Redebeitrag von Philipp Gliesing für den Ostermarsch Jena am 31. März 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

die bundesweit mehr als 100 Ostermärsche, welche das Netzwerk Friedenskooperative auflistet, sind ein ermutigendes Zeichen – denn darunter sind einige neue, und auch die deutlich größere Beteiligung der Gewerkschaften macht Mut.

In Thüringen sind wir mit vier größeren Friedenskundgebungen in Erfurt, Gera und Ohrdruf gut mit dabei und unser Koordinierungskreis hat viel im Vorfeld geleistet, um wieder Schwung aufzunehmen. Unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen für eine eigentlich selbstverständliche Sache – nämlich „Aufrüstung statt Abrüstung“ – zu werben, war nicht immer einfach. Die politische Verunsicherung und aber auch die Eigeninteressen der Menschen sind deutlich spürbar.

Doch wohl selten in den letzten Jahren war das traditionelle Lied der Ostermarschierer, das wir nachher zum Demostart hören werden, so aktuell:

 

wir marschieren nicht gegen den Osten

wir marschieren nicht gegen den Westen,

wir marschieren für eine Welt, die von Kriegen nichts mehr hält.

 

Wir sind heute hier um für eine neue Politik der Entspannung besonders mit Russland einzutreten. Was wir erleben ist eine „Eiszeit“ in den internationalen Beziehungen, die auch durch ein Wettrüsten gekennzeichnet ist. Scheindebatten, wie Ausrüstungsprobleme bei der Bundeswehr können nicht darüber hinweg täuschen, dass massive Geschütze in Stellung gebracht werden, dass Straßen wieder panzertauglich werden sollen und die NATO-Manöver in den osteuropäischen Staaten, wie eine Provokation daher kommen. Dies alles begann in der Ukraine zu eskalieren. Das Völkerrecht, ist aber nicht erst seit Maidan und Krim-Eroberung ein „Spielball“ geopolitischer Machtinteressen geworden, wenn wir an den sogenannten „Krieg gegen den Terror“ denken.

Das alte Ziel der Ostermarsch-Bewegung, Feindbilder abzubauen und die Abrüstung durchzusetzen, ist also aktueller denn je und muss im Mittelpunkt unserer Forderungen stehen.

Die heutige Lage ist noch viel heikler als im Kalten Krieg als zwei Blöcke immer wieder einen Ausgleich finden konnten – es ist unübersichtlicher geworden und die Möglichkeiten der Kriegsführung haben sich extrem erweitert. Im Informationszeitalter sind die Instrumente der Manipulation und Einflussnahme auf Wahlen und Machtverhältnisse noch viel effektiver einsetzbar. Wozu die USA viele Jahrzehnte bereits in Südamerika in der Lage waren, wollen heute viele andere Regionalmächte, wie Russland und Saudi-Arabien, auch unter Beweis stellen.

Die Logik bleibt immer die gleiche – schüre Angst, verbreite Falschinformationen und sabottiere die Demokratie von innen. Und zur Zeit haben wir es mit einem zerstrittenen nur wirtschaftlich geeinten Europa zu tun, auf der einen Seite ein unberechenbarer US-Präsident, der Handelskriege herauf beschwört, und einem hochintelligenten russischen Präsidenten, der als „Kalter Krieger“ seine Karriere begann und die Verhältnisse in Europa sehr genau im Blick hat. Beide haben eine hohe Toleranzschwelle, was die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppen angeht und benutzen diese politischen Triebkräfte als Hebel für ihre Machtinteressen.

Wann, wenn nicht jetzt, in dieser aufgeladenen Atmosphäre brauchen wir neue Initiativen für eine Politik der gemeinsamen Sicherheit und Aussöhnung. Und dazu gehört letztlich auch die NATO endlich aufzulösen. Als Relikt des „Kalten Krieges“ hat das Militärbündnis des Westens nur weitere Unsicherheit im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Afrika, verursacht. Nein, wir lehnen es ab, wenn jetzt die nächsten Kriege geplant werden und wir verpflichtet sein sollen 2% des BIP für Rüstung auszugeben.

Die Kriege in deutscher Mitverantwortung und mit ihnen die Todesopfer und Vertriebenen aus Ländern, wie  Afghanistan, Irak, Jemen, Syrien, Libyen, sind Mahnung genug, endlich die Auslandeseinsätze der Bundeswehr zu beenden. Deshalb fordern wir auch die Rückbesinnung auf den Auftrag der Landeverteidigung - Thüringen darf nicht zur Drehscheibe für militärische Auseinandersetzungen werden. Das betrifft vor allem das Logistikzentrum in Erfurt und den „Drohnenübungsplatz“ in Ohrdruf.

