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Redebeitrag von Heidi Kassai für den Ostermarsch Büchel am 2. April 2018
- Es gilt das gesprochene Wort -
Empowerment – I can – you can – we can 2018
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlichen Dank dass ich dieses Jahr zu Ihnen sprechen darf, dem 60sten Jahr seit es Ostermärsche gibt, denn seit dem 25.3.1958 wird Deutschland durch die NATO mit atomarer Bewaffnung aus- und aufgerüstet.
Es ist Zeit für einen Abschied von Atomwaffen – und wir haben allen Grund optimistisch zu sein, denn 2017 markiert einen Wendepunkt zu Frieden und Abrüstung. Warum ? Der Atomwaffenverbotsvertrag vervollständigt die internationalen Rahmenbedingungen, um alle Massenvernichtungswaffen endgültig zu verbieten und dies als gesellschaftliche Norm geltend zu machen. Ich sage das trotz der Aufrüstungsspirale, die gerade stattfindet, weil ich ermutigt bin, dass die weltweite Bewegung, deren Zeugen wir alle sind am Ende gewinnen wird : ich spreche von ICAN mit ihren 468 Partnerorganisationen. Es sind 100.000 ende von Einzelpersonen, Zivilgesellschaften, Organisationen, humanitäre Initiativen, Überlebende der Atombombenabwürfe 1945 und Opfer der Atombombenversuche, deren Beitrag hierfür anerkannt und gesehen wurde – weltweit.
Setsuko Thurlow sagte in ihrer Nobelpreis-Rede:
„Menschlichkeit und Atombomben können nicht koexistieren. Diese Waffen sind kein notwendiges Übel, sie sind das ultimative Übel“.
Welches Denken liegt dennoch bei denen zugrunde, die meinen, nukleare Waffen unbedingt besitzen zu müssen ? Es ist folgendes Gedankengut :
Die Existenz derjenigen grundsätzlich zu verneinen, die als Feindbilder gesehen werden und bereit zu sein, sie mit einer extrem zerstörerischen Kraft auszulöschen.
Doch sowohl Feindbilder als auch Atombomben sind Erfindungen von Menschen und können nur von diesen wieder abgeschafft werden. Wir müssen also vor allem die Gedanken, die zu Atombomben führen, für immer, oder immer wieder, korrigieren, um Massenvernichtungswaffen und damit den Willen, andere zu zerstören, endgültig zu eliminieren. Diese Änderung geht von dem einzelnen Menschen aus. Daher ist ein kollektiver Wunsch einzelner Menschen nach Frieden die einzige Möglichkeit für eine Änderung hin zum dauerhaft Friedlichen. Solange es Atomwaffen gibt, wird die Frage des Weltfriedens und der Menschenrechte nicht gelöst werden können.
Der Verbotsvertrag, der das Recht auf Leben und die Würde jedes einzelnen Individuums beschützen wird, kommt jetzt in eine entscheidende Phase. Wir müssen uns jetzt noch stärker zusammentun – die Solidarität der einfachen Menschen wird die treibende Kraft sein, dass alle Menschen in Frieden und Würde leben können.
Sicher haben Sie alle auch die Freude miterlebt, die um den Globus ging, als ICAN den Friedensnobelpreis verliehen bekommen hat. Diese Freude stammt vor allem aus der Bestätigung, dass, wenn sich einzelne Menschen zusammentun und einen langen Prozess der Bemühung durchleben, tatsächlich den Verlauf der Geschichte ändern können. Es ist die Art der Freude, die aus der Befähigung kommt, die menschlichen Herausforderungen gemeinsam lösen zu können und das Schicksal dieser Erde nicht den Machthabern überlassen zu müssen/ zu wollen.
Beispielhafte früherer Friedensnobelpreisträger :
Wangaari Matthai hatte das Motto: „Jede/r Einzelne kann etwas tun“. Sie war zwar eine einzelne Person, aber doch nicht allein: mit hunderttausenden von Frauen hat sie Kenia wieder aufgeforstet.
Martin Luther King – (4.4.1968 – ermordet) hat 2018 sein 50.stes Todesjahr
Auch er war nur am Anfang allein; hunderttausende Menschen sind auf die Straße gegangen und haben gemeinsam gegen Apartheit boykottiert - und gewonnen.
Auch wir können etwas tun : mit Abgeordneten sprechen, unsere Bank prüfen und ggf wechseln, Unterschriften sammeln, in Büchel, am Wohnort oder in Berlin protestieren, Foren schaffen für Aufklärung zum Thema Atomwaffen, und täglich die eigenen Vorurteile übewinden!!
