Redebeitrag von Christine Buchholz für den Ostermarsch Aschaffenburg am 31. März 2018

 

- Sperrfrist, Redebeginn: 31.03.2018, ca. 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Grenzen für Flüchtlinge öffnen und für Waffen schließen

 

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir demonstrieren hier heute gegen eine Weltordnung, in der Krieg – und die Androhung von Krieg alltäglich sind. Blicken wir in den Nahen und Mittleren Osten. Die türkische Armee ist nach Syrien vorgerückt, um die kurdische Selbstbestimmung im Kanton Afrin zu zerstören. Nun will der türkische Präsident Erdogan den Krieg fortsetzen. Und er plant, in den eroberten Gebieten einen Bevölkerungsaustausch durchsetzen. Große Teile der dort ansässigen kurdischen Bevölkerung droht die dauerhafte Vertreibung. Und was macht die Bundesregierung? Seit Merkel Kanzlerin ist, lieferte Deutschland über 350 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 an die Türkei. Und es sind genau diese Panzer, die nun in Afrin das Ende der kurdischen Selbstbestimmung besiegelt haben. Seit Beginn der Offensive in Afrin hat die Bundesregierung Ausfuhrgenehmigungen im Wert von 4,4 Mio Euro erteilt. Kanzlerin Merkel und ihre Regierungen: Sie sind mitschuldig an den Verbrechen, die gegen Kundinnen und Kurden verübt werden!

Doch nicht nur in Afrin wird gekämpft. 

Weiter im Süden des Landes legt das Assad-Regime zusammen mit seinen russischen Verbündeten die östlichen Vororte von Damaskus in Schutt und Asche. Gezielt wurden Wohngebiete, Behelfskrankenhäuser und Zivilschutzkeller angegriffen. Das Assad-Regime verübt Kriegsverbrechen. Doch der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes, BND-Präsident Bruno Kahl, sprach sich vor kurzem für die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit eben diesem Assad-Regime aus. Gab es einen Aufschrei in den Medien? Nein. Stattdessen wurde Kahl von Politikern aus CDU/CSU, SPD, FDP und AfD unterstützt. Ich sage: Weder Erdogan, noch Assad sind Partner. Sie sind Kriegsverbrecher, die man nicht unterstützen und mit denen man nicht zusammenarbeiten darf.

Und vergessen wir nicht: Die Bundeswehr ist Teil der US-geführten Kriegskoalition im Mittleren Osten.Seit 2014 haben die USA und ihre Verbündeten über 105.000 Bomben und Raketen auf Ziele in Syrien und Irak abgefeuert. Die deutsche Luftwaffe unterstützt dies. Sie fliegt vom jordanischen Stützpunkt Al-Asraq sogenannte Aufklärungsflüge. Das heißt, sie liefert Zielbilder für Angriffe. Außerdem betankt sie Bomber in der Luft. Unzählige Zivilisten fielen diesen Bombardements zum Opfer. So zum Beispiel vor einem Jahr in dem syrischen Dorf Al-Mansura. Dort traf ein Angriff der US-geführten Koalition ein Schulgebäude traf. Die Zielbilder dafür lieferte die Bundeswehr. Erst sprach die Bundesregierung von 33 Toten. Tatsächlich starben in den Trümmern etwa 200 Zivilisten – es waren Binnenvertriebene aus Syrien, darunter viele Mütter mit ihren Kindern. Ich sage: Damit war die Bundeswehr an einem Kriegsverbrechen beteiligt! 

Ein Kriegsverbrechen wie 2009 im afghanischen Kundus, als ein Bundeswehroffizier einen Angriff befahl, bei dem über 100 Zivilisten starben. Es ist Zeit, die Lehren aus diesen Verbrechen zu ziehen. Die Bundeswehr hat nichts in Afghanistan verloren. Und sie hat auch nichts im Nahen und Mittleren Osten verloren.

Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgezogen werden!

Doch leider lernen die Regierungsparteien rein gar nichts. Seit die neue GroKo gebildet worden ist, geht die Politik weiter stramm in die falsche Richtung. Erste Maßnahme war die Aufstockung der Einsätze in Afghanistan und Mali. Der Einsatz im Irak wird erweitert. Nun sollen auch noch Soldaten des korrupten Regimes in Bagdad ausgebildet werden.

Mit welchem Ziel? In Afghanistan ist die Bundeswehr seit 2002 im Krieg. Doch der Einsatz nimmt kein Ende. Internationale Militäreinsätze – das ist die Lehre – lösen keinen einzigen der vielen lokalen Konflikte. Aber sie verschärfen viele.

Es geht nicht um Frieden, sondern um die Interessen des deutschen Kapitals und darum, das politische Gewicht Deutschlands in der so genannten internationalen Gemeinschaft zu erhöhen, um die Interessen des deutschen Kapitals durchzusetzen.

