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Redebeitrag von Doris Achelwilm für den Ostermarsch Bremen am 31. März 2018
- Es gilt das gesprochene Wort -
Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
mein Name ist Doris Achelwilm, seit September bin ich als Bremerin und LINKE im Bundestag, seit rund 4 Wochen gibt es die neue alte Bundesregierung. Wissen Sie, über wie viele Bundeswehreinsätze ich seit September abgestimmt habe? Es waren 11. Als am Anfang sonst nichts ging – für die Verlängerung von Auslandsmandaten kam das Plenum zusammen. Dabei hat der Krieg am Hindukusch in den letzten 17 Jahren, seit Beschluss des ersten Bundeswehrmandats für Afghanistan, eine Bilanz, die eindeutig einen Politikwechsel in der Außenpolitik fordert: zigtausende Todesopfer, zerstörte Infrastruktur, höchst instabile Lagen und die Vermehrung neuer Fronten. Inwiefern kann also bei den Bundeswehrmandaten, die immer wieder zur Genehmigung anstehen, von „friedenserhaltenden“ Missionen gesprochen werden? Wie kommt die Bundesregierung darauf, Afghanistan ein sicheres Herkunftsland zu nennen? Wie kommt sie darauf, dass mit Auslandseinsätzen dieser Art der sog. IS besiegt würde. Und wie kommt sie darauf, den IS besiegen zu wollen, wenn sie sich beim Angriffskrieg der Türkei gegen Afrin letztlich auf Erdogans Seite stellt? Kurz: Diese ganze Logik ist monströs, verdreht und falsch, sie bringt nichts Gutes, und es wäre höchste Zeit, mit ihr zu brechen und eine ernsthafte Friedens- und Verständigungspolitik anzufangen.
Wir stehen hier, um Protest, Widerspruch und demokratische Interessen anzumelden, und wir stehen hier, weil wir nicht akzeptieren können, dass diese Außenpolitik durch die neue GroKo auch noch weitergetrieben wird: Die Bundesregierung will die Truppen in Afghanistan aufstocken und 1.300 deutsche Soldaten in Afghanistan an der Ausbildungsmission der NATO beteiligen, rund ein Drittel mehr als jetzt. Unser Appell, hier vom Bremer Marktplatz, und von vielen anderen Ostermärschen bundesweit, lautet: Beendet diesen Kurs! Macht Platz für Vernunft und Frieden! Kümmert Euch um Sinnvolleres als die Verteidigung geostrategischer Interessen. Es gibt hierzulande – und international – genug Wichtiges und Richtiges zu tun statt die Bundeswehr-Präsenz in Afghanistan und dem Irak zu stärken. Schluss damit.
Es versteht sich übrigens von selbst, dass ich und meine Fraktion DIE LINKE seit September elfmal gegen diese Auslandseinsätze gestimmt haben. Wir bleiben verlässlich und arbeiten daran, dass diese Haltung mehrheitsfähig wird. In diesem Sinne werben wir auch darum, dass die SPD ihr außenpolitisches Verhalten ändert. Im Koalitionsvertrag hat die SPD dem 2%-Ziel der NATO zugestimmt. Dieser Beschluss bedeutet konkret, dass die Militärausgaben bis 2024 fast verdoppelt werden sollen, damit 2% des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung ausgegeben wird. Dabei ist das Ministerium von Frau von der Leyen jetzt schon der zweitgrößte Posten im gesamten Bundeshaushalt. Das Ziel einer noch stärkeren Beteiligung der deutschen Armee an Kriegen weltweit – es ist falsch, und die SPD müsste das nicht nur wissen, sondern auch danach handeln.
Absolut kritikwürdig ist auch die wachsende innenpolitische Verzahnung der Armee mit Polizeibehörden – wie bei der gemeinsamen Übung GETEX vor einem Jahr in Bremen, gegen die wir protestiert haben. Gleichzeitig gibt es die Tendenz zur Militarisierung bei den Spezialkräften der Polizei: In Baden-Württemberg ist seit neustem ernsthaft im Polizeigesetz geregelt, dass die Polizei Handgranaten, also Kriegswaffen, einsetzen darf. Auch neuangeschaffte Panzerfahrzeuge der Polizei sehen heute schon aus wie Schützenpanzer der Armee. Wo soll das noch hinführen.
