Redebeitrag von Rainer Braun für den Ostermarsch Chemnitz am 30. März 2018

 

- Sperrfrist: Redebeginn 30.03.2018, ca. 10 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

marschieren wir gegen den Osten, nein

marschieren wir gegen den Westen, nein

Wir marschieren für eine Welt, die von Waffen nichts mehr hält

heißt es in dem wohl berühmtesten Ostermarschlied, dass seit 1960 immer wieder auf den Straßen und Plätzen zu Ostern gesungen wird.

Die NATO marschiert gen Osten, seit 1990, die Einkreisung Russlands ist das Ziel, die neuen NATO-Stützpunkte in Polen, in den baltischen Staaten, permanente Manöver an der russischen Westgrenze, der neue Raketenabwehrschirm, neue Militärbasen im Hinterland und ein neues NATO-Infrastrukturhauptquartier wahrscheinlich in Ulm sind nur einige der signifikanten aggressiven Handlungen, die die Konfrontationspolitik mit Russland ausdrücken.

Deutschland ist überall an der Spitze dabei, mit schnell einsetzbaren battle-troops, mit Panzern in den baltischen Staaten. Deutsche Truppenstehen heute wieder 150 km entfernt von St. Petersburg – wie geschichtsvergessen.

Die bedauerlichen Ereignisse um einen Doppelagenten – unbewiesen die herbei konstruierte Verantwortung Russlands – werden wider alle Vernunft, realer Faktenlage und politischer Interessen zu einer an die tiefsten Zeiten des Kalten Krieges erinnernden Konfrontationsstrategie gegen die politische Führung Russlands genutzt. Wieder wird vom „Strategischen Feind“ und einer „Bedrohung ohne Grenzen“ geredet. Worum geht es wirklich, neben der Ablenkung von inneren Problemen besonders in GB aber auch in ganz Europa: es geht darum, ein Klima der Angst und der Kriegsvorbereitung zu schaffen. Die Zustimmung der Deutschen – über 70% nach allen Umfragen sind für eine Politik der Freundschaft und der Kooperation mit Russland – soll gekillt werden. Die Deutschen sollen kriegsreif gelogen werden! Es geht um „die Vergiftung des Denkens“. Deutschland übernimmt die moralische Führungsrolle bei den Maßnahmen gegen Russland“ tönte Wirtschaftsminister Altmeier. Geht es denn noch dreister: Moral und deutsche Politik: die sehen wir doch bei den Rüstungsexporten nach Saudi Arabien, beim Waffenhandel mit der Türkei, bei den Kriegen in Mali und Afghanistan, an den denen wir beteiligt sind. Nein wir müssen diese Dynamik, die mit den so genannten Vergeltungsmaßnahmen droht, stoppen, sonst können wir in einer Situation landen, die nichtmehr ganz weit von der des Sommers 1914 entfernt ist. Die Gefahr auch eines großen Krieges droht.

Wir sagen Nein zu Feindbildkonstruktionen und ein tiefes Ja zur Freundschaft und Partnerschaft mit Russland. Nie wieder lassen wir uns gegen Russland aufhetzen. Wir wissen, was das bedeutet. Unter Freuden ist gegenseitige Kritik möglich und erwünscht, aber Freundschaft heißt Partnerschaft, Dialog und Abrüstung.

Präsident Putin hat es vor gemacht, mit der Ankündigung, dass Russland die nächsten 2 Jahre abrüsten will! Bisher nur Worte, den hoffentlich Taten folgen werden.

Bitte erzähle keiner mehr die Story mit dem aufrüstungswütigen Russen, diese Story der Politik und der Medien ist und bleibt eine Lüge. Jede Schüler_in der 2. Klasse weiß, dass mehr als 900 Milliarden Dollar Rüstungsausgaben USA und NATO Ausgaben 10-mal mehr sind als ca. 69 Milliarden.

Die „Rüstungstaten“ des Westens, der NATO, der Bundesregierung kennen wir:

Die heißt ganz einfach 2% des Bruttoinlandsprodukst für Rüstung und Krieg, europäische Militarisierung und Interventionskriege überall in der Welt.

