen Außenmister Eduard Schewardnadse und dem sowjetischen Präsidenten Michail Sergejewitsch Gorbatschow versprochen: Die NATO nicht nach Osten zu verschieben!  Spätestens ab 1993 fühlte sich die US-Regierung nicht mehr an das Versprechen gebunden. Sie nutzte die zeitweilige Schwäche Russlands aus und bot 1997 zunächst Polen, Tschechien und Ungarn und später weiteren ehemaligen Ostblockstaaten den Beitritt zur NATO an. Dazu kam es ab 1999. Die Proteste der russischen Regierung verhallten.

2001 kündigte die US-Regierung gegenüber Russland einseitig den ABM-Vertrag und begann die mit der Entwicklung von Atomraketen-Abwehrsystemen, die vor allem in Ost-Europa stationiert werden sollten. Angebote der russischen Regierung, ein gemeinsames Raketenabwehrsystem zum Schutz gegen die befürchteten iranischen Raketenangriffe zu installieren, lehnte die US-Regierung ab. Die Raketenabwehr wurde von der NATO 2010 beschlossen und in Polen und Tschechien aufgebaut. Russland sah darin eine massive Bedrohung der eigenen strategischen Interkontinental-Atomraketen und den Versuch der USA, sich militärisch unverwundbar zu machen. Die russische Regierung drohte mit der atomaren Aufrüstung und mit Gegenschlägen im Konfliktfall.

Strategisch verfolgten die US-Regierungen offensichtlich das von dem früheren Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski 1977 formulierte Ziel, die USA müsse sich nach dem Zerfall der Sowjetunion die Vorherrschaft auf dem „großen Schachbrett Eurasien“ sichern. Die sich entwickelnde Annäherung Europas und Russlands hintertrieben die US-Regierungen nach Kräften.

Das Vertrauen der russischen Regierung in die Friedensabsichten der USA und ihrer Verbündeten wurde nachhaltig gestört, als eine Militär-Koalition westlicher Staaten einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates zum militärischen Regimewechsel in Libyen missbrauchte. Der Sicherheitsrat hatte lediglich dazu ermächtigt, die gefährdete Zivilbevölkerung zu schützen. Das erklärt, warum Russland seitdem im UN-Sicherheitsrat häufiger sein Veto einlegt, wenn zum Schutz der Zivilbevölkerung militärische Einsätze beschlossen werden sollen.

Bis heute wird Russland angeklagt, es habe die Krim annektiert. Das ist nachweislich falsch. Denn die überwiegend russischstämmige Bevölkerung der Krim hat mit großer Mehrheit für den Anschluss an Russland gestimmt. Russland kann lediglich vorgeworfen werden, dass das dort stationierte russische Militär während der Abstimmung die Kasernen verlassen hat und dass die russische Regierung den Aufnahmeantrag der gewählten Regionalregierung der Krim angenommen hat. Gebrochen wurde durch den Aufnahme der Krim kein Völkerrecht, sondern die ukrainische Verfassung. Diese war übrigens bereits zuvor durch das Parlament gebrochen worden, das nach dem Verschwinden des gewählten Präsidenten ohne Mandat eine neue westlich orientierte Regierung wählte.

Westliche Staaten und Medien werfen Russland weiterhin vor, es befeuere den Krieg in Syrien. Verschwiegen wird dabei, dass Russland seit 1980 einen Freundschafts- und Kooperationsvertrag mit Syrien hat, der im Falle eines Angriffs durch andere Staaten militärischen Beistand vorsah. Demgegenüber sind Einsätze westlicher Flugzeuge und Soldaten in Syrien vom Völkerrecht grundsätzlich nicht gedeckt. Nur die irakische Regierung hat westliche Staaten um militärischen Beistand gegen den Vormarsch des IS im Irak gebeten. Syrien hat nur Russland und den Iran um Hilfe gebeten.

Ein letztes beschämendes Beispiel westlicher Voreingenommenheit ist der Giftgasanschlag in Salisbury/Großbritannien. Das freigesetzte Giftgas ist in zwei Komponenten in der Sowjetunion entwickelt worden. Zugang zu den Komponenten hatten mehrere Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Eine Forschungsstätte lag in Usbekistan. Beim Zerfall der Sowjetunion hat die USA die Stilllegung der Anlage in Usbekistan und die Vernichtung des Giftgases übernommen. Schleierhaft ist, warum in einer beispiellosen Medienkampagne und durch westlich Regierungen ohne konkrete Beweise die heutige russische Regierung für den Anschlag verantwortlich gemacht wird. Der Vorwurf gegen Russland wird übrigens dadurch nicht glaubhafter, dass mehr als 20 westliche Staaten als sogenannte Sanktion russische Botschaftsangehörige ausweisen. So kann man Krisen anheizen und in politisch ausweglose Situationen geraten.

Wie kann es dazu kommen, dass in fast allen diesen Fällen Russland als der Bösewicht an den Pranger gestellt wird? Wo bleiben die konkreten Analysen, wo die Fairness? Sollte ein westliches Konzept der Verteufelung Russlands und speziell Putins dahinter stecken? Wenn ja, mit welcher Absicht?

Natürlich ist Russland nicht völlig unschuldig an der Verschlechterung seiner Beziehungen zum Westen. Die treibende Kraft dafür sitzt aber an anderen Orten. Das Interesse Deutschlands ist die Aussöhnung und eine gutes Verhältnis zu Russland. Die Sowjetunion hat durch den Vernichtungskrieg des NS-Regimes unglaubliches Leid und unbeschreibliche Schäden erlitten. 58 % unserer Bevölkerung wünscht eine Annäherung an Russland. Packen wir es an!

Die Stationierung deutschen Militärs an den Grenzen Russlands ist kein vernünftiger Beitrag zur Entspannung. Wann erkennen unsere Politiker, dass sie sich für US-amerikanische Interessen missbrauchen lassen?