Redebeitrag für den Ostermarsch Ulm am 18. April 2019

 

- Sperrfrist: 18. April 2019, Redebeginn: 18 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bündnispartnerinnen und Bündnispartner,

in vielen Teilen der Erde herrscht extreme Armut, weltweit verhungern täglich 25.000 Menschen, darunter viele Kinder. Aber die Welt rüstet weiter auf und stellt neue Rekordzahlen an Militärausgaben auf. Einflussreiche Staaten horten Waffen, blutige Kriege wie im Jemen, in Syrien, im Irak oder in Afghanistan toben weiter und die Aussichten auf Frieden und Demokratisierung in den Konfliktländern sind gering. Kriege und Terror verursachen unbeschreibliches Leid in der Zivilbevölkerung und führen zu immer größeren Fluchtbewegungen. Weltweit sind fast 70 Millionen Menschen auf der Flucht – Hauptursache sind Kriege, Bürgerkriege und militärische Eingriffe von außen.

Deutschland ist an diesen Kriegen beteiligt und Mitverursacher von Fluchtbewegungen.

Der deutsche Verteidigungshaushalt wächst und wächst. 2019 werden die Ausgaben einen Spitzenwert von 43 Milliarden Euro erreichen. Im Jahr 2000 waren es „nur“ 24 Milliarden. Nach den Plänen der Bundesregierung wird es weitere Steigerungen geben, bis 2024 sollen 1,5% des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr ausgegeben werden. Das wären dann 60 Milliarden Euro.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mir und uns allen fallen mit Sicherheit auf Anhieb etliche Möglichkeiten ein, dieses Geld sinnvoller auszugeben – für ein gerechtes Bildungssystem, für bezahlbare Wohnungen, für Gesundheit und Soziales, für eine faire Handelspolitik und eine gerechte Entwicklungspolitik, nicht zuletzt auch für ein gutes Klima – in der Luft und in der Gesellschaft.

 

Kolleginnen und Kollegen,

der globale Waffenhandel eilt von einer Rekordmarke zur nächsten. Fünf Staaten sind für drei Viertel aller Waffenexporte weltweit verantwortlich: die USA, Russland, Frankreich, Deutschland und China. Deutschland rangiert auf Platz 4 und hat einen Anteil von gut 6 Prozent an allen Waffenexporten. Das klingt nach einem kleinen Teil, aber Tatsache ist, dass Deutschland seit 2014 einen Zuwachs von 13 Prozent verzeichnet. Vor allem in den Nahen Osten und nach Nordafrika wurde mehr Kriegsgerät geliefert.

Begrüßenswert war, dass Deutschland Ende 2018 Waffenexporte nach Saudi-Arabien gestoppt hat. Die Aufhebung des Lieferverbots wurde an Fortschritte im Friedensprozess für den Jemen geknüpft. Doch die Freude über den Exportstopp währte nicht lange, wurde er doch bereits gelockert und erste Lieferungen sind schon genehmigt. Dabei handelt es sich einmal um Technologie für Satteltiefladerfertigung, hergestellt in Ulm für ein Gemeinschaftsprojekt mit europäischen Partnerländern, zur Lieferung und zum Endverbleib in Saudi-Arabien. Und es gibt weitere Exportgenehmigungen, nämlich für die Vereinigten Arabischen Emirate, die genau wie Saudi-Arabien am Jemenkrieg beteiligt sind. So sind wir mal wieder mehr oder weniger indirekt durch unsere Waffenexporte in viele Konflikte involviert, ja, sorgen mit diesen Waffen dafür, dass die Kriege weiter geführt werden – und beklagen uns dann, dass die leidenden Menschen fliehen und sich auf den Weg nach Europa machen, in der Hoffnung, Frieden und Sicherheit zu finden.