Und wie ist es mit den Atomwaffen ? 122 Nationen haben sich für den Verbotsvertrag ausgesprochen.
Das ist die Mehrheit der Nationen, genau gesagt 2/3!
Ein ganzer Kontinent ist bereits seit 1996 auf Wunsch ihrer Bewohner zu einer nuklearfreien Zone erklärt worden: nämlich Afrika mit über 50 Staaten !
Lateinamerika und die Karibischen Inseln sind weitere Beispiele nuklearfreier Zonen, sogar mit der Verankerung gleicher humanitärer Rechte für alle.
Jüngst hat Österreich als erstes europäisches Land den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert! Und nun sind es schon 7 Staaten, die ratifiziert haben : Der Vatikan, Guyana, Thailand, Mexiko, Kuba, Österreich und Venezuela !!! Ist das nicht ermutigend? Eine nichtaufzuhaltende Bewegung!
Der Begriff „Atomwaffenstaat“ wird bald ein zu verachtendes Gesicht bekommen. Beatrice Fihn, die Geschäftsführerin von ICAN sagte in ihrer Nobelpreis-Rede : „Keine Nation brüstet sich heutzutage mehr damit, chemische Waffen zu haben. Keine Nation behauptet, dass es unter extremen Umständen akzeptable ist, das Nervengas Sarin einzusetzen. Keine Nation nimmt für sich das Recht in Anspruch, ihre Feinde mit der Pest oder Kinderlähmung zu überziehen. Das ist so, weil internationale Regeln aufgestellt wurden und sich Wahrnehmungen verändert haben. Und nun haben wir endlich eine unmißverständliche Regel gegen Atomwaffen....mit jedem Unterzeichner und jedem weiteren Jahr greift diese Wirklichkeit mehr.“
Die Religionen liefern uns den philosophischen Unterbau für die symbiotische Koexistenz aller Dinge. Als Buddhistin möchte ich hier meinen Mentor, Daisaku Ikeda, zitieren, der dieses Weltbild folgendermaßen veranschaulicht :
...“Wir könnten uns den Regen vorstellen, der unterschiedslos und mitfühlend die ganze Erde befeuchtet und Leben aus allen Bäumen und Gräsern hervorbringt, unabhängig davon, ob sie groß oder klein sind. Es ist eine wunderbare Hymne auf die Vielfalt der menschlichen und aller anderen Erscheinungsformen des fühlenden und nichtfühlenden Lebens. Alle diese Erscheinungsformen zeigen ausnahmslos und gleichermaßen die ihnen innewohnende ursprüngliche Schönheit, wobei alle zu dem großen Konzert einer umfassenden Symbiose beitragen.
Nichts und niemand existiert unabhängig von etwas oder jemand anderem. Jedes individuelle Leben trachtet sich eine Umgebung zu schaffen, die ihrerseits wiederum alles andere Leben aufrechterhält. Alles Dasein unterstützt sich gegenseitig, ist miteinander verbunden und bildet einen lebendigen Kosmos“.
Goethe hat es so ausgedrückt :
„Wie alles sich zum Besten webt, eins in dem anderen wirkt und lebt.“
Zitat Ende
Nach dieser Weltsicht nimmt jede einzelne Person mit ihrem Wirken und ihrer Gedankenwelt Einfluss und schickt von da aus Wellen in die weitere Umgebung. Wenn viele Menschen dies mit gleicher Absicht tun, kann man sogar für unmöglich Gehaltenes zu Möglichem verändern.
Das ist ein optimistisches Weltbild mit Ausrichtung und Hoffnung auf ständig positiver dynamischer Veränderung, weil sie den Menschen in den Mittelpunkt stellt und vom Einzelnen als aktiven Mitgestalter ausgeht: ein Weltbild der „Befähigung“ oder im Englischen „empowerment“, die nicht zu trennen ist von Mitmenschen und anderen Lebewesen.
Der Philosoph Josiah Royce erklärte zu Beginn des 20.
Jahrhunderts :
„Die Gesellschaft als Ganzes ist das Produkt all dessen, was die verschiedenen Prozesse – zum Guten oder zum Bösen – in den Köpfen der einzelnen Individuen bestimmen mögen.“
Hoffen wir also auf die Prozesse zum Guten durch Sie alle, durch unser „Netzwerk des Guten“ - ICAN und die Partnerorganisationen.
Mit dieser Überzeugung und Hoffnung schaue ich in die Zukunft auf eine Welt ohne Atomwaffen, in denen die Menschen sich miteinander verbunden fühlen und in einer kreativen symbiotischen Koexistenz diesen Planeten miteinander teilen.
Heidi Kassai ist Mitglied bei ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen.