Redebeitrag von Ralf Cüppers für den Ostermarsch Flensburg am 31. März 2018

 

- Sperrfrist: Redebeginn, 31.3.2018 12 Uhr -

- Es gilt der gesprochene Text -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir schon 25 Protestaktionen und Mahnwachen gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit Cyberkrieg, Drohnen und Elektronische Kampfführung am Drohnen und Tornado-Standort Jagel durchgeführt, so auch den Ostermarsch Karfreitag 2018. Die ECR-Tornados in Jagel, ECR steht für Electronic Combat Reconnaissance, Elektronische Kampfführung und Aufklärung, sind also für die Elektronische Kampfführung aufgerüstet, dass das Lokalisieren eines Zieles und das Abschießen von Raketen, dies sich ihr Ziel selbständig suchen, weitgehend automatisch erfolgt.

Das automatische Töten ist die neue Qualität der Kriegführung der NATO.

Nun protestieren wir hier vor dem Standort der Rheinmetall-Defence. Rheinmetall-Defence hat mit der Münchener Elektronik-Firma Rhode und Schwarz eine Zusammenarbeit vereinbart, ein Joint Venture, eine (Zitat) „weitreichende Partnerschaft, um künftig eine führende Rolle bei der Digitalisierung der Landstreitkräfte zu übernehmen.“ Rheinmetall Defence ist daran mit 74,9%, Rohde und Schwarz mit 25,1% beteiligt

Gemeinsam mit Rohde und Schwarz will Rheinmetall die Leopard-Panzer der Bundeswehr für die Elektronische Kampfführung aufrüsten. In die Leopard-Panzer wird Elektronik eingebaut, dass der Panzer digitale Signale empfangen kann: (Zitat) „In der neuen Joint Venture-Gesellschaft verantwortet Rheinmetall den Bereich „Führungssysteme“, den Bereich „querschnittliches Bediengerät“ und die komplette Fahrzeugintegration. Rohde & Schwarz verantwortet mit seiner Schlüsselkompetenz der sicheren Kommunikation die Gesamtarchitektur inklusive IT- und Cybersicherheit sowie die IP-basierte Systemlösung für militärisch robusten, gesicherten Sprach- und Datentransport unter Hinzunahme von Komponenten und Lösungen anderer Hersteller.“

Es wird in der Öffentlichkeit bislang so dargestellt, als ginge es nur um Digitalfunk, mit dem ein militärischer Vorgesetzter dem Panzerfahrer einen Befehl über Sprechfunk übermitteln könnte, so wie auch Polizei und Feuerwehr teilweise schon den Digitalfunk nutzen.

Aber Rohde & Schwarz, führt aus: (Zitat) „Mit dem System SVFuA legt die Bundeswehr den Grundstein für eine moderne und somit zukunftsfähige taktische Kommunikation.“

Die Bundeswehr selbst drückt es im Bundeswehr-Journal wie folgt aus: (Zitat) „Das Konzept der „Vernetzten Operationsführung“ – militärisch kurz „NetOpFü“ – erlaubt es, Personen und militärische Bereiche sowie Sensoren und Effektoren miteinander zu verbinden. Dies geschieht mit Hilfe eines streitkräftegemeinsamen, führungsebenenübergreifenden und interoperablen Kommunikations- und Informationsverbundes. Eine NetOpFü-Schlüsselrolle spielt eine neue Generation von Funkgeräten, die auf der Technologie „Software Defined Radio“ (SDR) basiert. Die neue Funkgerätegeneration heißt „Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkgeräte-Ausstattung“ (SVFuA).“

Was ist demnach die neue Qualität:

  • Der Leopard-Panzer soll digitale Funksignale empfangen und verarbeiten können.
  • Bei diesen Funksignalen geht es um gesicherten Sprach- und Datentransport, also auch um nichtsprachliche Daten.
  • Dieses geschieht über ein System, das SVFuA abgekürzt wird.
  • Mit SVFuA ist die „Vernetzte Operationsführung“ möglich, die verbindet Personen sowie Sensoren und Effektoren, das bedeutet sprachlogisch, daß es sich bei Sensoren und Effektoren offenbar nicht um Personen handelt. Nun muß man noch wissen, daß „Effektoren“ oder zu Deutsch „Wirkmittel“ der militärische Begriff für tödliche Waffen ist. Sensoren und Effektoren werden somit direkt verbunden, ohne daß Personen dazu nötig sind.

Der Leopard-Panzer bekommt hier in Flensburg ein um etwa ein Meter verlängertes Kanonenrohr, damit soll die Durchschlagskraft des Wuchtgeschosses so verstärkt werden, daß es auch die modernsten russischen Panzer durchschlagen kann.

Am Ende dieser Entwicklung steht ein Leopard-Panzer als autonomer Kampfroboter. Was in Jagel für die Luftwaffe bereits geschieht, wird hier in Flensburg für das Heer übertragen. Und ab 2019 sind solche Systeme auch für die Marine vorgesehen.

