Redebeitrag für den Ostermarsch Traunstein am 20. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freund*innen, liebe Wegbegleiter*innen, liebe Mitstreiter*innen,

Von klein auf nehme ich am Friedensmarsch teil. Und von Jahr zu Jahr denke ich mir: Schlimmer kann es nicht mehr werden.

Und wie ich dann so ein Jahr später wieder hier stehe, sieht es noch schlimmer aus.

Rüstungsexporte steigen. Die Zahl der atomaren Waffen steigt.

Der Meeresspiegel steigt. Die Anzahl der Umweltkatastrophen nimmt zu. Die Zahl der Krisenherde, die zahl der Anschläge, die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Der Massenkonsum wächst. Die Anzahl der Verschreibungen von Medikamenten gegen Burnout und Migräne hat sich verdoppelt. Die Anzahl der Autos wächst und die Anzahl der Verkehrstoten, die Anzahl des Billigfleisches wächst und die Anzahl der kranken Menschen.

Papst Franziskus hat recht, wenn er sagt, dass diese Wirtschaft tötet!

Ich möchte hier eine Metapher anführen, die mir sehr gut gefällt. Wenn nämlich etw. in einem Körper kontinuirlich wächst, dann ist das keine positive Entwicklung. Dann ist das Krebs. Und dieser Gedanke, dass wir immer mehr Dinge kaufen und unsere Regierung immer mehr verkaufen muss, die eigentlich keiner braucht, und die sogar schädlich sind und diese Dinge meist von Geld gekauft werden, das sich Menschen leihen, um andere Menschen zu beeindrucken, die sie gar nicht mögen. Das ist einfach krank!

Am 15. letzten Monat, wo wir mit Millionen von Jugendlichen auf der ganzen Welt für Klimaschutz auf der Straße waren prophezeite ich auf meiner Rede in Stuttgart, dass diese Bewegung entweder der letzte Aufschrei oder, und das hoffe ich eher eine radikale Wende herbeiführen würde. Und ja, ich meinte eine radikale Wende.

Radikal kommt von Radix aus dem Latainischen und heißt nichts anderes wie eine tiefwurzlige, allumfassende Änderung des Bestehenden.

Das sagte ich natürlich im Kontext der Klimademo. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich diese Aussage auf alle gesellschaftlichen Katastrophen übertragen lässt, vor denen wir heute stehen.

Wenn wir jetzt nicht radikal etwas ändern, dann bleibt nichts mehr. Auch nicht einmal das, was wir bewahren wollten und deshalb lieber gar nichts gemacht haben.

Greta wurde letztens in einem Interview gefragt, ob sie radikal oder realistisch ist. Ich würde sagen, wir müssen radikal sein, weil wir Realisten sind.

Aber abgesehen von diesem Realismus, streben wir auch nach einer Welt, die es noch nicht gibt. Und wir wissen auch nicht, ob es diese Welt je geben wird. Aber das muss uns egal sein.

Wir haben keine Zeit mehr zu fragen, ob es uns gelingen wird.

Es muss uns gelingen. Und deshalb möchte ich jede und jeden einzelnen von Euch ermutigen jeden einzelnen Tag aufs Neue für diese Welt zu kämpfen. Für eine Welt, in der niemand flüchten muss. Für eine Welt, in der jeder überall herzlich aufgenommen wird. Eine Welt, in der nicht entscheidend ist, wo man herkommt, was man ist, was man glaubt oder was man hat. Eine Welt, in der wir die Umwelt nicht mehr schützen müssen. Eine Welt, in der wir nicht mehr gegen Krieg und Waffen kämpfen müssen. Eine Welt, in der sich lieben kann, wer sich lieben will.

Mojib Latif hat recht, wenn er sagt, dass ohne das wir es merken die Situation langsam eskaliert. Nur keine Lust zu haben und die Alternativen nicht sehen zu wollen, ist keine Ausrede mehr! Außerdem gibt es so etwas wie eine Alternativlosigkeit in einer Demokratie überhaupt nicht! Nie ist etwas alternativlos und schon gar nicht wenn es um Leben oder Tod geht. Und darum geht es liebe Freundinnen und Freunde. Es geht darum, ob wir auch in Zukunft auf diesem Planeten miteinander leben können, oder nicht.

Eine Alternativlosigkeit kann es da nicht geben. Konstantin Wecker schreibt dazu, dass sich mit dieser Fiktion die Weltenlenker billig aus der Verantwortung ziehen und uns manipulieren Verhältnisse anzunehmen, die nicht hinnehmbar sind! Und wenn ich dann immer höre, wir könnten die Welt nicht retten. Ach so? Wir können das nicht? Ich frage mich immer nur, wer denn dann?

Es geht ja auch gar nicht unbedingt um die Weltrettung, ich meine die Welt braucht uns nicht und schon gar nicht muss sie von uns gerettet werden. Aber wir müssen uns selbst retten!

Eine sehr bekannte Verhaltensforscherin sagte einmal: „Jeder von uns hat die Macht, die Welt zu verändern. Es ist zu spät, um pessimistisch zu sein. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln, denn handeln macht glücklich!“

In diesem Sinne als Signal nach Berlin, München, Brüssel und überall dort hin, wo die sitzen, welche meinen, sie hätten die Marionettenfäden in der Hand:

Wir brauchen nicht noch mehr Waffen, wir wollen gar keine mehr! Wir fordern eine radikale Friedenspolitik. Und liebe Leute, wenn unsere Wirtschaft dann kollabiert, dann muss es wohl so sein! Eine Wirtschaft, die auf Konsum, Töten und Ausbeuten ausgelegt ist wollen wir nicht!

Und wenn am 26. Mai Europa Wahlen sind. Dann bitte, bitte, bitte, lasst uns gemeinsam aufstehen! Wir brechen jetzt alle gemeinsam das Schweigen.

DENN: WIR SIND MEHR! Keine Mauer, kann stabil genug, keine Grenze der Welt kann hoch genug sein, um uns aufzuhalten.

Lasst sie uns sprengen die Mauern und Grenzen. Lasst uns Brücken bauen!

Überlassen wir Europa nicht denen, die nichts ändern wollen, die nicht nach vorne schauen, die uns lähmen. Und wir überlassen Europa erst recht nicht den Populisten, den Le Pens, den Straches, den Orbans, den Salvinis, den Meuthens und wie sie alle heißen…

Denn unsere Liebe zur Natur, zur Umwelt, den Tieren und Menschen die tragen wir alle in unseren Herzen.

Liebe wird aus Mut gemacht heißt es so schön. Haben wir alle den Mut uns unseres Verstandes zu bedienen und stehen wir alle auf für eine offene, freie, liebende, tolerante Gesellschaft, die es sich gemeinsam zur Aufgabe macht, eine Zukunft zu gestalten, in der jede*r eine Zukunft hat!

Widerstehen wir mit all dem, was uns als menschlichen Wesen gegeben ist. An Mitgefühl und Verstand, Poesie und Zärtlichkeit.

Bitte bleibt wachsam, interessiert, empört Euch weiterhin, bleibt oder werdet gesund! Wir brauchen jede und jeden einzelnen von Euch in dieser bitterkalten Zeit!

Stehen wir jetzt gemeinsam für eine gemeinsame Zukunft auf!

 

Ludwig Essig ist aktiv bei der „fridays for future“ Bewegung und beim Greenteam Schwabenpower.