 

Liebe Leute,

mit Blick auf die Europawahlen bedeutet das: wir fordern auf europäischer Ebene eine gemeinsame restriktive Exportpolitik für die Rüstungsbranche. Es kann doch nicht sein, dass Deutschland einen Lieferstopp beschließt und andere Nationen wie z. B. Frankreich Druck ausüben und so Waffenzulieferungen für Gemeinschaftsprojekte erzwingen. Das führt alle Willensbekundungen und guten Vorsätze ad absurdum. Das ist Wasser auf den Mühlen derer, die wie der CSU-Verteidigungsexperte Christian Schmidt eine militärische Zusammenarbeit auf europäischer Ebene befürworten und Deutschlands Machtstellung auch bei der Vermarktung von Rüstungsgütern gewahrt sehen wollen. Ich sage dazu folgendes: wenn es darum geht, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernehmen soll, dann nicht zur Verfolgung geopolitischer Interessen unter dem Deckmäntelchen humanitärer Hilfe, sondern als friedensstiftender Akteur, der den von Krieg und Gewalt bedrohten Menschen beisteht. Das schließt natürlich eine solidarische Flüchtlingspolitik ein.

Zurück zur Bundeswehr: es wird viel über deren marode Ausrüstung und Mangelwirtschaft geredet. Um dieser Situation Herr zu werden, gibt es die erwähnten Ausgabensteigerungen. Doch was ist mit den rechtsradikalen Umtrieben in der Truppe? Ein umfassendes rechtes Netzwerk treibt seine Spielchen, legt Waffenlager an und pflegt seine rassistischen Überzeugungen. Auch das sind strukturelle Probleme und auch diese müssen angegangen werden. Rechte Netzwerke in der Bundeswehr müssen konsequent aufgedeckt werden. Rote Karte für Rassismus und Nationalismus!

 

Kolleginnen und Kollegen,

der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stehen für eine aktive Friedenspolitik. Wir stehen für die Konversion von Rüstungsunternehmen und militärischen Liegenschaften. Aber wir Gewerkschaften sagen auch: Konversionsprojekte müssen gemeinsam mit den Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen entwickelt werden. Dafür gibt es die Sozialpartnerschaft, dafür gibt es die betriebliche Mitbestimmung. Deutschland braucht mehr zivile Strategien zur Friedenssicherung, die an den Ursachen von Kriegen und Konflikten ansetzen. Hierzu gehören vor allem ein fairer Welthandel, eine gerechtere Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte.

Deshalb sagen wir: Abrüsten statt aufrüsten!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Engagierte in welchem gesellschaftspolitischen Bereich auch immer, eigentlich wäre mein Redebeitrag hier zu Ende. Aber nach der Verabschiedung des sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetzes durch die Bundesregierung muss ich mein Entsetzen über diese menschenverachtende und unwürdige Behandlung von Schutzsuchenden zum Ausdruck bringen. Das vom Gesetzgeber ausgehende Signal an die Bevölkerung erinnert an die Losung „Das Boot ist voll“. Diese Losung hat in den 90er Jahren zu massiven Anfeindungen gegen Asylsuchende geführt und nicht zuletzt die Morde in Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln befördert. Was treibt einen deutschen Innenminister an, Menschen einzusperren, die sich keiner Straftat schuldig gemacht haben, außer dass sie womöglich keine Papiere vorweisen können. Was geht in Herrn Seehofer vor, wenn er sogar Familien mit Kindern in Haftanstalten unterbringen will, weil die Abschiebeeinrichtungen voll sind? Statt sich endlich um die Integration der zu uns Geflohenen zu kümmern, werden sie kriminalisiert, in Angst und Schrecken versetzt und durch Leistungskürzungen in arbeitsausbeuterische Verhältnisse und in die Kriminalität getrieben. Das ist unwürdig! Am Rande und zum Schluss angemerkt: es gibt eine Verbändeanhörung auch zu diesem Gesetzentwurf. Das Zeitfenster beträgt 2,5 Tage. So viel zum Interesse des Innenministeriums an den Einschätzungen der Zivilgesellschaft.

Ich danke euch fürs Zuhören.

 

Bärbel Mauch ist Regionsgeschäftsführerin des DGB-Region Südwürttemberg in Ulm.