Die Sensoren befehlen den Effektoren das automatische Töten, ohne daß ein menschlicher Akteur dazwischengeschaltet sein muß. Ein für die Elektronische Kampfführung aufgerüsteter ECR-Tornado oder eine unbemannte Drohne wäre der Sensor, der ein zu vernichtendes Ziel identifiziert. Die Elektronik hat natürlich die Daten, wo genau der nächste Leopard-Panzer sich befindet und rechnet aus den Koordinaten seines Standortes und denen des Zieles aus, in welchem Winkel zum Horizont und zum Längengrad das Geschützrohr aufzustellen ist, dass das Ziel sicher vernichtet wird. Um so etwas als anspruchsvolle Differentialgleichung und mit den Formeln der sphärischen Trigonometrie auszurechnen, brauchte ich in der gymnasialen Oberstufe mindestens eine Stunde, die Elektronik macht dies hingegen „in Echtzeit“ und sendet das Ergebnis als digitales Signal an den Leopard-Panzer, der dafür empfangsbereit ist und sein Geschützrohr, den Effektor, entsprechend ausrichtet. Dazu werden die entsprechenden Rohde-und-Schwarz-Geräte hier von Rheinmetall-Defence eingebaut. Wenn der Soldat in einem Leopard-Panzers nur noch die Funktion eines Chauffeurs hat, ist er verzichtbar, denn mit der Möglichkeit des Empfanges digitaler Signale wäre so ein Panzer wie eine Drohne fernsteuerbar.

Zu einer Zeit, in der es der Bundeswehr zunehmend schwerer fällt, Arbeiterjugendliche als Kanonenfutter zu rekrutieren, über vier Millionen erklärte Kriegsdienstverweigerer sind ein gewichtiger Faktor, muss die Bundeswehr „Manpower“ durch technologische Überlegenheit in asymmetrischer Kriegführung ersetzen.

Töten ist ein gutes Geschäft: Rheinmetall insgesamt gibt ein Umsatzwachstum in Höhe von rund 6% an, ausgehend von einem Jahresumsatz in Höhe von 5,6 MrdEUR im Jahr 2016. Rheinmetall Defence verzeichnet Umsatzwachstum von 5,9% auf 2,025 MrdEUR und Ergebnisverbesserung um 28 MioEUR auf 60 MioEUR. Jeder Einwohner der Bundesrepublik ist daran mit 25 Euro pro Jahr beteiligt, die aus seinen Steuerzahlungen an Rheinmetall-Defence fließen. Einige dieser Panzer sollen nach den Plänen von Frau von der Leyen auch an Jordanien, den sicheren Verbündeten der Bundeswehr, wo auch schon Jageler Tornados stationiert sind, geliefert werden.

Nach Kriegsvölkerrecht dürfen kriegswichtige Einrichtungen nicht in Ballungsgebieten stationiert sein. Sinn dieser Vorschrift ist, dass der eventuell mögliche militärische Gegenschlag nicht so viele zivile Opfer kostet. Genauso wie die Elektronische Kampfführung in Bramstedtlund und die Drohnenbildauswerter und die ECR-Tornados in Jagel ist nun auch Rheinmetall-Defence in unser strukturschwaches Grenzland plaziert worden und nicht etwa am Rheinmetall-Hauptsitz in Düsseldorf. Damit halten die Verantwortlichen das Kriegsvölkerrecht ein, das können wir ihnen zugestehen, aber die Opfer sind die Menschen, die hier wohnen.

Auch eine Bundeswehr, die auf Vernetzte Operationsführung, Cyberkrieg, Drohnen und Elektronische Kampfführung mit vollautomatisierten Panzern verzichtet, wäre immer noch schädlich, gefährlich, sinnlos und teuer. Demokratie, Frieden und ein Leben in Sicherheit für die Menschen können aber nicht durch Aufrüstung, Militär und Krieg hergestellt oder gesichert werden. Deswegen ist die Alternative allgemeine und vollständige Abrüstung. Wir fangen in unserem Verantwortungs-bereich, Deutschland, mit der Abschaffung der Bundeswehr an, hin zu einer Welt ohne Militär.

Seit Sommer 2015 organisieren wir regelmäßig Mahnwachen am Drohnen- und Tornadostandort Jagel um gegen die Kriegsbeteiligung des Geschwaders 51 zu protestieren. Und diese Aktionen gehen weiter: Am 21. April ist die nächste Mahnwache in Jagel und am 26. Mai findet der Lauf zwischen den Meeren über Jagel statt und friedensbewegte Läufer*innen nehmen am Lauf teil.

Am Dienstag, 26. Juni wollen wir mit möglichst vielen Künstlern möglichst viele Zufahrten zum Standort Jagel blockieren mit einem offenen Kriegsatelier sichtbar wird. An diesem Tag soll unsere Kreativität wirksam werden gegen den Krieg.

Aber wir wollen auch Rheinmetall nicht mehr in Ruhe sein schmutziges Geschäft machen lassen. Auch vor Rheinmetall werden weitere Protestaktionen stattfinden: Die nächste Mahnwache vor Rheinmetall findet statt am 19. April, 14.00 Uhr

Wir laden herzlich dazu ein, an den Aktionen vor Rheinmetall und am Fliegerhorst Jagel teilzunehmen. Der Frieden ist zu wichtig, um nur einmal im Jahr zu Ostern die Friedensfahne zu zeigen.

Es ist schon Zwei vor Zwölf.

 

Ralf Cüppers ist aktive bei der DFG-VK.