Wir müssen es immer und immer wieder sagen: die Verdopplung des Rüstungshaushaltes in den nächsten Jahren ist der Angriff auf unsere sozialen Leistungen, heißt weniger Bildung, weniger Gesundheit, weniger für Pflege, weniger für die Ärmsten der Armen und auch weniger für Hilfe zur Selbsthilfe.

Und was ist denn das für eine Politik der Bundesregierung: wenn mehr Rüstung mit mehr Entwicklungshilfe gekoppelt ist, mehr Töten also, mehr Krieg sind also notwendig, damit endlich der Entwicklungsetat die seit 1972 ausstehende 0,7% des BIP erreicht. Was für eine perverse Logik.

Nein und noch einmal nein zur Aufrüstung: Wir fordern Abrüstung für das Leben und die Zukunft, für Klima und Umwelt!

Wir werden gerade nach den Ostermärschen alles tun, den beeindruckenden Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“ zu einer wirklich breiten Unterschriftenkampagne zu entwickeln. 100.000 Unterschriften sollten doch möglich sein. Dem werden sicher weitere hoffentlich auch große Aktionen folgen.

Das Geld ist der Schlüssel, die Aorta für die „NATO Aufrüster“ aber auch für die zukünftige Gestaltung der Gesellschaft: ohne finanzielle Ressourcen keine NATO Kriege, aber ohne finanziellen Möglichkeiten auch keine gesellschaftliche Entwicklung hin zu globaler Gerechtigkeit und Frieden auch mit der Natur.

Wir können es gar nicht oft genug sagen und dafür eintreten: die Organisation, das weltweite Militärbündnis, das hinter Kriege, Interventionen, illegalen regime changes, Bespitzelungen und Aufrüstung steht: die NATO gehört überwunden und aufgelöst. Der Dinosaurier NATO muss endlich auf den Misthaufen der Geschichte, auch das ist eine Botschaft der Ostermärsche 2018.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist die Tradition der Ostermärsche, es ist die Forderung, die alle Ostermärsche seit1959 leider bis heute immer verbunden hat: unser lautes Ja zu einer Welt ohne Atomwaffen.

„Entweder wir schaffen die Atomwaffen ab, oder diese eines Tages uns und den Planten“ hat Albert Einstein einmal die Herausforderung unseres Zeitalters beschrieben. Existierende 15.000 Atomwaffen können unseren Planten immer noch mehrfach vernichten und diese Atomwaffen werden verharmlosend formuliert modernisiert. In der Realität geht es um die Einführung einer neuen Generation von Atomwaffen, bei der geplanten Stationierung in Büchel sogar um neue strategische Atomwaffen. Des Weiteren wird die Mini-Atomwaffe, sozusagen die atomare Gefechtsfeldwaffe in der Tasche entwickelt. Die Hemmschwelle für einen Atomwaffeneinsatz soll gesenkt, ein Atomkrieg auch in Europa wieder möglich werden. Und vergessen wir nicht: Die Diskussion um europäische Atomwaffen unter Beteiligung Deutschlands geht weiter

Deswegen ist eine zentrale Forderung auch dieses Ostermarsches: Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel, Ende der nuklearen Teilhabe, der Tornado Übungsflüge und die Aufkündigung des Stationierungsabkommens zwischen der US-Regierung und der Bundesregierung zu Büchel und ich füge hinzu zur Air Base Ramstein.

Vergessen wir nicht: die Bunderegierung muss den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen. Liebe Mitglieder des Deutschen Bundestages: folgen Sie ihren österreichischen Kolleginnen und Kollegen, die diesen Vertrag einstimmig ratifizierten. Dies wäre deutsche Friedenspolitik

Wir grüßen von dieser Stelle die Blockierer von Büchel und sind voller Vorfreude auf die hoffentlich großen Protestaktionen in und um die Air Base Ramstein Ende Juno.

Ostermärsche waren immer internationalistisch. Vor 50 Jahren haben wir gegen die Verbrechen der USA in Vietnam Ostern1968 demonstriert. My Lai sei nur als Stichwort für die imperialistische Barbarei genannt.