Die Bundeswehr besucht bundesweit mittlerweile sogar Kindertages-stätten, das hat eine Anfrage der Linksfraktion ergeben. Hier in Bremen noch nicht, dafür unterhält die Bundeswehr trotz gesetzlicher Zivilklausel einen dualen Studiengang an der Hochschule. Die Bundeswehr als modernes Unternehmen produziert neuerdings auch TV-Serien, teure Plakatkampagnen und Radiospots. All das leistet einer gesellschaftlichen und medialen Normalisierung oder sogar Beschönigung von Kriegseinsätzen Vorschub. Als LINKE lehnen wir das entschieden ab.
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir stehen hier, weil wir trotz aller Kenntnisse und Aktionserfahrungen immer wieder schockiert sind, wie vielfältig unser kleines Bundesland als Rüstungshochburg in die weltweiten Kriege und Konflikte eingebunden ist: Munitionstransporte über die Bremischen Häfen, Exporte von Kriegsschiffen nach Saudi-Arabien, Rüstungstreffen in den städtischen Messenhallen, all das ist hier Standard. Wir müssen mehr werden, um uns gegen diese ganzen Orte und Anzeichen einer wachsenden Militarisierung sichtbar zur Wehr zu setzen. Und wir müssen versuchen, noch mehr Transparenz zu schaffen und mit unseren Themen ins Gespräch zu kommen:
Eine Anfrage, die ich kürzlich an das Bundeswirtschaftsministerium gestellt habe, zeigt, dass der Bremer Anteil an den genehmigten Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien letztes Jahr bei 64 Prozent lag. 2 von 3 deutschen Waffenexporten nach Saudi-Arabien stammen von Bremer Firmen, in diesem Fall v.a. von der Lürssen-Werft. Ist diese unfassbare Größenordnung eigentlich ausreichend bekannt? Ist ausreichend bekannt, dass Saudi-Arabien einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Zivilbevölkerung im Jemen führt? Der Krieg im Jemen ist dermaßen blutig und katastrophal, dass das Rote Kreuz vor der größten Cholera-Epidemie der Geschichte warnt. Das islamistische Regime in Saudi-Arabien unterstützt im ganzen Nahen Osten salafistische Terrorgruppen, unter anderem in Syrien und Libyen. Wie kann man solche Krisenregionen von Deutschland aus beliefern, warum wird das genehmigt? Es muss noch viel lauter angeprangert werden, dass SPD und CDU zusammen mit Rüstungskonzernen diese Art von Außenpolitik bestimmen – ganz gleich, wie oft sie in Bundestagsreden betonen, wie bedauerlich das alles ist. So weiterzumachen hat schwer zu heilende Folgen - es bedeutet, humanitäre Katastrophen mitzuproduzieren, Terrorgruppen zu stärken, Menschen zur Flucht zu zwingen und den Nahen Osten weiter zu destabilisieren. Diese Politik ist das Gegenteil von Abrüstung und nachhaltiger Friedens- und Verständigungspolitik.
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich möchte zum Abschluss nicht verschweigen, wie traurig und wütend mich der aktuelle türkische Angriff auf das friedliche kurdische Kanton Afrin in Nordsyrien macht.
Afrin und die benachbarten Städte werden mit modernsten NATO-Waffen, geliefert von der Bundesregierung, angegriffen und von salafistischen Milizen besetzt und ausgeplündert. 200.000 Menschen sind vertrieben worden. Gleichzeitig verhandelt die EU über weitere Milliardenzahlungen an Ankara im Rahmen des EU-Türkei Flüchtlingsdeals. Hier werden also Geflüchtete bekämpft und ferngehalten, die durch die NATO-Politik überhaupt erst flüchten mussten. Ich bin wirklich fassungslos – und dann auch wieder nicht.
Wenn man die ganze moralische Verkommenheit dieser aktuellen Regierung bewerten will, lohnt übrigens ein Blick zurück in die Geschichte. Unter Helmut Kohl und Hans Dietrich Genscher, wahrlich keine Linken, wurden 1992 alle Rüstungsexporte in die Türkei vollständig gestoppt und ein komplettes Waffenembargo verhängt. Der Grund war auch damals ein brutaler Krieg der türkischen Armee gegen die Kurdinnen und Kurden. Das wäre die richtige Antwort auf Erdogan. Aber auf diese Idee kommt die GroKo nicht.
Auch deshalb ist es wichtig, dass die Friedensbewegung zu neuer Stärke kommt und wir deutsche Panzerdeals und Rüstungslieferungen in die Türkei gemeinsam mit unseren kurdischen Genoss*innen stoppen. Ich danke Ihnen für die Beteiligung hier und die Aufmerksamkeit für meine Worte. Wir sehen uns im Parlament und auf der Straße!
Doris Achelwilm ist Abgeordenete des Deutschen Bundestag für die Partei Die Linke.