Das alles kostet viel Geld. Wir hören und lesen überall über die angeblichen Mängel der Bundeswehr. Aber: es sind sowohl die vielen Auslandseinsätze der Bundeswehr – derzeit sind es fünfzehn – als auch die zahlreichen Manöver gegen Russland sowie die NATO-Stationierung, z.B. in Litauen, aufgrund derer die Bundeswehr überdehnt ist. Die Lösung wäre ganz einfach: Einfach die Einsätze reduzieren oder besser ganz beenden! 

Doch anstatt die Einsätze herunterzufahren, kennen die Ursula von der Leyen und die Große Koalition nur eine Marschroute: Immer mehr Aufrüstung für immer mehr Einsätze. Die „Agenda Rüstung“, die Ministerin von der Leyen 2016 aufgelegt hat, sieht nicht weniger als 1.600 Aufrüstungs- und Modernisierungsvorhaben vor. 1.600! Die gesamte Agenda Rüstung soll 130 Milliarden Euro kosten. Wohlgemerkt: Das sind zusätzliche Investitionen, neben dem laufenden Geschäft.

Und wir wissen: Auch diese Berechnung ist nur vorläufig. Die Kosten für laufende Projekte steigern sich Jahr für Jahr für Jahr!

Und wer macht den Profit? Die Rüstungsindustrie. Wir fordern die Konversion, das heißt die Umstellung der Rüstungsbetriebe auf zivile Produktion. Schwerter zu Pflugscharen – das bleibt unsere Devise!

Auch vom Rüstungsexport profitieren die Konzerne. Es zählt der Profit und nicht die Menschenrechte. Im Sondierungspapier zwischen SPD und CDU/CSU hieß es noch, es werde keine Exporte mehr an Länder geben, die am Jemenkrieg beteiligt sind.  Einen Monat später, in der Koalitionsvereinbarung, hieß es dann abgeschwächt: Es wird keine Rüstungsexporte an Länder mehr geben, die am Jemenkrieg „unmittelbar“ beteiligt sind. Was immer auch „unmittelbar“ heißt! Und was macht die Bundesregierung letzte Woche? Sie genehmigt die Lieferung von bewaffnungsfähigen Patrouillenbooten an Saudi-Arabien! Ist Saudi-Arabien etwa nicht „unmittelbar“ am Jemenkrieg beteiligt? Nein, Saudi-Arabien ist dort der Hauptkriegstreiber! Außerdem hat Saudi-Arabien gegen jemenitische Häfen eine Hungerblockade verhängt. Die deutschen Patrouillenboote aber sind geeignet, genau diese Blockade weiter durchzusetzen. Wer Patrouillenboote liefert, die die Lieferung von dringend benötigten Nahrungsmitteln und Medikamenten unterbindet, betreibt nichts anderes als Beihilfe zu Kriegsverbrechen!

Diese GroKo ist noch kein Monat im Amt und bricht schon die wenigen dürftigen Versprechungen, die sie gemacht hat. Was für ein Armutszeugnis! Diese Regierung steht für: Krieg, Rüstungsexporte, Aufrüstung. 

Und dann verbreitet sie die Lüge, dass an der Bundeswehr gespart worden sei. Tatsache ist: von 1999 bis 2017 stieg der Militärhaushalt von umgerechnet 24 auf über 37 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von mehr als 50%. In den nächsten vier Jahren kommen in Summe 15 Milliarden dazu. Und dann hat sich die Bundesregierung auch noch mit EU-Staaten auf einen zusätzlichen europäischen Militärhaushalt verständigt. Diese Aufrüstung muss aufhören! Abrüstung ist das Gebot der Stunde!

Jede Rüstungsmaßnahme wird mit dem Schutz von Soldaten gerechtfertigt. Jeder Auslandseinsatz wird als Maßnahme zur Schaffung von Frieden oder „Stabilität“ gerechtfertigt. Unter dem Strich sehen wir: all das ist Teil eines Rüstungswettlaufes, der Deutschland, Europa und die Welt immer unsicherer macht. Auch die Rivalität zwischen den Nuklearmächten USA, Russland und China wächst. Es ist nicht nur die Linke, die das sagt. Ich zitiere Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, auf der sich erst im Februar die Herrschenden der Welt und ihre sogenannten Verteidigungs- und Sicherheitsexperten trafen. Ischinger meint, Zitat: “Wir haben noch nie seit dem Ende der Sowjetunion eine so hohe Gefahr auch einer militärischen Konfrontation von Großmächten gehabt.“ Die Gefahr eines internationalen Krieges zwischen den Großmächten oder sogar eines Atomkrieges ist real. Und sagen wir deutlich, wer die größte Gefahr darstellt: Es ist der Präsident der NATO-Vormacht USA, es ist Donald Trump. In unverantwortlicher Weise droht er das Abkommen mit Iran aufzukündigen, verstärkt den Drohnenkrieg gegen Pakistan und drohte Nord-Korea mit – Zitat – „der völligen Zerstörung“. 

All das ist Grund genug und endlich aus der NATO auszusteigen. Die Nato bringt keinen Frieden. Sie bedroht den Frieden. Als erste Schritte muss Deutschland die US-Standorte wie in Ramstein schließen, um nicht mehr Teil des US-Drohnenkrieges zu sein. Auch die US-Atomwaffen aus Büchel müssen umgehend abgezogen werden!