Ostern 2018 gilt unsere ganze Sympathie und Solidarität den Menschen in Afrin und in Nordsyrien, den Kurden, die wieder einmal Opfer geopolitischen Geschachers werden.

Schluss mit der völkerrechtswidrigen türkischen Intervention, der Kumpanei der Bundesregierung und der EU mit der Türkei, um einen widerlichen Flüchtlingsdeal weiter fortsetzen zu können. Freiheit für Afrim und keine deutschen Waffen und Panzer – nirgendwo. Keine Ausweitung des Krieges auf den Irak und – auch wenn es sicher noch ein längerer Weg ist: Frieden in Syrien durch Verhandlungen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir zurzeit erleben ist ein Ringen um eine erneute Neuaufteilung der Welt, das Ringen um eine neue Weltordnung unter zutiefst veränderten Kräftekonstellationen. Die Zeit der alleinigen Supermacht USA ist vorbei. Das Neue ist noch nicht entwickelt, hat keine klare Strukturen, das Alte ist noch nicht untergegangen. Die Entwicklung geschieht unter weltweiter kapitalistischer Dominanz, unter kapitalistischen Konkurrenz- und Profitbedingungen, aber historisch neu bei Endlichkeit vorhandener Ressourcen und dramatischen Menschen gemachten Klimaveränderungen. Ausgetragen werden diese Veränderungen in Kriegen und Interventionen, die auch den ganzen Planeten zerstören können

Deutschland als Hegemon in Europa äußert immer ungenierter seine neuen Weltmachtansprüche und ist seit 1991 an 51 Kriegen und Konflikten überall in der Welt mit Soldaten beteiligt. Deutschland treibt die Entwicklung Europas zu einer neuen militärischen Supermacht voran. Seit nunmehr 25 Jahren beteiligt sich die Bundeswehr an den zumeist völkerrechtswidrigen Interventionskriegen. Keiner hat auch nur einem der Länder Frieden gebracht. Wir bleiben dabei: Alle Truppen müssen nach Hause und zwar so schnell wie möglich.

Wir leben in einer Zeit, in der die Entwicklung hin zu einem neuen großen Krieg, als Ergebnis einer Dynamik verfehlter Politik, nicht ausgeschlossen ist. Der Einsatz von Atomwaffen ist dann mehr als wahrscheinlich. Nicht nur die Namen Trump, Bolton und Matteo stehen für diese ungeheuren Gefahren, rechtsradikale Entwicklungen in vielen Ländern verschärfen diese nach Innen und Außen.

Unser Nein zum Krieg war und ist immer und ímmer wieder zuhören! Es muss lauter, deutlicher, vielfältiger, politisch breiter und einheitlicher werden. Kleinkarierten Streit können wir uns angesichts der friedenspolitischen Herausforderungen einfach nicht mehr leisten wohl aber solidarische Diskussionen um den besten Weg und die besten Aktionen für den Frieden.

Die Friedensbewegten aller Zeiten haben nie gewusst, ob sie in der einzelnen Auseinandersetzung oder letztendlich erfolgreich sein werden. Erfolge aber auch viele bittere Niederlagen prägen die Entwicklung der Friedensbewegung.

Aber immer wieder sind Frauen und Männer, besonders junge Menschen (wie jetzt mehr als 1 Millionen in den USA) aufgestanden und haben für die gerechte Sache gestritten – teilweise unter schwierigsten Bedingungen.

Ihnen fühlen wir uns gerade dieses Ostern –  50 Jahre nach dem Attentat auf Rudi Dutschke und der zeitnahen Ermordung Martin Luther Kings am 04.04.1968 – 2018 tief verbunden.

Wir haben eine Chance, wenn wir den Frieden massenhaft in unsere eignen Hände nehmen. Nutzen wir auch diese Ostermärsche als ein Beginn! Frieden ist der kategorische Imperativ und dem Frieden sind wir – die Ostermarschiererinnen und die Ostermarschierer – verpflichtet.

Give Peace a Chance!

Herzlichen Dank

 

Reiner Braun ist Co-Vorsitzender des International Peace Bureau (IPB).