Die Rüstungsspirale zu durchbrechen, ist das Ziel der bundesweiten Initiative "abrüsten statt aufrüsten". Deshalb an dieser Stelle eine Bitte an alle, die es noch nicht online getan haben: Füllt die Unterschriftenlisten aus und informiert euch mit den ausliegendenen Zeitungen!

Nichts ist mehr mit den Ostermärschen verbunden als der Ruf nach Abrüstung. Schon in den 60er und 70er Jahren hieß es: Ostermärsche für Abrüstung und Demokratie!

Wir können es uns weder aus globaler, noch aus innenpolitischer Sicht leisten, mehr als 30 Milliarden Euro für Rüstung auszugeben. Deswegen werden wir es der Bundesregierung immer wieder um die Ohren hauen. Runter mit der Rüstung – rauf mit Bildung, Rente und Gesundheit!

Und gerade unsere Thüringer Kommunen leiden darunter, dass der Bund seiner Verantwortung nicht gerecht wird, um im Bereich von Arbeit, Sozialen, aber auch Infrastruktur für Planungssicherheit zu sorgen.

1958 gelang es schon einmal einen Aufrüstungsbeschluss von Bundeskanzler Adenauer zu verhindern. Mit Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit müssen auch heute wieder gesellschaftliche Bündnisse über religiöse oder weltanschauliche Grenzen hinweg geschmiedet werden. „Schwerter zu Pflugscharen“ ist längst keine Auslaufmodell, sondern der einzige Weg um tatsächliche eine friedensschaffende Weltordnung zu gestalten. Deshalb muss die Rüstungskonversion staatlich subventioniert werden – und zwar europweit. Es geht darum überhaupt die Möglichkeiten des Umstiegs auf zivile Produktion zu schaffen – es ist ein wichtiger Baustein von vielen.

Aber was nutzt das, wenn die Scheichs, Trumps, Putins und von der Leyens auf Rüstungsmessen die Meistbietenden geben, mögen manche jetzt sagen. Jedem Zweifler an der Gegenmacht der Vielen durch den Einzelnen – möchte ich nur erinnern an die friedliche Revolution von 1989, an die  oder eben an den Bürgerechtsbewegung des Martin Luther King. Und gerade in der Frage von scheinbar unüberwindbaren Konflikten können uns diese historischen Situationen helfen, eigene Grundsätze für ein 21. Jahrhundert ohne Drohnenkriege und Mini-Atombomben zu entwerfen.

In der Gedenkstätte Buchenwald wird heute schon aktive Friedensarbeit geleistet – internationale Gruppen und Gäste erlernen, wie Ausgrenzung und Hass überwunden werden kann, wie die Geschichte der Greueltaten vermittelt wird, um die hohe Bedeutung von Grund- und Menschenrechten überhaupt zu verstehen. 

Die schlimmste aller Fluchtursachen ist der Krieg, die körperlichen Verletzungen und Leiden auf der Flucht mögen heilen, doch die tiefen Wunden in der Seele, der Verlust von Angehörigen und die Zerstörung ganzer Städte bleiben ein Leben lang.

Es gibt also genug Gründe zu Ostern und auch danach auf die Straße zu gehen!

Die Öffentlichkeit muss weiterhin verstärkt informiert und aufgeklärt werden, was die sozialen, ökologischen und bildungspolitischen Konsequenzen einer Erhöhung der [Rüstungsausgaben] bedeuten.

Dazu müssen wir alle, egal ob Postbote, Lehrerin, Bauarbeiter, Professorin oder Studierende, eine kritischen Debatte in der Gesellschaft herrstellen und ein breites gesellschaftliches Bündnis organisieren.

Die Entscheidungsträger müssen unseren heißen Atem spüren. Und es ist unsere Aufgabe auf die friedenspolitische Willensbildung hinzuwirken und zu mobilisieren und darüber auch Einfluss auf Parteien und die Bundesregierung zu nehmen.

Doch eins sage ich auch. Friedensarbeit funktioniert nur, wenn die Akteure über den Tellerrand schauen und ihre ideologischen Ansprüche zurückstellen. Denn nur ein gemeinsamer Nenner macht uns stark und hält die Friedensbewegung lebendig. Niemand soll ausgegrenzt sein, vor allem fordere ich die Parteien und zivilgesellschaftlichen Verbände und Vereine auf, sich in die Ostermarsch-Bewegung einzubringen. Wir vom Thüringer Koordinierungskreis wünschen uns mehr Ressonanz bei den

Vorbereitungen und wollen in Zukunft noch lauter, bunter und kreativer sein.

 

Philipp Gliesingist aktiv beim Koordinierungskreis „Thüringer Ostermarsch-Bündnis 2018“.