Dieses Jahr gibt es viel zu tun. Wir werden demonstrieren, in Büchel und wenn die NATO im Sommer zu ihrer nächsten Tagung zusammenkommen in Brüssel zusammenkommt!

Eins ist mir Wicht: ein militarisiertes Europa, wie es auch die große Koalition will, ist keine Antwort. Genauso wenig wie mehr deutscher Militarismus. Unser Kampf für Frieden ist auch ein Kampf gegen Rassismus und Nationalismus.Es ist doch kein Zufall, dass es dieselben sind, die am lautesten die Abschiebung von Flüchtlingen in Kriegsgebiete fordern, und  zugleich den deutschen Militarismus der Vergangenheit wieder salonfähig machen wollen. Ich rede von Alexander Gauland, dem Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag. Gauland forderte im letzten Sommer: Wir sollten stolz darauf sein, was deutsche Soldaten in beiden Weltkriegen getan hätten. Nein! Wir sind nicht stolz auf Angriffskriege. Wir sind nicht stolz auf die Verstrickung in den Vernichtungskrieg der Nazis. Die Lehre des zweiten Weltkriegs lautet: Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus!

Was wir dieses Jahr brauchen, sind deshalb erstens: Proteste gegen Krieg. Und zweitens: Proteste gegen die nationalistischen und rassistischen Hetzer der AfD. Hier in Bayern wird in Augsburg der AfD-Parteitag am 30. Juni stattfinden. Lasst uns die Gegendemonstration so stark machen, wie wir können! Der Rassismus der AfD gegen Geflüchtete und Muslime allein ist Grund genug, aber es gibt dafür auch antimilitaristische Gründe. Gerade in Bayern. Bevor der Oberst der Reserve Gerold Otten für die bayerische AfD in den Bundestag zog, war er – man höre und staune – bei Airbus Defence and Space als „Eurofighter Sales Director“ tätig. Noch vor einem Jahr hat er als leitender Angestellter des größten deutschen Rüstungsunternehmens persönlichen Nutzen aus dem Export dieser Kriegsflugzeuge gezogen. Im Wahlkampf meinte er gleichzeitig, man müsse – Zitat – „auf Staaten, die abgelehnte Asylbewerber aus ihrem Land nicht zurücknehmen wollen, Druck auszuüben“. Wen wundert es, dass die AfD, In der sich Rassisten, Nationalisten und vormaligen Vertreter der Rüstungsindustrie tummeln, ein vehemente Fürsprecherin für Aufrüstung ist?!

Abschließend möchte ich betonen: Solidarität ist unsere Alternative. Solidarität mit Menschen, die Opfer der Kriege werden, die auch Deutschland mitführt und mit finanziert. Erst diese Woche gab es erneut eine Sammelabschiebung nach Afghanistan. Wie können Politiker der regierenden Parteien die Aufstockung der Bundeswehr in Afghanistan beschließen, mit der Begründung, das Land sei zu unsicher.  Aber dann wenige Tage später eine Sammelabschiebung nach Afghanistan mit der Begründung durchführen, das Land sei dafür sicher genug!? Es ist eine Schande!

Die Bundesregierung kann keine detaillierte Einschätzung über die Sicherheitslage geben. Aber die Schreibtischtäter in den Ministerien lassen abschieben. Die UNO hat neue Zahlen veröffentlicht: Mehr als 100.000 afghanische Binnenflüchtlinge und Rückkehrer aus Pakistan leben derzeit unter freiem Himmel oder in Zelten. Mindestens 700.000 Menschen haben keinen Zugang zu Bildung. Fast zwei Millionen Afghanen können keinen Arzt aufsuchen. Und fast jede Woche explodieren in Kabul und anderen Orten in Afghanistan Bomben. Doch Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Maas behaupten, die Lage in Afghanistan verbessere sich langsam! Das sind Lügen! Lügen, um ihren Endloskrieg zu rechtfertigen. Lügen, um ihre unmenschlichen Abschiebungen zu rechtfertigen!

Und jetzt werden noch Überlegen laut, ob es nicht sichere Regionen in Syrien gebe, um dahin abzuschieben. Es ist kein Zufall, dass die Innenminister von Bayern uns Sachsen das fordern. Afghanistan ist nicht sicher und Syrien ist nicht sicher. Es darf keine Abschiebungen geben!

Lasst mich zum Schluss nochmal zusammenfassen:

  • Für  den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, Mali, Irak und allen anderen Einsatzgebieten.
  • Für Abrüstung, statt Aufrüstung.
  • Für ein Ende aller Waffen- und Rüstungsexporte.
  • Für ein Ende aller Abschiebungen.
  • Grenzen auf für Flüchtlinge - Grenzen auf für Waffen!
  • Unsere Antwort heißt Solidarität. Solidarität mit all jenen, die gegen Krieg, Nationalismus und Repression und für Gerechtigkeit kämpfen. Überall auf der Welt. Für eine andere Welt!

Vielen Dank!

 

Christine Buchholz ist Abgeordente des deutschen Bundestages für die Partei Die Linke.